Endlich ist die Welt so, wie ich sie mir immer gewünscht habe

Mike Mozart mit pinker Packung

An der Grenze von Werbung und Leben. So süß kann’s gehen, oder: Heute schon ironisch gebrochen? © Mike Mozart under cc

Man kann sich in diesem Lebensgefühl durchaus gefallen und gerade, wenn man jung ist hat man das Gefühl „Yeah, wir sind’s!“ und das kann schön und erhebend sein und über etliche Jahre tragen. Ob das nur eine Masche oder Marke ist, kann einem in dem Moment egal sein, wo man dieses Lebensgefühl ganz in sich aufgesogen hat und authentisch lebt. Das ist ironiefrei gemeint und auch völlig in Ordnung.

Ziel einer guten Psychotherapie ist es, den Menschen zu sich und seinen Bedürfnissen zu führen und die können durchaus mit dem, was die Werbung anzubieten hat konform gehen. Wenn das noch gut vermarktet wird – und das wird es – hat man nicht das Gefühl ferngesteuert zu sein, sondern mitten drin, im Leben. Und es ist gut, wenn Menschen das Gefühl haben, im Leben angekommen zu sein, statistisch ist es ganz einfach so, dass die Mehrheit der Menschen im Mainstream (Hauptstrom) ankommen wird, denn der ist dadurch definiert, dass er die Mehrheit ist.

Selbst wenn man in einigen Bereichen von diesem Mainstream abweicht und sich nicht mit ihm identifizieren möchte, ist es bei der Vielzahl der Menschen so, dass sie in anderen Bereichen auch im Mainstream verwurzelt sind, oft aber eine Abneigung dagegen haben, weil Mainstream, Masse und Durchschnitt negativ besetzte Begriffe sind.

Weiterhin muss man sagen, dass es ein Übergriff ist, wenn man versucht, Menschen, die dort mit dem größeren Teil ihres gesamten Soseins verwurzelt sind, aus dieser Verwurzelung zu „befreien“. Das kann für einen Teil richtig sein, ein anderer Teil wird dadurch eher überfordert und verunsichert.

Ich komm‘ da nicht mehr raus

Denn da nicht mehr raus zu kommen, ist das Empfinden des anderen Teils einer großen, aber in sich gespaltenen Mehrheit. Sie suchen ihr Glück auf demselben Weg, finden es aber nicht. Und damit sind nicht jene gemeint, denen es nicht gelingt die stillen Vorgaben zu erfüllen, sondern diejenigen, denen das sehr wohl gelingt, deren Glücksgefühle oder mindestens satte Zufriedenheit sich aber irgendwie nicht einstellen will. Im Grunde wissen sie, wie es geht, optimieren und nachbessern. Aus Fehlern lernen, weiter, weiter, immer weiter, nicht die Zuversicht verlieren.

Doch für eine vermutete Minderheit der großen Mitte wird diese Selbstsuggestion irgendwann schal und das ist gut so. Zweifel kommen auf, an der gesamten Linie. Die Zweifel sind berechtigt, weil genau so eine Immunisierung gegen Kritik funktioniert. Zu deutsch bedeutet das: Wenn du mit dem eingeschlagenen Weg keinen Erfolg hast, liegt es an dir. Du hast dich halt nicht genug angestrengt und die Lösung lautet: mehr optimieren, weiterer Feinschliff, alles aus sich herausholen.

Doch es gibt Menschen, die das richtig gut machen und deren Zweifel dennoch immer mehr wachsen: Ist das mein Leben? Da muss es mehr geben, das kann nicht alles sein. Ist es auch nicht. Es ist der Geburtsschmerz, mit dem das reflexive Ich allmählich erwacht. Wir sind hier an einer spannenden Stelle an der man zeigen kann, wie Entwicklung weiter geht oder warum sie ins Stocken gerät. Ein Grund ist, dass die Sichtweise oder Entwicklungsstufe, über die wir hier reden äußerst häufig ist. Die meisten Menschen bewegen sich in und um diesen Bereich und die Augen, aus denen man blickt, sieht man nicht.

