Die Psyche repariert sich in einem hohem Ausmaß selbst

Biedermeier Wohnung Gemälde

Der Vervollkommnung des Inneren und Privaten ist das, was im Biedermeier zählte. © the lost gallery under cc

Da wir aber nicht in einer perfekten Welt leben und dies auch bislang niemals der Fall war, kann bei der Entwicklung immer mal etwas schief gehen. Psychopathologie bedeutet in vielen Fällen, dass im Zuge einer normalen, lehrbuchartigen Vorstellung von Entwicklung etwas schief gegangen ist. In vielen Fällen wächst sich das aus oder man kann seine Pathologien sogar konstruktiv nutzen[wert], manchmal kann das Leben dafür sorgen, dass sich die Psyche durch die oben genannten Komponenten Partnerschaft, Beruf oder Sinnfindung stabilisiert und die verwandelnde Kraft der Liebe kann dafür sorgen, dass man tiefe Traumatisierungen der Kindheit überwindet, indem man man im Wiederholungszwang etwas – oft wider alle Vernunft – reinszeniert, bis man es annehmen kann, dass es wirklich eine andere Möglichkeit gibt. Dann ist die Veränderung des Weltbildes im Erwachsenleben möglich.

Doch auch wenn man in einer Vielzahl von Begegnungen erlebt, dass andere die Welt anders sehen und dies als Möglichkeit für sein eigenes Leben annehmen kann, kann die Psyche daran gesunden. Hier kommt dann die Stelle an der Faktoren, wie die eingangs genannten eine Rolle spielen. Es ist ein gewisser Vorteil, wenn man sich an die Rhythmen eines natürlichen Lebens hält, weil der Mensch eben nun mal auch ein Wesen ist, dass aus der Natur kommt. Bewegung, Ernährung, ausreichender Schlaf und manche Feinjustierungen sind sicher gut und sinnnvoll, aber eben nur statistisch gesehen und wir alle kennen Menschen, die sich an das alles wenig gehalten haben und dennoch ein glückliches und erfülltes Leben führen. Die Psyche braucht vor allem auch ihre Auszeiten zum Träumen, denn in diesen Zeiten wird viel verarbeitet und organisiert, netterweise mal wieder ganz von selbst.

So wie unser Körper über ein Immunsystem verfügt, so hat auch die Psyche eines und das sondert Ideen, die uns nicht bekommen aus und lässt jene zu, die wir verarbeiten können, in der Überzahl der Fälle. Was wirklich zählt brauchen wir in diesem Fall gar nicht selbst zu entscheiden.

Die Psyche meint es gut mit uns

Die Psyche ist nicht unser Feind, sondern meint es gut mit uns. Hinter einigen verschrobenen Angewohnheiten steckt die oft unbewusste und auf den ersten Blick auch wenig verständliche Idee, dass es uns im Rahmen der Möglichkeiten gut gehen soll. Das ist nicht in allen Fällen sozial ganz weit vorne, aber die Psyche denkt zunächst einmal an sich, wenn wir mal den Selbstwiderspruch der Aussage, dass wir ja selbst Psychen sind, großzügig übergehen. (Der löst sich dann auf, wenn man anerkennt, dass die Psyche bewusste und unbewusste Anteile hat.) Wenn ein sehr merkwürdiges Weltbild dazu führt, dass man durch sein Leben kommt und sich die Welt so am besten erklären kann, so ist das aus Sicht der (unbewussten Anteile der) Psyche in Ordnung. Ihr geht es immer um dem optimalen Kompromiss zwischen dem, was wir als Außenwelt erleben und als Innenwelt verarbeiten.

Wenn das alles nicht ausreicht, steht eine breite Palette an therapeutischen Maßnahmen zur Verfügung, die ebenfalls das Ziel haben, dass wir besser durch unser Leben kommen. Wo die Version von Welt, die uns unsere eigene Psyche ermöglicht, nicht ausreicht, kann Psychotherapie uns helfen, eine andere Version unseres Lebens einzuüben. Entweder wir lernen einige Handlungen besser zu unterlassen und andere auszuführen oder wir bekommen gleich ein alternatives Angebot unserer Lebensgeschichte, die zumeist einige Komponenten mehr enthält, als unsere eigene Version des Lebens.

Menschen, die mit ihrem privaten Mythos gut durchs Leben kommen, lässt man in Ruhe, schon allein, weil sie auch keinerlei Neigung verspüren zum Psychotherapeuten zu gehen, wer jedoch intensiv leidet und im wahrsten Sinne des Wortes die Welt nicht mehr versteht oder ein Großteil der Menschen, die in ihr leben, der kann diese Angebote wahrnehmen. Oft wirkt die Therapie zusammen mit den oben genannten Komponenten Beziehung, Arbeit, Sinn und Reflexion, so dass Therapie dazu anregen kann, gerade auf diesen Gebieten weiter zu kommen.

