
Hat Krankheit einen Sinn? © lookcatalog under cc
Die Frage, ob Krankheit einen Wert hat, ist eine etwas andere, als die nach dem Sinn von Krankheit. Aber hat Krankheit überhaupt einen Sinn?
Diese Frage ist nicht zu beantworten und dennoch ist es nicht unerheblich, wie man diese Frage beantwortet.
Wer der Meinung ist, Krankheit sei ein zufälliges Geschehen, was zwar Ursachen hat, aber dass es einen Sinn von Krankheit nicht gibt, lebt und erlebt anders, als derjenige der glaubt, dass Krankheit nicht zufällig ist und ihm etwas sagen will. Mischformen sind denkbar.
Sinn muss der Mensch stiften. Selbst wenn wir unterstellen, dass es ihn nicht an sich, sondern nur für uns, gibt, so ändert diese Zuschreibung doch unser Weltbild. Wir sehen uns dann eingebunden in ein Sinngefüge und folgerichtig will man diesen Sinn auch erfahren, das Geschehen deuten. Die Ansicht, dass wir Sinn erst nachträglich zuschreiben und unsere Lebensgeschichte fortwährend uminterpretieren mag stimmen, zeigt aber unser Bedürfnis nach einer sinnvollen Erzählung. Wir deuten es als Anzeichen einer Depression, wenn jemandem alles sinnlos erscheint.
Und wenn es diesen Sinn gar nicht gibt? Mit der Stiftung ist der Sinn ja bereits in der Welt. Man kann sich höchstens fragen, ob man auf Sinnzuschreibungen auch verzichten könnte, wie es die Existentialisten tun.
Dabei gibt es verschiedene angrenzende Bereiche. Die Evolutionsbiologie fragt nach dem Nutzen von Krankheit, man kann einen sozialen Wert der Krankheit finden, sowie den persönlichen Profit im Krankheitsgewinn.
Die Glaubensfrage nach dem Sinn von Krankheit
Es ist eine Glaubensfrage, ob man einen Sinn von Krankheit annimmt – aber auch, ob man ihn verwirft. Weltgeschehen könnte ein regelmäßiges Geschehen sein, gemäß dem, was die Natur gebietet, oder ein sinnganzes. Doch die Entscheidung hat Tragweite: Sieht man Krankheit primär als Störung der Normalität, so ist das erste Bestreben, den Normalzustand wieder herzustellen. Erlebt man sie als Hinweis oder Symbol, sieht man sich in einen Wachstumsprozess gestellt.
Aus der Psychosomatik wissen wir, dass Psyche und Körper nicht getrennt sind. Das heißt, körperliche Veränderungen beeinflussen auch die Psyche, psychische das Körpergeschen. Es bedeutet weiter, dass der Körper psychische Spannungen ausdrückt, manchmal bemerken wir diese, oft nicht. Der Körper wird dann zum höchstpersönlichen Hinweisgeber, dafür, dass etwas im psychosomatischen Gefüge nicht stimmt.
Welche Krankheiten sind psychosomatisch?
Woran erkenne ich denn, ob eine Krankheit mir etwas sagen will? Sie tut es immer dann, wenn man sich auf diesen Prozess einlässt. Eine körperliche Ursache und einen Sinn von Krankheit zu unterstellen, schließt sich nicht aus. Wenn alle um mich herum Grippe haben, ist das eine Erklärung für meine, aber man wird nicht immer krank, wenn andere Grippe haben. Hier könnte man genauer hinschauen.
Was passierte gerade parallel in meinem Leben, als ich diese Symptome bekam, wäre die alternative Frage. Wozu zwingen mich meine Symptome und woran hindern sie mich? Allein damit kommt man schon recht weit. Wie weit man den Bogen spannen möchte, ist eine Geschmacksfrage und eine pragmatische. Lohnt die psychosomatische Motivforschung oder reicht es einfach ein paar Tage zu warten? Ist ein Beinbruch oder Unfall noch psychosomatisch?
Je chronischer und bedrohlicher die Krankheit, umso mehr lohnt der Ansatz, wenn wir ein Bedürfnis verspüren, die Sinnfrage zu stellen. Die Art und Weise der Betrachtung hat selbst schon einen Effekt, weil eine Deutung ja bereits ein konkreter Umgang mit Welt ist. Auch der semantische und deutende Umgang mit Welt ist konkret, man muss nicht erst ein Loch graben.
Woher weiß ich, dass die Deutung stimmt?
Es ist ein wenig wie mit psychologischen Deutungen allgemein. Sie bieten eine alternative Sicht an, von der ich zum einen dann profitiere, wenn die Geschichte runder, verständlicher wird, darüber hinaus, wenn ich alternative Wege finde das Gedeutete im Leben umzusetzen. Man kann sich professionelle Hilfe oder Bücher holen, aber letztlich ist jeder selbst der Gradmesser. Gut ist dabei zum einen die psychische Entspannung, verschwinden darüber hinaus die Symptome oder findet man eine neuen Umgang mit ihnen, ist das ein weiteres Indiz.
Eine gefährliche Verlockung liegt darin, auf halbem Wege umzudrehen. Die Deutungen zur Bestätigung des eigenen Denkens zu instrumentalisieren und an der Stelle zu kneifen, wo sich Herausforderungen ergeben. Das banalisiert einen an sich sinnvollen Ansatz und nimmt ihm die heilende Kraft, ein Sinn von Krankheit wird so auch subjektiv nicht erkennbar.