
Amor, das Kind von Kampf und Liebe, mit seinem sagenumwobenen Pfeil der Liebe. gemeinfrei, Julius Kronberg bei Wikimedia under cc
Ein ganz kurzer historischer Abriss
Werfen wir einen Blick in die Geschichte, so können wir, wie eingangs erwähnt, davon ausgehen, dass es schon immer ein ungeheuer starkes Motiv für die Partnerwahl war, sich zu verlieben. Aber bei weitem nicht das einzige und sehr oft nicht einmal das wichtigste. Es ist eine historisch sehr neue Errungenschaft aus Liebe zu heiraten. Früher wurden die Ehen gestiftet, von den Vätern, aus Vernunftgründen. Zum Beispiel, weil das geschäftliche Vorteile bot oder standesgemäß war. Ob die von den Eltern Auserwählten sich überhaupt mochten, spielte keine Rolle und es wurde erwartet, dass man sich in diese fügte.
Zudem galt für Frauen, dass sie männliche Versorger brauchen, schon weil sie per Gesetz nicht geschäftsfähig waren. Das sicherte die eheliche Treue, sein Ticket war, auch versorgen zu können, ihres, Jungfrau und treu zu sein. Ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, suchten vor allem höhere Angestellte nach Frauen, die bereit waren, ihr eigenes Geld zu verdienen und auf Kinder verzichten.[1] Ab da ergab sich dann überhaupt erst die Möglichkeit, dass, was man als Modell romantischer Liebe bezeichnen würde, zu leben.
In Kirchenblättchen älterer Tage fand ich letztmalig den Hinweis, dass die Beziehung aus Verliebtheit doch eher unklug wäre, die kluge Stiftung der Ehe, von den Eltern ausgewählt, hingegen etwas wäre, was langfristig von Erfolg gekrönt wäre. Denn die Liebe würde sich verlieren und im Gegenzug die einander fremden Partner zueinander finden, durch Gewöhnung. Was für ein tristes Modell. Seit 100 Jahren hat das romantische Modell der Liebe, eine realistische Chance in der Breite und da es Thema von Film, Literatur und dergleichen seit ewigen Zeiten ist, ist da offenbar eine tiefe Sehnsucht vorhanden. Die spült man gerade sehenden Auges durchs Klo.
Der Haken an der Sache
Männer wollen sich in Beziehungen mit was Hübschem schmücken, Frauen suchen den sozialen Aufstieg, so heißt es. Der Chefarzt hat sich früher noch für die Krankenschwester interessiert, heute bleibt man standesmäßig eher unter sich. Das macht die soziale Durchlässigkeit in Deutschland so gering, wie sie ist. Doch es ist nicht Aufgabe der Liebe ein sozialer Ventilator zu sein, wo die Liebe hinfällt oder wen Amors Pfeil trifft, den hat es eben erwischt. Sollte man meinen. Aber irgendwie scheint das nicht mehr so richtig zu funktionieren und oft wird den Algorithmen mehr vertraut. Oder sind wir einfach zu mäkelig geworden? Sich verlieben heißt immer auch den anderen zu idealisieren. Und idealisieren heißt nicht über vermeintliche Fehler hinwegzusehen, sondern diese als Fehler gar nicht wahrzunehmen, sondern vielmehr als liebenswerte Eigenart.
Wenn es schlecht läuft, ist es das was man später hasst. Wenn ihre attraktive Lebensfreude irgendwann nur noch das dumme Gegacker ist oder seine Weltgewandtheit pure Aufschneiderei, ist nicht mehr viel zu retten, aber irgendwann hat man sich in diesen Menschen ja mal verliebt. Was ist da schief gelaufen? Beim sich verlieben ist liebt man so gut wie alles am anderen. Drei Jahre später ist der immer noch so, nun geht es aber darum den Alltag zu organisieren. Wenn es schlecht läuft, dann organisiert man den so, wie man es von früher kennt. Und da stört der andere dann die gewohnten Abläufe. Sich verlieben heißt auch ein Fenster zu öffnen, frischen Wind hineinzulassen und die Art und Weise des anderen wirklich in sich aufzunehmen und sich ein Stück weit inspirieren zu lassen. Dies oder das eine bisschen lockerer nehmen, oder ernster. Jeder hat da so sein Thema.
Aber es hat ja auch einen Grund, dass wir uns mal verliebt haben. Da war irgendeine Sehnsucht, die genau dieser andere Mensch bedient hat. Oft nicht, weil er genauso ist, wie ich, sondern weil er ziemlich anders ist. Das macht uns ja an: Huch, der traut sich was. Wow, diese Unbeschwertheit von ihr. Super, diese Tiefe. Nicht selten sind das Bereiche, die bei uns psychologisch im Schatten liegen. Damit wollen wir eigentlich nichts zu tun haben, aber dann kommt jemand und wedelt uns genau damit vor der Nase herum. Das reizt uns und macht uns neugierig auf den anderen.
