Narzisstische Schwester oder narzisstischer Bruder können die Folgen einer selektiven Erziehung seitens der Eltern sein. Wird ein Kind immer wieder hervorgehoben und das andere in dessen Schatten gestellt, kann sich aus der ungleichen Behandlung beim vorgezogenen Kind zum Beispiel Narzissmus entwickeln.
Narzisstische Schwester/Bruder: Anzeichen
Eine narzisstische Schwester oder ein narzisstischer Bruder kann sich anhand folgender Merkmale zeigen:
- fühlt sich besser als andere
- betreibt Herabsetzung, Gaslighting, Manipulation
- starke Selbstwerterhöhung und ein übertriebenes Selbstbild
- will oft schon als Kind Führungsrolle übernehmen, alles bestimmen
- spielt teilweise die Eltern und andere Geschwister gegeneinander aus
- manipuliert andere zum eigenen Vorteil
Ungleichbehandlung der Kinder

Statt füreinander da zu sein, macht ein Geschwisterkind das andere herunter und wertet es ab. © C. Artam under cc
Narzissmus kann aufgrund eines übermäßigen Hofierens und ständigen Zuspruchs zustande kommen. (Natürlich ist elterlicher Zuspruch gut für einen gesunden Selbstwert des Kindes, aber er sollte in einem bestimmten Rahmen sein.) Vielleicht unterteilten die Eltern die Kinder unbewusst oder bewusst in gute und schlechte Kinder. Das Kind, welches stets oder übermäßig bevorzugt und hofiert wurde, könnte dann narzisstische Charaktertendenzen entwickeln.
Narzissmus kann aber auch unter anderem dadurch entstehen, wenn die Bezugspersonen in der Kindheit zu wenig Liebe und Anerkennung gegeben haben. Das Kind war in den Augen der Eltern oder eines Elternteils nie gut genug und wurde abgewertet. Oft sind bei einem Elternteil ebenfalls narzisstische Züge vorhanden. Allgemein entwickelt sich Narzissmus aus mehreren Faktoren, also genetischer Veranlagung und Umweltbedingungen.
Beispielsweise möchte das Kind dem narzisstischen Elternteil gefallen und imitiert es. Vielleicht wertet es seine Geschwister ebenso ab und manipuliert sie, genauso wie der narzisstische Elternteil (narzisstische Mutter/ narzisstischer Vater) mit dem anderen Elternteil umgeht. Narzisstische Eltern möchten Kinder zu kleinen Kopien von sich erziehen. Es ist ein Wechselspiel aus genetischer Veranlagung, Temperament und Charaktereigenschaften plus den innerfamiliären und systemischen Bedingungen, die dann zu einem ebensolchen narzisstischen Verhalten führen können.
Mögliche Ursachen für narzisstische Geschwister
Nachfolgend haben wir mögliche Ursachen, die mit einer Ungleichbehandlung der Kinder in der Familie einhergehen und eine narzisstische Schwester/einen narzisstischen Bruder hervorbringen können, zusammengefasst:
Häufiges Nachgeben
Eventuell war das narzisstische Geschwisterkind schon als Kind sehr dominant und schwierig. Es forderte viel, war laut und konfliktreich. Im Prinzip wollte es mit seinem Verhalten vielleicht auch bloß auf die Missstimmung im familiären System aufmerksam machen. Sind die Eltern nun emotional überfordert, haben viel mit sich zu tun und achten nicht viel auf eine gerechte Erziehung, kann es dazu kommen, dass das narzisstische Geschwisterkind häufiger seinen Willen bekommt. Sie geben ihm nach, weil es andernfalls zu viel Stress geben würde.
Das andere Geschwisterkind, welches ruhiger und »unkomplizierter« ist, soll dann eher zurückstecken. Es ist sozusagen der »Weg des geringsten Widerstandes«.
Manipulatives Verhalten vorgelebt

Geschwister können ein Leben bereichern oder dafür sorgen, dass man sich schlecht fühlt.
