Idole, Vorbilder und Helden kommen in unserem Leben ganz natürlich vor. Wenn wir die Familie noch als den gesellschaftlichen Normalfall ansehen dürfen, dann kommt es dann und wann ihn ihr noch zur Ausbildung ödipaler Konstellationen, in denen den Eltern und insbesondere dem Vater, eine überragende Bedeutung für das Kind zukommt. Die Eltern sind die ersten Helden im Leben eines Kindes, die bereit sind diese Helden gegen alle anderen zu verteidigen. „Mein Papa kann …“, können die stolzen Kinder erzählen und aus verschiedenen Gründen ist die von Paaren gewählte Konstellation heute noch immer tendenziell so, dass der Vater eher das Zeug hat, zum Helden zu avancieren, während die Mutter fürsorglicher ist. Beides hat jeweils Vor- und Nachteile.
Kinder nehmen diese Angebote, wenn sie sie bekommen, dankend an und zu einem Teil resultiert die Überlegenheit der Eltern aus Größe und Kraft, das andere ist der Erfahrungsvorsprung. Kinder, die mit dem Feuerzeug herumspielen, obwohl sie nicht sollen, wissen noch nicht, dass man das was die angekokelt haben riechen kann und so können die Eltern in vielen Fällen scheinbar hellsehen, über Superkräfte verfügen sie ohnehin und die können auch die Schokolade besorgen, mit ihnen geht man an spannende Orte.
Die Stars der Teeniezeit
Die späte Kinder- und frühe Teeniezeit ist oft eine Zeit der blinden Verehrung, die aber von den Eltern abgelöst und auf die Welt ausgedehnt wird, auf die Peergroup, aber eben auch auf Stars, die zu Menschen werden, die eine ungeheure Bedeutung für die Kinder und Teenies bekommen. Sie werden zu Vorbildern oder Idolen, irgendwann einmal, will man auch so sein. In der Kinderzeit, wenn die Eltern noch unangefochten sind, entwickeln Kinder ebenfalls schon Träume von dem, was sie später mal werden wollen. Das ist nicht zwingend mit einzelnen Personen verbunden, sondern ist eher eine Mischung aus verschiedenen Typen, die man aus Märchen oder dem Kinderprogramm kennt. Zauberer, Clown, Prinzessin, Lokführer, Tierärztin, Astronaut, oft steht dabei das im Vordergrund, was diese Menschen und Wesen den ganzen Tag über machen können: Zum Mond fliegen, mit Tieren spielen, sich tolle Klamotten anziehen, spannende Orte aufsuchen.
Doch dann sind es auf einmal konkretere Menschen, die im Vordergrund stehen. Die Lieblingsband, der Serienheld, die YouTuberin. Genau so will man sein und die Verehrung wird ein Stück weit auf andere Menschen ausgedehnt. Man will nicht irgendein Star sein, sondern so wie der, der eben verehrt wird. Man ist in aller Regel sogar recht intolerant und puristisch unterwegs, es gibt eine Lieblingsband (und aus der hat man einen Helden), andere Bands sind Mist. Es kann nur einen geben. Eine Idealisierung, die durchaus gut ist. Doch es sind nicht allein Menschen, die verehrt werden und wenn, dann vielleicht am wenigsten deswegen, weil sie Menschen sind, sondern eher wie eine Art Wesen aus anderen Welten wirken. Sie zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie das, was die Normalität so ausmacht – die immer ähnliche Routine, die Kinder inzwischen durch ihren Schulalltag auch zur Genüge kennen – durchbrechen können.
Superhelden, virtuelle, phantasierte und reale Welten
Kinder und Teenager mixen im Grunde ihre Vorbilder ziemlich hemmungslos aus allen möglichen Welten zusammen. Da treffen echte Menschen aus Serien, Sport, Showbiz und Vlogs auf Märchenfiguren, Monster, Superheldencomics, animierte Figuren und Avatare. Auch hier oft als Gegenbilder zur alltäglichen Welt und zur Erprobungen möglicher, zukünftiger Realitäten. Mit Zauber- oder Superkräften, ganz viel Zeit und Geld ausgestattet, kann man die Probleme des Alltags im Handumdrehen lösen, braucht sich nicht durch immer wieder neue unliebsame Übungen zu kämpfen. Ein Gegenentwurf, der über die alltägliche Welt hinausweist, sich ihr aber auch verweigern kann. Manchmal gewinnt die Welt der Online-Games übergroße Bedeutung, in der man ein begabter Spieler ist, der der analogen Welt, bekommt man hingegen immer weniger positives Feedback. Verständlich, dass man den Weg geht, auf dem man gut ist und Anerkennung findet, zur Not eben in der Gaming-Community.
