Traumabindung ist eine Bindungsform, die von wiederholtem Missbrauch gekennzeichnet ist und durch Belohnungen und Bestrafungen verstärkt und aufrechterhalten wird.
Traumabindung: Missbrauch versus Liebe
Viele Betroffene wissen gar nicht, dass die Art ihrer Bindung in der Partnerschaft eine Traumabindung und keine „normale Liebe“ ist. Insbesondere wenn sich die Bindungen in ihrer Kindheit schon manipulativ und missbräuchlich gestaltet haben, kennen sie es nicht anders. Im Erwachsenenalter gilt es, sich dahingehend zu hinterfragen und destruktive Bindungen aufzubrechen. Folgende Aspekte zeichnen eine Traumabindung im Unterschied zur Liebe aus.
1. Intensiver Anfang, statt sorgsames Kennenlernen
Bei einer abhängigen Bindung entstehen am Anfang schnell intensive Gefühle, welche die Bedürfnisse nach Nähe, Geborgenheit und Anerkennung tilgen oder aber auch eine innere Leere füllen sollen. Sowohl eine starke Anziehung, als auch eine schnelle emotionale Abhängigkeit beschreibt das Bindungsmuster. Es können zeitnah Gedanken entstehen wie:
- „Ich kann ohne die andere Person nicht mehr leben.“
- „Er/Sie ist mein ein und alles.“
- „Ohne sie/ihn bin ich nicht glücklich. Ich muss sie/ihn jeden Tag sehen.“
Natürlich ist ein solches Muster schwer zu unterscheiden von einer anfänglichen stürmischen Leidenschaft und Verliebtheit. Es wird nicht umsonst von einem Hormoncocktail gesprochen, der das Wesen und den Geist verliebter Menschen gehörig durcheinander wirbelt. Und es ist auch nicht umsonst so, dass eine Verliebtheit nur begrenzt andauert, weil der Organismus diesem intensiven Erleben gar nicht standhalten könnte beziehungsweise das Funktionieren im Alltag durch versonnene Träumereien und die intensiv miteinander verbrachte Zeit mitunter beeinträchtigt ist.
Doch der Unterschied zwischen Liebe und einer Traumabindung besteht darin, dass es bei einer Traumabindung häufig zu der „Forderung“ einer Person kommt, die andere möge für sie verfügbar sein, beziehungsweise einer Kränkung, sollte dies nicht so sein. Die andere Person interpretiert diese Forderung oft als Ausdruck von Zuneigung und trägt die Bereitschaft in sich, sich selbst und das eigene Leben mehr hintanzustellen. Sie ist stark auf den dominanteren Part orientiert.
2. Nicht wachsend, sondern nachlassend
Im Vergleich zu einer sich entwickelnden Liebe hebt sich die Traumabindung deutlich ab. Während bei einer Liebe zwei Menschen stetig zusammenwachsen und nach und nach tiefe Gefühle füreinander entwickeln, tritt bei einer Traumabindung die Funktionalität mehr in den Vordergrund. Es geht um das Erfüllen der Bedürfnisse des dominanten Parts, andernfalls drohen Trennung, Liebesentzug oder Streitereien.
3. Wertschätzendes Miteinander vs. Gefühlschaos
Im Rahmen einer gesunden Liebe kann man sich auf die Zuneigung seines Gegenübers verlassen. Man wird geliebt, gerade weil man so ist, wie man ist. Die Unabhängigkeit beider beteiligter Menschen bleibt gewahrt. Man wird nicht ständig kritisiert, abgewertet, bloßgestellt oder beschuldigt, so wie es bei einer Traumabindung der Fall ist.
Bei einer missbräuchlichen beziehungsweise traumatischen Bindung wechseln sich intensive Gefühle von Zuwendung und Belohnung mit Entzug und Abstrafung ab. Durch die intermittierende Verstärkung, also durch den Wechsel von Belohnung und Bestrafung, wird die emotionale Konditionierung auf den missbrauchenden Beziehungspart noch verstärkt.
Würde sich das Beisammensein immer nur negativ gestalten, fiele das Loslassen leichter. Aber es gibt eben auch schöne Momente der Zweisamkeit, die intensive Nähe und Sicherheit schenken. Viele Betroffene von einer Traumabindung glauben, diese durch ihr Verhalten beeinflussen zu können. Der Irrglaube entsteht auch dadurch, weil es ihnen von dem missbrauchenden Part so suggeriert wird. Ihnen wird eingeredet, sie hätten Schuld an den Streits oder den Missstimmungen der manipulierenden Person. Folglich glauben die Betroffenen, sie hätten einen Einfluss darauf. Aber dem ist nicht so. Das erkennen viele Betroffene im Rückblick. Die innere Anspannung, innere Konflikte und Missstimmungen sind in dem dominanten Part verankert und treten in regelmäßigen Abständen auf. Es geht immer um den Abbau von Frustrationen und nie um das Verhalten einer anderen Person.