© TE3JMAN under cc
Wie bereits angedeutet hat die narzisstische Schwester/der narzisstische Bruder vielleicht ein Rollenmodell in einem narzisstischen Elternteil. Dieses wertet ab, belügt, manipuliert, dominiert die anderen mit seinem Verhalten. Das Kind erlebt nun, dass der narzisstische Elternteil die Macht hat. Unbewusst wählt es diesen Weg. Geschwister gehören zu unseren ersten Bezugsmenschen, an denen wir soziale Verhaltensweisen erproben. Kinder, die dominierende Verhaltensweisen entfalten, werden dies unter anderem im Umgang mit ihren Geschwistern versuchen.
Es kann zudem sein, dass die Kinder in die Beziehungskonflikte der Eltern mit hineingezogen werden. Sie stehen zwischen den Stühlen und erleben wie der nicht-narzisstische Elternteil leidet oder vielleicht sogar seine Frustrationen an den Kindern auslässt. Auch dadurch können Verhaltensweisen bei den Kindern entstehen, bei denen sie lieber jemand sein wollen, der die Zügel in der Hand hat, als sich jemals wieder ausgeliefert zu fühlen. Es kommt ihrerseits zu einem manipulativen Verhalten gegenüber vermeintlich Schwächeren, sie nutzen aus, fangen an zu lügen, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Vielleicht wird das andere Geschwisterkind vorgeschickt, um etwas zu erfragen, und kassiert die Verärgerung seitens der Eltern, während das manipulierende Kind unbehelligt bleibt. Solche »manipulativen Erfolge« legen dann den Grundstein für späteres narzisstisches Verhalten.
Konflikte werden nicht ausgetragen
Sind die Eltern sowieso schon emotional überlastet oder wollen sie, dass die Fassade einer perfekten Familie aufrechterhalten wird, dann wünschen sie keinen Streit unter den Geschwistern (obwohl sie selbst vielleicht viel streiten). Durch dieses Verbieten des Streites kann es zu einem weiteren Ungleichgewicht zwischen den Geschwistern kommen. Beispielsweise stichelt die Schwester oder der Bruder und das betroffene Geschwisterkind wehrt sich dann. Es schimpft oder beklagt sich bei den Eltern. Doch die wünschen Ruhe und keinen Streit. Dem betroffenen Geschwisterkind wird daraufhin der Mund verboten. Als Sieger vom Platze geht das Kind, welches anfangs gestichelt hat.
Diese Verhaltensweisen dürften Betroffenen bekannt vorkommen, die mit narzisstischen Personen zu tun haben. Sie sticheln solange, bis man selbst verärgert reagiert. Am Ende wird seitens der stichelnden Person so getan, als habe sie gar nichts gemacht und sei völlig unschuldig.
Der Ursprung für dieses unreife Verhalten liegt wohl in der Kindheit. Zwischen den Geschwistern führt es bei den Betroffenen zu einer unterdrückten Wut. Sie lernen, dass sie kein Gehör finden und »sowieso nichts dagegen machen können«.
Tyrannei und Konkurrenzkampf
Mit einer narzisstischen Schwester/einem narzisstischen Bruder besteht Rivalität, Konkurrenz und es wird Tyrannei ausgeübt. Schutz und gegenseitiges Einstehen füreinander sucht man vergebens. Dieses destruktive Miteinander zieht sich bis ins Erwachsenenalter.
Aussagen seitens der Eltern wie: »Du bist die Klügste von deinen Geschwistern«, oder: »Du bist unser kleiner Prinz«, können zu einem übertriebenen Selbstbild führen. Auch wenn die später narzisstische Schwester/der narzisstische Bruder früher mit angehört hat, wie ein Elternteil zu dem anderen Geschwisterkind sagte: »Warum kannst du nicht so sein wie deine Schwester/dein Bruder?«, führen zu einem überhöhten Selbstbild und der Entwertung des anderen Geschwisterkindes. Ein Kind ist der Prinz oder die Prinzessin, das andere das schwarze Schaf. Die Rollenverteilung steht fest. Und nicht nur das: Die Kinder beobachten, dass es offenbar erlaubt sei, das andere Geschwisterkind herabzusetzen, zu beleidigen und zu entwerten.
