Dass Massentierhaltung und Umweltverschmutzung in einem Zusammenhang stehen, wird heutzutage niemanden mehr überraschen. Die Frage, an der sich Veganer, Vegetarier und Fleischesser scheiden (neben der nach gesunder Ernährung), lautet: Wie stark stehen Massentierhaltung und Umweltverschmutzung miteinander in Verbindung?
Doku: „Cowspiracy“ – Ökoterror durch Veganer?
In einer von Leonardo DiCaprio mitproduzierten, preisgekrönten Dokumentation des Filmemachers Kip Andersen, „COWSPIRACY: The Sustainability Secret“ (2014), hörte ich, dass Nutztierhaltung und die damit zusammenhängenden Industriezweige für 51 % aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich seien (mit Berufung auf eine Studie von World Watch, 2009). Wenn die Angaben stimmen, wären das deutlich mehr als der kombinierte Ausstoß aller Verkehrsmittel zusammen.
51 Prozent! Unter dieser Annahme bräuchten wir nur von heute auf morgen aufzuhören, tierische Produkte zu verzehren, und wir bekämen einen Großteil unserer irdischen Probleme in den Griff.
Ferner soll die industrielle Massentierhaltung für 91 % der Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes verantwortlich sein (durch Futtermittelanbau etc.) sowie für 20-30 % des gesamten Süßwasserverbrauchs weltweit. 3/4 der weltweiten Fischbestände scheinen gefährdet zu sein. Im Jahr 2048 könnte uns das Szenario komplett leer gefischter Meere drohen.
Kip Andersen stellte bei seinen Recherchen fest, dass offizielle Stellen wie die Welternährungsorganisation (FOOD AND AGRICULTURE ORGANIZATION OF THE UNITED NATIONS, 2006), die amerikanische Umweltschutzbehörde, ja sogar die Nasa in Berichten die Nutztierhaltung als eine der Hauptursachen für den Treibhauseffekt ausmachen. Er fand Experten, die bestätigten, die Nutztierhaltung sei der größte Verursacher.
Steht es wirklich derart schlimm, um Massentierhaltung und Umweltverschmutzung? Nach diesen Daten, die sich auf die Nutztierhaltung weltweit beziehen, wollte ich wissen, wie es speziell in Deutschland aussieht. Wie argumentiert man hierzulande in Bezug auf Massentierhaltung und Umweltverschmutzung?
Die Gegenseite: Der Bauernverband
Der Deutsche Bauernverband beruft sich auf Daten der Bundesregierung: der Sektor Landwirtschaft sei in Deutschland nur für etwa 7 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Ferner sollen die Emissionen des Sektors Landwirtschaft gegenüber 1990 bereits um rund 21 Prozent gesenkt worden sein. Außerdem soll die moderne Tierhaltung (Rinder und Schafe) bezogen auf die erzeugte Milch bzw. das Fleisch zu geringeren Klimagasen (Methan) als extensive Weidehaltung auf anderen Erdteilen führen. Auch in Deutschland soll die Beweidung mit Wiederkäuern der Erhaltung von rund 5 Millionen Hektar Grünland und damit dem Naturschutz dienen.
Davon abgesehen, was „moderne Tierhaltung“ für die Tiere bedeutet und letztendlich auch für uns Menschen (siehe Futtermittelzusätze), reichten mir diese Angaben nicht aus. Auch „Bio“ gilt mittlerweile als perfekte Illusion, zumindest wenn man die Massenprodukte aus den Supermärkten betrachtet, wie Recherchen von Journalisten und Tierschutzorganisationen verstärkt aufdecken (z.B. ARD, 2014). Und was ist zum Beispiel mit importierten Futtermitteln (Soja etc.), deren Anbau die weltweite Umweltbilanz deutlich belasten, die aber nicht zwingend in direktem Zusammenhang zur landwirtschaftschaftlichen Belastung in Deutschland stehen?
Ich fühlte mich allein gelassen in einem Wirrwarr aus Daten und verstörenden Fakten.
Massentierhaltung und Umweltverschmutzung: der verwirrte Konsument
Auf beiden Seiten beziehen sich die Zahlen auf Durchschnittswerte und Hochrechnungen, die einen welt- die anderen deutschlandweit. Verschiedene Herangehensweisen basierend auf unterschiedlichen Argumentationsketten werden ihr Übriges beitragen.
Hört man die so gegensätzlichen Meinungen neigen nicht wenige von uns dazu, gedanklich aufzugeben und die Massentierhaltung einfach Massentierhaltung sein zu lassen. Wer weiß schon, was stimmt, und abgezockt wird man sowieso an jeder Ecke – so lautet der Wortlaut im Allgemeinen. Aber was entspricht letztendlich der Wahrheit? Und in welchen Punkten sitzen wir einer Lüge auf? Oder ist das gesamte Thema eigentlich viel zu komplex mit unterschiedlichen Facetten, Betrachtungsweisen und Grauzonen, sodass wir eigentlich bei unserer Suche nach der endgültigen Wahrheit die Nadel im Heuhaufen finden müssen? Sind die Menschen in unserer Zeit vielleicht einfach bloß noch damit beschäftigt, das kleinere Übel zu wählen? Jeder von uns hat seinen hektischen Alltag zu bewältigen, jongliert zwischen Beruf und Familie hin und her – und die Löhne der meisten von uns sind auch nicht gerade üppig. Ein Fleischeinkauf im Bioladen mit zumindest „ein wenig mehr garantierter“ tierfreundlicher und artgerechter Haltung ist für die meisten Versorger einer drei- bis vierköpfigen Familie gar nicht drin. Jede Mutter bzw. jeder Vater kennt das Phänomen männlicher Heranwachsender, welche beinahe stündlich zu essen scheinen und Unmengen an hochkalorischen und eiweißhaltigen Nahrungsmitteln verputzen. Doch nur weil wir eine siebenköpfige Raupenschar zu versorgen haben, wollen viele von uns ja nicht ihre im Leben angeeigneten Werte aufgeben? Und dazu gehört eben auch die naturgegebene und emphatische Zuwendung zu den Tieren. Welche Alternativen haben wir also? An irgendeiner Stelle muss sich ein Mittelweg finden lassen? Doch dazu bedürfen wir weiterer Aufklärung, denn ohne Wissen kann man keine Werte etablieren oder zu einer richtungsweisenden Entscheidung für zukünftiges Verhalten gelangen.