Das unbewohnte Haus, oder: Der Unterschied zwischen Nachdenken und Reflexion

Was das Ich ist, ist nicht so leicht zu sagen, weil es das „Ich“, als ein festes, die Zeiten überdauerndes Etwas nicht gibt. Das Ich wechselt ständig seinen Charakter und wird dabei im besten Fall immer umfassender und komplexer. Relativ früh beginnt das Ich über seine Welt nachzudenken. Darüber, wie das alles funktioniert. Im besten Fall, ist es ein neugieriges Ich, das alles aufsaugt und mit Lust lernt und über das Gelernte nachdenkt, in Beziehung setzt. Und das ist jede Menge: Nicht nur das, was man in der Schule ganz klassisch und oft mit Mühe lernt, sondern auch all das, was man so nebenher mitnimmt. Wie man sich im Internet bewegt, der eigene Körper funktioniert, ebenso die Familie, Freunde und Haustiere, dass Erwachsene anders sind als Kinder und so vieles mehr, was man an impliziten oder expliziten Regeln lernt.

Zwei Dinge werden in den jungen und so lernintensiven Jahren zumeist ausgespart, nämlich das Nachdenken über sich selbst und die eigene Sicht auf die Welt. Man könnte auf den ersten Blick meinen, weil sie die selbstverständlichsten Aspekte der Welt seien, wen oder was kennt man schließlich besser als sich selbst und die eigene Sicht aufs Leben?

Ja, sollte man meinen. Tatsächlich aber, ist es anders. Schon Freud stellte fest, dass das Unbewusste nicht nur jenen Bereich meint, der irgendwie in früher Kindheit liegt und vergessen oder verdrängt wurde, sondern merkwürdiger Weise auch jenen, aus dem heraus man gerade agiert. Das heißt, ich funktioniere, agiere, denke, fühle und lebe gerade auf eine bestimmte Art und Weise, weiß aber eigentlich nicht wie und warum.

Ich weiß vielleicht, was ich will und wie ich an mein Ziel komme, alleine oder mit der Hilfe anderer, kann sehr intelligent und geschickt sein, sogar wissen, wie ich andere dazu kriegen kann, mich und meine Ziele zu unterstützen und noch jede Menge mehr, doch es kann gut sein, dass ich bei all dem nicht weiß, wieso ich das eigentlich will. Man kann zentnerweise Wissen angehäuft haben und sehr intelligent sein und doch diese beiden Dinge nicht sehen: Wie und warum ich eigentlich bin, wie ich bin und wie und warum ich die Welt so sehe, wie ich sie sehe.

Das nicht sehen zu können, ist keine Dummheit. Man sitzt sozusagen die ganze Zeit am Fenster eines Hauses, betrachtet die Umgebung, sieht viel, in dieser Umgebung, nur dass man selbst in einem Haus sitzt und aus dem Fenster schaut, das sieht man nicht. Genau so, wie man das eigene Gesicht nicht sieht, wenn man nicht den Umweg über das Außen nimmt. Man braucht einen Spiegel oder muss das Haus verlassen. Auf der physischen Ebene ist das recht leicht, auf der psychischen weitaus schwieriger, weil es nicht reicht, mal eben hinzuschauen. Streng genommen ist es auf der physischen Ebene auch nicht so leicht, denn wenn wir in einen Spiegel schauen, besteht der wesentliche Schritt darin, zu begreifen, dass das was wir da sehen, wir selbst sind und nicht ein anderer. Manche Tiere und kleine Kinder schaffen diesen Bewusstseinsschritt noch nicht, für uns ist er ein Klacks und wir denken darüber nicht mal mehr nach.

Geistige Reflexion ist schon sprachlich verwandt mit dem Spiegelvorgang und leitet die Gedanken immer wieder auf den Denkenden zurück, versucht ihn, der da aus dem Fenster in die Landschaft oder in den Spiegel schaut, zu erkennen. Wie bin ich eigentlich? Warum bin ich so und nicht anders? Hätte mein Leben auch anders verlaufen können oder kann ich ihm eine andere Richtung geben? Zweifel daran, dass das alles so weitergehen muss wie bisher keimen auf. Wir vertiefen das.