Ozeanwellen

Am Anfang der Meditation sind die inneren Eindrücke oft roh und wild. © Tony Hisgett under cc

Psychotherapie und Meditation bilden ein ideales Paar, wenn man weiß, wie man sie richtig einsetzt. Dieses Wissen ist bei uns nur begrenzt vorhanden, weshalb man die Meditation oft nicht richtig einzusetzen weiß, ihr zu viel, zu wenig oder falsches zumutet. „Reflexion als philosophische oder psychotherapeutische Übung in Ehren, beide sind großartig und zu ihrer Zeit wichtig, aber sie sind beide keine Meditation.“ So hieß es in der ersten Folge.

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Psychotherapie und Meditation. Meditation will keine Krankheiten heilen, auch keine psychischen. Allerdings kann Meditation bei vielen Erkrankungen sehr hilfreich sein, natürlich auch bei psychischen. Meditation hat, wenn überhaupt, die Absicht unser größtes Leiden zu heilen, das Leiden selbst. Durch Einsicht in die Entstehungsbedingungen des Leids. Das allerdings ist das ganz große Rad.

Heilung durch Meditation

Meditation bewegt unterschiedliche Schwungräder. Sind die Zipperlein des Anfangs überwunden – die schmerzenden Knochen und Verspannungen durch die ungewohnte Sitzhaltung, die anfängliche Nervosität, weil das Agieren unterdrückt wird – dann wirkt Meditation sehr schnell entspannend. Diese Wirkung ist zigfach nachgewiesen und Menschen, die meditieren, zeigen alle Signale und messbaren Parameter der Entstressung. Das ist schön und gut zu gebrauchen, aber noch sehr oberflächlich.

Auf einer anderen Ebene, die tiefer geht, verändert sich die Psyche nachhaltiger. Nun weiß man, dass die Knochen nicht mehr schmerzen, man sich wunderbar entspannen kann und gleichzeitig verändern sich auch die Erlebnisse während der Meditation. Man kommt weiter, man beruhigt sich schneller, Routine stellt sich ein, auch hier. Das was am Anfang störte, die kleinsten Ablenkungen, spielen schon sehr bald keine Rolle mehr.

Überhaupt zeigt sich in der Meditation eine eigenartige Bedeutung von wichtig und unwichtig. In der ersten Zeit der Meditation spielt man gewöhnlich seinen unmittelbaren Alltag durch. Oft auch in den ersten Minuten, wenn man ein fortgeschrittener Meditierender ist. Erlebte Begegnungen mit anderen, was noch zu erledigen ist, doch das ändert sich, der Alltag ist schneller durch, ein Raum für Anderes und frühere Zeiten entsteht.

In Teilen der Psychotherapie versucht man Ursachen für heutige Probleme anhand früherer prägnanter und belastender Erfahrungen der Vergangenheit festzumachen. Die verraten sich oft dadurch, dass ein Thema in den Erzählungen eines Menschen immer und immer wieder auftaucht und besonders emotional besetzt ist. Es hat etwas mit diesem Menschen zu tun, es beschäftigt ihn, hat eine Bedeutung für ihn. Man versucht an diesem Thema zurück zu gehen und nach weiteren Ereignissen mit ähnlichem Inhalt zu suchen, zum Beispiel Erfahrungen von Neid oder Einsamkeit. In einer der Meditation gar nicht unähnlichen Technik, der freien Assoziation, erzählt man in einer Psychoanalyse, was einem so in den Sinn kommt und der Psychotherapeut hofft, dabei auf ein prägnantes Ereignis zu stoßen.

Doch in der Meditation ist das anders. Auch hier ist es so, dass vergangene Ereignisse hochkommen. Eine Frau, die bei einem mehrtägigen Zen-Kurs mitmachte, bei dem zudem noch geschwiegen und gefastet wurde, berichtete, dass sie dieses mal gar nichts von dem Kurs gehabt hätte, da sie ihre gesamte Scheidung noch mal durchgespielt hätte. Aber das war gut, damit war sie mit dem Thema (ein Stück mehr) durch. Doch oft ist es so, dass man bestimmte Ereignisse bereits verarbeitet hat und nun ganz andere Splitter der Vergangenheit auftauchen, solche, die nicht nur auf den ersten, sondern auch auf den zweiten Blick keine große Bedeutung für das Leben hatten. Sie sind nun einfach da, zudem in aller Klarheit. Etwa so, wie wenn man einen alten Freund aus Kindertagen trifft, der einen erinnert: „Weißt Du noch, wie wir damals … ?“ Man wusste es nicht mehr, auch wenn man es nicht verdrängt hatte, aber jetzt, durch den Anstoß, ist auf einmal alles wieder da. Immer wieder passiert das und in der Meditation, dort, wo sie nur Meditation sein soll, hat man nichts weiter zu tun, als all das entspannt und gleichmütig anzuschauen, statt dem nachzugehen. Es kommt, verweilt ein wenig und geht dann auch wieder, mit den nächsten Atemzügen.

Doch man kann es in der Meditation kaum verhindern, auch eigenen psychischen Mustern auf die Spur zu kommen. Oft haben sich im Alltag bestimmte Verhaltensweisen etabliert, die man gewöhnlich an der Umwelt, oft an den Mitmenschen fest macht. Immer wenn man die Nachbarin oder den Arbeitskollegen sieht, ist man verärgert und angespannt. Es ist jedoch sonderbar, wenn das auch in einem Umfeld mit sehr wenigen äußerlichen Reizen geschieht, in der weder Nachbarin noch Arbeitskollegen anwesend sind. Man ist gewohnt, nach einem Grund für den Ärger im Außen zu suchen. Findet man den nicht, da die Umgebung äußerst stark strukturiert ist, sucht man sich zunächst oft einen Ersatzgrund. Vielleicht war der Tee zu heiß oder zu bitter, aber irgendwann kann einem auffallen, dass man manchmal den Ärger selbst empfindet, wie gewohnt, nur ohne einen triftigen Grund dafür.

Hier einzuhaken und nachzudenken, wie das sein kann und was es bedeutet, wäre bereits ein Akt der Therapie. Meditiert man einfach weiter, soll man zu einer fundamentalen Erkenntnis gelangen, dass nämlich alles was entsteht auch wieder vergeht. In letzter Hinsicht ist auch das Therapie. Es soll die Anhaftung therapiert werden, in dem Sinne, dass man in ihr die Wurzel aller Übel erkennt. Aber das tatsächlich zu erkennen und daraus die Konsequenzen zu ziehen, ist herausfordernd. Einerseits ist es der ganz große Bogen, vielleicht der fundamentale bezogen auf unser Leid, gleichzeitig ist diese Einsicht jedem, in jedem Moment, unmittelbar zugänglich. Das ist Heilung auf der denkbar größten Ebene, auf die wir später noch einmal zurückkommen.