Durch die flotte Vorselektion fällt das oft weg, der andere wird zum Weihnachtsgeschenk, mit für uns bequemen Eigenschaften, passend zu Inneneinrichtung und Katze. Das Leben ist ja schon hart genug, da will man wenigstens im Privaten einen Ausgleich und sich nicht auch hier noch umstellen müssen.
Sich nicht verlieben zu können ist ein Indikator vor allem für Narzissmus. Da es zu einem perfekten Leben aus Gründen des sozialen Status dazu gehören kann, einen Partner zu haben und Narzissten neidisch sind, wenn sie nicht haben, was andere haben, ist das ihr Motiv sich einen Partner zu suchen. Narzissten lieben ihr ideales Ich und suchen sich deshalb Menschen, die ebenfalls in das ideale Ich des Narzissten verliebt sind. Am liebsten möchten sie, dass der andere so ist, wie sie. Die gleichen Hobbys und Interessen, die gleiche Art sich der Welt zu präsentieren, man ist deshalb das ideale Paar weil da endlich jemand erkannt hat, wie großartig ich bin. Oft suchen Narzissten jemanden, den sich noch formen können, auf dass er oder sie dereinst so wird, wie sie selbst. Da ist es prima, wenn ich gleich zu Beginn jemandem begegne, der schon in der Vorselektion optimal zu mir passt.
Haben Sie den Haken an der Sache gesehen? Das Prinzip, was dafür sorgt, dass ich mich mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht verliebe, weil einfach alles nach meinen Wünschen zu gehen hat, ist genau das Prinzip, was heute als das Optimum der guten Partnerschaft angesehen wird. Meinen Wünschen weitestgehend entgegenkommen.
Was hält Paare zusammen?
Dabei ist es ja nicht selten im Leben so, dass Menschen kurioserweise zusammenfinden, die eigentlich so gar nicht zusammen passen. Das geht auch mal in die Hose, allerdings ist das bei den durchoptimierten Partnerschaften heute ebenfalls häufiger der Fall. Wenn‘s dann mal zum Streit kommt, gibt es gleich die Kündigung, so hatte man sich das eigentlich nicht vorgestellt und dann scannt man im Internet schon nach dem neuen perfekten Profil und gibt seine Wünsche noch präziser an.
Es ist nicht gut, wenn man sich nicht streitet. Es ist gut, wenn man nach dem Streit wieder zusammenfindet und man wirklich durch dick und dünn miteinander zu gehen bereit ist. Da hat sich einiges geändert in den letzten Jahren und durch das Auseinanderfallen von Sex und Liebe und den Möglichkeiten 10 Seitensprünge parallel und logistisch perfekt, durch das Internet zu leben, ist die Beziehungswelt im Begriff, sich weiter zu verändern.
Aber, wenn man nicht mehr funktioniert, wird man schnell unattraktiv, zur Belastung. Dann hat man eben nur noch 9 Affären parallel, was soll’s?: „Tut mir echt leid. Hab‘ grad viel zu tun. Meld‘ Dich, wenn’s Dir wieder besser geht. hdl“
Der eine unschlagbare Algorithmus für das Glück aller Paare, es gibt ihn nicht. Wenn man hört, was Paare zusammenhält, die lange und glücklich zusammen leben, dann hört man vor allem sehr unterschiedliche Geschichten. Die einen sagen, sie blieben immer zusammen und mal einen Tag ohne den anderen hätten sie versucht, das sei aber nichts gewesen. Andere leben das Prinzip ganz lange Leine und alles funktioniert bestens. Sie alle gehen ihren Weg, hören auf ihre innere Stimme und den Partner haben gelernt das zu tun, was einzig und allein ihnen gut tut. Eine gelungene Paarbeziehung ist immer auch eine Revolution zu zweit, weil das glückliche Paar seine eigenen Spielregeln finden wird und diese stehen immer ein Stück weit gegen die Gesellschaft. Das Paar braucht die Gesellschaft, die mit ihren konventionellen Normen einen Rahmen bildet, aus dem das Paar ausbrechen kann. Die Gesellschaft braucht das glückliche Paar, weil es symbolisiert, dass es möglich ist, aus dem Kokon gesellschaftlicher Klischees auszubrechen und im Privaten zu leben, wie man will. Wir dürfen annehmen, dass das vor allem Paaren gelingt, die ineinander verliebt waren oder es immer wieder mal sind.