Interessant dabei ist, dass gerade die vermeintlich irrealen Elemente alles andere als irreal sind. Das Selbsterleben und Probieren ist immer nur ein Teil des der Lebenswirklichkeit, ein wichtiger, denn wir sind Wesen mit Hirn, Herz und Hand. Aber vieles übernimmt man auch, von der Generation davor, ein unschätzbarer Vorteil, denn man muss das Rad nicht jedes mal neu erfinden und auch nicht auf Veränderungem im Genpool warten. Wir hören einfach zu oder lesen nach, im Buch, bei wiki oder wir schauen ein YouTube-Tutorial. Aber auch Fernsehsendungen, Spielfilme, Online-Spiele, Serien und Comics bleiben hängen.
Die Superhelden sind immer noch in unseren Phantasien, sind Teil unserer inneren Welten oder wir fühlen uns wie der Held oder die Märchenprinzessin aus dem Kinofilm, etwas, was man manchmal merkt, wenn man den Kinosaal wieder verlassen hat und zurück in die „echte Welt“ kommt. Da reiht sich der Lieblingsfilm, den man 30 mal gesehen hat, dann ein, in die inneren Repräsentanten realer Figuren. Wir versuchen auch durchaus unsere Vorbilder und Helden im Alltag zu imitieren, etwa, ihre Art zu Gehen, zu Blicken oder zu Sprechen, so dass ein wenig Glanz von ihnen auch auf uns fällt. Schon der Kontakt zum angebeteten Star macht ja etwas mit uns, heute brechen Teenies in Tränen aus oder werden ohnmächtig, wenn sie ihre YouTuber live erleben oder sogar anfassen können, wie einst Boy Groups oder Elvis. Jungs wollen so cool wie manche Rapper sein und es ist immer noch fast wie die Übertragung einer Zauberkraft, wenn man seinen Helden in dem Alter begegnet. Ein Stückchen Himmel oder Anderswelt auf Erden. Sogar für viele erwachsene Menschen wäre es ein Ziel ihrer Träume, einmal ihrem Star begegnen können, den sie schon seit Jahren oder Jahrzehnten verehren.
Ideale
Dass das, was diese Vorbilder und Helden repräsentieren aus einer erwachsenen Sicht oft unrealistisch ist, ist nicht weiter schlimm, denn die Ideale, die diese Menschen und Wesen repräsentieren, werden ja generell nie so ganz erreicht. Ideale sind dazu da, dass man sie verfehlt, sie sind die ewigen Sterne am Himmel, denen man nahe kommen kann, die aber immer etwas entfernt bleiben müssen, damit man sich nach ihnen ausrichten kann.
Ideale sind allerdings nicht vom Himmel gefallen. Nach der Idee des Anthropologen Michael Tomasello ergeben sie sich aus der Notwendigkeit des alltäglichen Miteinanders, zur Zeit der Urmenschen etwa bei den Nahrungssuche. Geschickt zu sein, war gut, wenn man zusammen jagen ging, aber nicht ausreichend, wenn man die Beute nicht geteilt hat, zu aggressiv oder feige war. So entstanden erste Anforderungsprofile oder Idealbilder, die den hilfreichen und nützlichen Anderen charakterisierten, aber das war es nicht allein. Aus der gemeinsame Aktivität, bei der man sich immer mehr kennenlernte, wuchsen weitere Ideale, etwa ein Empfinden, für den anderen auch dann da zu sein, wenn dieser nicht mehr oder zur Zeit nicht nützlich sein konnte. Ein treuer Freund oder dankbar zu sein war etwas, was unabhängig von der Verwandtschaft war.
Es waren bestimmte Rollen, in die potentiell jeder schlüpfen konnte und sie differenzierten sich weiter aus. Man brauchte nicht nur Jäger und Sammler, sondern auch Wächter, Schmanen und Medizinmänner, die letzteren lebten davon, dass sie einen Kontakt zu anderen Welt hielten und in besonderer Weise über diesen Kontakt verfügten. Keine Hokus Pokus Welt, die Ahnen Verstorbener können durchaus in Träumen erschienen sein, vielleicht auch jener, die in einem Kampf bei der Jagd gestorben sind. In dieser Lebenswirklichkeit war alles lebendig. Bis heute ist das nicht verstanden, bis heute wissen wir nicht viel über diese inneren oder höheren Welten, ihren ontologischen Status, aber es ist denkbar, dass die Ideale, die uns heute Orientierung geben, ihre Karriere ganz irdisch begannen und erst im Laufe der Zeit, bildlich gesprochen, in den Himmel aufgestiegen sind. Dort stehen sie als reife Empfindungen der Reue oder des Verzeihens, sind prinziell für alle da, aber nicht jedem zugänglich.