Ich beschloss, nach offiziellen Daten auf den Webseiten der Bundesämter zu suchen.
Die offizielle Seite: das Umweltbundesamt
Auf der Webseite des Umweltbundesamtes fand ich folgendes Zitat: „Unser Fleischkonsum hat erhebliche Auswirkungen auf unsere Umwelt. Nitrat im Grundwasser, Ammoniak in der Luft und Antibiotika im Boden sind nur ein paar Beispiele. Ohne Veränderungen unserer Essgewohnheiten, das heißt vor allem einen deutlich geringeren Fleischkonsum, wird es äußerst schwierig, unsere Umwelt und unser Klima wirksam zu schützen.“ (zitiert nach Umweltbundesamt, 2017)
Irgendwie hatte ich angenommen, dass Umweltbundesamt würde gemäßigtere Töne anschlagen. Ich war überrascht, als dem nicht so war.
Gemäß dem Umweltbundesamt sollen die im Zitat genannten Umweltschäden zu einem Großteil auf die intensive Tierhaltung in Deutschland zurückzuführen sein. Etwa 60 Prozent der Fläche werden offenbar für Futtermittel für Rinder, Schweine und andere Tiere verwendet. Demgegenüber stehen nur 20 Prozent Fläche, die direkt für den menschlichen Verzehr bestimmt sind (quasi Gemüse-, Getreide- und Obstanbau etc.). Zitat des Umweltbundesamtes: „Wenn wir mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch essen, schützt das unmittelbar die Umwelt und das Klima.“
Gemäß Umweltbundesamt schadet vor allem die Rinderhaltung dem Klima. Die Produktion von einem Kilo Rindfleisch soll zwischen sieben und 28 Kilo Treibhausgase verursachen, während Obst oder Gemüse bei weniger als einem Kilo liegen.
Ferner: „Fleisch ist auch nur scheinbar billig – wir Verbraucher zahlen dreifach: Erstens an der Supermarktkasse, zweitens mit Steuergeldern für die hohen Agrarsubventionen der Tierhaltung, und ein drittes Mal, wenn etwa die Wasserwerke Geld in die Hand nehmen, um Nitrat aus dem Trinkwasser zu entfernen.“
Nebenbei gesagt, hat die EU Deutschland verklagt: wegen zu hoher Nitratbelastungen in Gewässern (Europäische Kommission, 2016).
Das Umweltbundesamt hat Vorschläge für eine umweltverträgliche Landwirtschaft entwickelt, welche auf den Webseiten des Amtes nachgelesen werden können.
Können wir uns Egoismus noch leisten?
„Deutschland ist der größte Schweinefleischproduzent in der EU und liegt weltweit auf Platz 3 hinter China und den USA.“ (zitiert nach Hans-Böckler-Stiftung, 2007) Vieles davon wird exportiert. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2016) ist Deutschland seit Jahren „weltweit die Nummer drei im Agrarexport insgesamt und ‚Exportweltmeister‘ bei Süßwaren, Käse, Schweinefleisch und Landtechnik.“
Sozusagen, von exquisiten Fleischwaren bis hin zum Billigfleisch nach Afrika, decken wir „alles“ ab. Können wir uns überhaupt aus der Verantwortung stehlen?
Ein Szenario
Nehmen wir mal an, wir befänden uns in einer Goldmine. Diese Mine droht einzustürzen. Der Besitzer der Mine ruft von oben in die Mine hinein: „Alles halb so wild, wir überstehen die Sache schon. Schürft nur weiter nach Gold.“ Der Vorarbeiter wird dagegen stutzig und warnt: „Wenn wir so weitermachen, werden wir nicht überleben.“ Die Wahrheit ist bestenfalls unklar. Die Chancen stehen 50:50. Es könnte schrecklich problematisch werden, oder eben nur ein bisschen. Unser Anteil am Gewinn ist äußerst klein. Dafür tragen wir als Minenarbeiter das volle Risiko. Was tun, wenn die Ressourcen der Erde erschöpft sein sollen? Gehen wir auf Nummer sicher oder reizen wir es aus?
Nach meinen Erkenntnissen tragen wir mit unserem Verhalten entscheidend zur Ökobilanz unserer Erde bei. Wir leben in einer Zeit, in der jeder einzelne Euro bei jedem Einkauf ein Zeichen setzt. Jeder ausgegebene und auch nicht ausgegebene (!) Euro entscheidet mit. Wir können uns nicht aus der Verantwortung stehlen – und sollten sowohl aus gesundheitlicher als auch ökologischer Perspektive unseren Konsum tierischer Produkte zumindest deutlich reduzieren – um ein Zeichen zu setzen gegen Massentierhaltung und Umweltverschmutzung.
Im letzten Teil der Serie zu „Ernährung & Klimawandel“ gebe ich mein Fazit zu dem Selbstversuch, sich vegan zu ernähren.