Auch wenn etwas gewaltig schief gelaufen ist, in der Kindheit kann Therapie helfen, dass man die früheren Erlebnisse zumindest besser verarbeiten kann und zum Glück ist des heute möglich Ereignisse therapeutisch zu erreichen, von denen man nie gedacht hätte, dass das möglich wäre. Es gibt noch immer schmerzliche Grenzen, aber wir haben keinen Grund die Erfolge kleinzureden. In vielen Fällen ist es möglich, etwas im besten Sinne des Wortes hinter sich zu lassen, das heißt etwas wird mit therapeutischer Hilfe angeschaut und kann dann abgehakt werden.

Biedermeier und Buddhismus

Wenn alle etwas verwirrt sind und den Eindruck kann man zuweilen manchmal haben, ist eine Zeit des Rückzugs für die Psyche keine schlechte Option. Bei Wikipedia finden wir:

„Mit dem Begriff Biedermeier ist in erster Linie auch eine bürgerliche Kultur gemeint, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand. Das Bürgertum kultivierte das Privat- und Familienleben in ganz neuem Ausmaß. Nicht die Repräsentation stand im Vordergrund, sondern das häusliche Glück in den eigenen vier Wänden, die zum Rückzugsort wurden. Bürgerliche Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit, Treue, Pflichtgefühl, Bescheidenheit wurden zu allgemeinen Prinzipien erhoben. Die Biedermeier-Wohnstube war die Urform des heutigen Wohnzimmers, und wahrscheinlich wurde damals der Ausdruck Gemütlichkeit eingeführt. Die Geselligkeit wurde in kleinem Rahmen gepflegt, beim Kaffeekränzchen, am Stammtisch, bei der Hausmusik, aber auch in den Wiener Kaffeehäusern. Beliebteste Zeitung war die Wiener allgemeine Theaterzeitung von Adolf Bäuerle.“[1]

Die Beschreibung geht hier weiter. Zu dem dort beschriebenen Patriarchat wollen sicher nicht alle zurück, als eine Gegengewicht gegen das Väter- und Männerbild, wäre es vielleicht nicht schlecht, sicher nicht vollständig indiskutabel. Der Text klingt insgesamt betulich. Andererseits ist es genau das, was sich viele wünschen. Ein bisschen Rückkehr zu einer wenigstens privaten Form von Normalität. Auch historisch entstand die Biedermeier als Reaktion auf die Zeitumstände und eine Flucht ins Private.

Damit das nicht zu mitleidlos geschieht, ist die Hinwendung zum Buddhismus die ergänzende Idee, um die Psyche auftanken zu lassen. Auch hier ist eher die Idee gemeint, die Mitgefühl und Achtsamkeit betont, aber ebenfalls von Projektionen und großem Getöse abrückt. Das was nicht wenige als äußeres Chaos erleben, ist häufig einem Mangel an innerer Struktur geschuldet. Der Zusammenhang zwischen Innen und Außen, Psyche und Welt ist stärker, als wir denken. Sich Inseln des Glücks zu schaffen und zu kultivieren, ist keineswegs ein Kopf in den Sand stecken, sondern das Umsetzen der Idee, dass das Leben auch Spaß machen darf. Man kann selbst etwas dafür tun, man hat das Recht dazu und man ollte es auch. Es mag das Vorrecht der Glücklichen sein, ein unverbesserlicher Optimist zu sein, aber eine Richtung erkennen wir alle in Kahnemans kurzer Passage:

„Optimismus ist normal, aber einige glückliche Menschen sind optimistischer als wir Übrigen. Wenn Sie genetisch mit einer optimistischeren Einstellung ausgestattet wurden, braucht man Ihnen kaum zu sagen, dass Sie Sich glücklich schätzen können – Sie fühlen Sich bereits vom Glück begünstigt. Eine optimistische Einstellung ist größtenteils erblich bedingt, und sie ist Teil einer allgemeinen Disposition zum Wohlbefinden, die auch die Tendenz umfassen mag, bei allem die positive Seite zu sehen. Wenn Sie für Ihr Kind einen Wunsch frei hätten, sollte Sie ernsthaft in Betracht ziehen, ihm Optimismus zu wünschen. Optimisten sind normalerweise fröhlich und zufrieden und daher beliebt; sie kommen mit Fehlschlägen und Notlagen zurecht, sie haben ein geringeres Risiko an einer klinischen Depression zu erkranken, ihr Immunsystem ist stärker, sie achten besser auf ihre Gesundheit, sie fühlen sich gesünder als andere und sie haben tatsächlich eine höhere Lebenserwartung.“[2]

Wir sind innerliche Wesen und unsere Innerlichkeit hat konkrete Auswirkungen auch auf das, was man spontan als äußerliche Faktoren bewerten würde. Halten wir uns daher nicht zu lange mit der vermeintlichen Optimierung kleinster Kleinigkeiten auf und schrauben wir nicht zu sehr an Details. Wer die Big Points kennt, weiß, was wirklich zählt und das berücksichtigt, kommt weiter.

Quellen