4. Sicherheit versus Anspannung
Liebe bietet Sicherheit. Man hat das Gefühl, alles sagen zu können, fühlt sich vollkommen frei und durch den anderen Beziehungspart emotional unterstützt. Bei einer Traumabindung spüren die Betreffenden oft eine Anspannung in sich. Man spürt keine leichtfüßige Liebe, vielmehr ist es ein Mix aus Verlustangst und dem extremen Wunsch nach Geborgenheit, der mit Liebe verwechselt wird.
Manchmal fühlen Betroffene von einer Traumabindung auch tief in sich drinnen, dass sie die andere Person nicht wirklich lieben. Aber sie glauben, ohne die andere Person nicht leben zu können, weil sie selbst nicht an sich glauben.
Eine Liebe wirkt stärkend und nicht schwächend. Die Sicherheit beflügelt die individuelle Weiterentwicklung. Eine missbräuchliche Bindung ängstigt, verunsichert, wühlt auf. Sie sorgt für Stagnation, indem eine Person um die Forderungen und Dominanzen der anderen kreist.
Eine Liebe hat einen weitestgehend kontinuierlichen Werdegang, wohingegen eine Traumabindung einer emotionalen Achterbahnfahrt gleicht. Es kommt zu emotionalen Auf und Abs sowie On- und Off-Phasen, die durch einen Wechsel von Nähe und Distanz charakterisiert sind.
5. Emotionale Erpressung statt konstruktiver Konfliktlösung
In einer Beziehung, die von emotionalem Missbrauch gezeichnet ist, nimmt eine Person nicht nur im Alltag, sondern auch bei Konflikten deutlich mehr Raum ein. Sie ist erzürnt und reagiert ignorierend oder aufbrausend, wenn ihr dieser Raum nicht gegeben wird beziehungsweise die andere Person es wagt, eine andere Meinung zu haben. Zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse genauso wie zur Durchsetzung ihres Willens und Rechthabens setzt die dominante Person emotionale Erpressung, Gaslighting und weitere Manipulationstaktiken ein. Sie übt emotionalen Druck aus, damit ihr Gegenüber einknickt und klein beigibt.
Konflikte werden nicht ruhig besprochen und konstruktiv gelöst, indem ein Kompromiss für beide Beteiligte gefunden wird, so wie es bei einer gesunden Liebe der Fall wäre. Vielmehr erreichen die Konflikte rasch ein destruktives und herabsetzendes Niveau. Anstatt weiter das Thema zu besprechen, zeigen sich persönliche und beleidigende Aussagen.
6. Angst vor negativen Konsequenzen
In einer gesunden Beziehung bestehen keine Repressalien oder Ängste. Man trennt sich, wenn die Gefühle nachlassen oder man sich in unterschiedlicher Weise entwickelt.
Charakteristisch für eine Traumabindung ist dagegen, sich nicht frei entscheiden zu können. Das passiert zum einen aufgrund der eigenen Gefühle, zum anderen aber auch wegen des unvorhersehbaren Verhaltens des Gegenübers.
Obwohl die Leidtragenden einer Traumabindung großen Schmerz erfahren, haben sie nicht die Kraft, gehen zu können. Das Löslösen aus einer solch missbräuchlichen Partnerschaft ist auch mit einer persönlichen Entwicklung verbunden. Der vermutlich seit der Kindheit bestehende geschwächte Selbstwert ist durch die Beziehung noch mehr untergraben worden. Es bestehen große Existenzängste, Verlustängste und Gefühle des Minderwerts und Unvermögens. Weil Betroffene all diese negativen Gefühle und Unsicherheiten in sich tragen, neigen sie manchmal zum Verdrängen und Schönreden des unschönen Verhaltens vom Gegenüber.
Hinzu kommt oft noch die Angst vor der Impulsivität beim anderen Menschen. Neigt er zu Drohungen oder unvorhersehbarem Verhalten, gab es vielleicht schon in der Partnerschaft körperliche Übergriffe, besteht die Angst vor einer Eskalation bei einer Trennung. Bei einer solchen Lage gibt es eigentlich nur den Ausweg, unter Einhaltung größtmöglicher Sicherheitsvorkehrungen zu gehen, um die eigene Unversehrtheit und die der Kinder zu gewährleisten.
Missbrauch in Beziehungen: Tipps zum Loslösen
Um sich aus einer Traumabindung zu befreien, ist, wie eben erwähnt, die größtmögliche Sicherheit einzuhalten, um körperliche Übergriffe zu vermeiden. Außerdem müssen Betroffene erst einmal erkennen, dass es sich um eine missbräuchliche Beziehung handelt. Es geht zudem um den sukzessiven Aufbau des Selbstwertes, indem man einen inneren (und auch äußeren) Abstand zum manipulierenden Gegenüber einnimmt und sich aus der emotionalen Abhängigkeit befreit. Was der andere Mensch ständig an Negativem über einen sagt, entspricht weder der Realität, noch hat es irgendetwas mit einem selbst zu tun. Ferner sind das Einhalten von Grenzen und soziale Unterstützung wichtige Eckpfeiler, um sich aus einer missbräuchlichen Beziehung zu lösen.
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