Viele Kinder, die später zu narzisstischen Erwachsenen werden, glauben schon in der Kindheit, dass sie vieles besser wüssten und etwas Besonderes seien. Das andere Geschwisterkind entwickelt in dem Zusammenhang nicht selten Minderwertigkeitskomplexe und hat das Gefühl, nicht zu genügen.

Eine narzisstische Schwester bzw. ein narzisstischer Bruder möchten stets im Mittelpunkt stehen. © genki_2b4b under cc
Kommt noch hinzu, dass das sonst bevorzugte Geschwisterkind hin und wieder negativ bewertet wird, sobald es nicht funktioniert, wie die Eltern es wollen, spricht das einem späteren narzisstischen Verhalten zu. Seitens des Menschen mit der narzisstischen Charaktertendenz wird der labile Selbstwert aktiv gefestigt, indem andere Personen abgewertet werden und man sich dadurch wieder besser fühlen kann.
Sollten andere Geschwister mal mehr im Mittelpunkt stehen oder Zuspruch bekommen, zeigt sich bei dem sonst bevorzugten Kind mit der späteren narzisstischen Charakterausprägung Neid. Es wird viel dafür tun, wieder in den Mittelpunkt zu kommen. Sei es durch Hervortun der eigenen Person oder das Verraten/Verpetzen des anderen Geschwisterkindes.
Funktionalisierte Empathie
Kinder, die später zu narzisstischen Erwachsenen werden, entwickeln oft schon im Kindesalter ein Gespür dafür, was andere besonders verletzt. Ein solches Verhalten kann daraus resultieren, dass sie selbst feine Antennen entwickelt haben, weil sie selbst so häufig von erwachsenen Bezugspersonen verletzt wurden.
Geschwister werden bloßgestellt und destabilisiert. Weinen diese dann, wird ihnen vorgeworfen, zu sensibel zu sein. Auch das dürfte Personen, die mit narzisstischen Menschen ihre Erfahrungen gemacht haben, bekannt vorkommen. Diese funktionalisierte Empathie zeigt sich ebenfalls bei narzisstischen Personen im Erwachsenenalter und ist zudem noch perfektioniert worden.
Narzisstische Schwester/Geschwister im Erwachsenenalter
Im Erwachsenenalter erfolgt häufiger der Kontaktabbruch oder nur seltenes Sehen bei Familienfeiern. Eine narzisstische Schwester oder ein narzisstischer Bruder haben ihr Verhalten nicht geändert, sondern es sogar noch verfestigt. Egal, wie sehr sich die anderen Geschwister anstrengen, sie bleiben häufig in der Familie in der für sie vorgesehenen Rolle verankert. Zum Beispiel als das »Problemkind« oder das Kind, was mehr für die Aufmerksamkeit der Eltern tun muss. Geschwisterkinder narzisstischer Personen werden mitunter übermäßig hilfsbereit, aufopferungsvoll und haben gelernt, ihre eigenen Bedürfnisse auszublenden. Nicht selten geraten sie später auch in Partnerschaften mit narzisstischen Personen, da ihnen dieses ungesunde Miteinander vertraut vorkommt. Oder sie fügen sich in die Rolle des schwarzen Schafes und nehmen schlimmstenfalls einen problematischen Lebensweg.
Geschwister sind nur solange Verbündete, wie es der narzisstischen Schwester/dem narzisstischen Bruder nutzt. Brechen die anderen Geschwister aus dem Gefüge aus, fallen diese schnell in Ungnade bei einer narzisstischen Person.
Wer eine narzisstische Schwester oder einen narzisstischen Bruder hat, der sollte nach Möglichkeit einen guten Abstand dazu einnehmen und sich allgemein aus toxischen Beziehungsgefügen lösen. Das Verpflichtungsgefühl sowie etwaige Schuldgefühle können abgelegt werden. Es gilt, Grenzen zu setzen und für sich selbst Sorge zu tragen. Gesunde soziale Kontakte werden zumeist über befreundete Personen gefunden.
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