Idole
Im Idol kommen einige Ideale, die uns ansprechen zusammen. So wollen wir sein, so wären wir gerne, irgendwas an unseren Vorbildern macht uns an. Als Kind, wenn man mit anderen spielt, schlüpfen wir ganz unbefangen in diverse Rollen, sind abwechselnd Vater, Mutter und Kind oder Cowboy und Indianer, sicher schon mit ersten Präferenzen. Am späteren Idol interessiert uns weniger die reine Rolle – als imaginierter Indianer kann man in den Archetypus schlüpfen, man muss nicht zwingend ein bestimmter Indianer sein – beim Idol interessiert uns dann tatsächlich genau dieser Mensch, der freilich oft eine bestimmte Rolle spielt, die wir attraktiv finden und uns für unser Leben auch vorstellen könnten. Einmal so cool, so witzig, so schlagfertig, die erfolgreich, sexy oder was auch immer sein, wie unser Idol. Letztlich ist auch das, was wir an unseren Idolen mögen, eine Projektion. Das heißt, etwas uns Unbewusstes, was irgendwie schon in uns ist, zum dem wir eine innere Affinität haben, die sich in unserer Bewunderung ausdrückt. Wir sind bereit uns mit dieser Seite des Unbewussten auseinander zu setzen, anders als bei jenen Projektionen, die wir in den Schatten drängen, mit denen wir ebenfalls glauben nichts zu tun zu haben, aber anders als bei den Idealisierungen auch nichts zu tun haben wollen.
Sie können im Laufe der Zeit wechseln, oft lebt ein Idol in einem aber ein Leben lang weiter. Die Aufgabe ist, ähnlich wie bei Idealen – Idole verkörpern einige davon – die Trennung, den Abstand zwischen dem Idol uns uns schrumpfen zu lassen. Eine Ideal mag weit weg sein und bleiben, ein Idol manchmal auch, aber wir können es auch erreichen. Wo das gelingt bleibt nicht selten ein schaler Beigeschmack zurück. Unsere Idole, Vorbilder und Helden sind nicht selten an die Stelle der Eltern getreten. Wenn die Eltern schwach waren und nicht zum Vorbild taugten, mussten selbst gewählte Idole ihre Rolle übernehmen, aber auch bei starken Eltern lösen Idole die Eltern ein Stück weit ab. Sein Idol zu erreichen, sie nicht mehr zu brauchen ist daher immer auch ein schmerzhaftes Gefühl, ein wenig wie der metaphorische Mord des Vaters beim Ödipuskomplex. Dem Vater muss man die Macht nehmen, man muss sich freistrampeln, damit man nicht neurotisch gehemmt bleibt. Vorbilder hat man sich, anders als die Eltern, wenn auch ein wenig schicksalhaft, selbst ausgesucht. Verlieren sie ihre Vorbildfunktion, weil man sie erreicht hat oder die Interessen oder Ideale andere geworden sind, ist der Abschied nicht selten schmerzhaft, etwas von ihnen, von ihrer Bedeutung für unser Leben, stirkt. Auf der anderen Seite leben sie, wenn man die wirklich erreichte, in transformierter Form einem weiter. So werden Ideen aufgenommen und tradiert, über den Tod lebendig gehalten, das Feuer brennt weiter.
Idole, Vorbilder und Helden sind oft nahe Menschen
Gar nicht so selten sind es tatsächlich nahe Menschen, die verehrt werden, so zumindest meine nicht repräsentative Erfahrung aus Erzählungen von Menschen, die häufiger mal ein Elternteil oder auch einen Lehrer als ihr Vorbild sahen. Feuer ist dabei ein gutes Stichwort, denn oft sind es Menschen, die ihr Leben mit einer gewissen Leidenschaft leben, die in der Lage sind, andere mitzureißen. Der Lehrer der Spaß an seinem Fach hat und dem man das anmerkt, kann auf didaktische Tricks nahezu verzichten.
Ein Ansatz, der in Therapien erfolgreich eingesetzt wird, ist, wenn man nicht mehr weiter weiß, sich so zu verhalten, wie das eigene Idol sich verhalten würde. Das spielt sich zwar nur innen ab, aber es wirkt und der größere Teil dessen, wie wir leben ist ohnehin rein innerlich, allerdings weder erfunden, noch wirkungslos. Wer zum eigenen Vorbild wird und warum man dann auf einmal eine Schauspielerin, einen Denker, Sportler, eine Vloggerin., seinen Lehrer oder eine Modeschöpferin zum Vorbild hat, ist ja nicht so genau auszumachen. Klar, man interessiert sich für das Themengebiet, aber warum es plötzlich bei dem einen Menschen klick macht, kann man nicht so genau sagen. Idole begleiten einen viele Jahre durchs Leben, man geht eine innere Beziehung mit ihnen ein, wenngleich sie in der Regel einseitig ist und man in vielen Fällen seinen Helden nie trifft. Sie bringen Freude und Begeisterung ins Leben, schrullige Menschen, deren Leben sie in sehr großen Teilen einem Idol widmen, wissen immerhin wofür sie Morgens aufstehen, das kann nicht jeder von sich sagen. Vor allem geben Idole, Vorbilder und Helden unserem Leben eine gewisse Orientierung, unser Vorbild zeigt uns einen Weg, eine Art, wie man mit dem Leben umgehen kann.
Wenn wir unsere Idole erreicht haben und sie in uns aufgehen, dann ist auch das ein rein innerliches Ereignis, aber man spürt genau, dass es eingetreten ist und er verändert das Leben noch einmal. Man kann nun selbst zu jemandem werden, der das Feuer weiter gibt.