braunes Gras unter Bäumen

Ein typisches Bild des Sommer 2018. Braunes Gras, soweit das Auge reicht. © Jeremy Segrott under cc

Die Führungsschwäche mit der Folge einer grassierenden Ungewissheit und Verunsicherung ist in Deutschland bereits seit Jahren Thema.

In einem fulminanten Video, hat der YouTuber Rezo, kurz vor der Europawahl, den etablierten Parteien und allen voran er CDU/CSU ein grausames politisches Versagen vorgeworfen, vor allem, aber nicht nur in der Klimapolitik. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und waren eher peinlich. Von einem Gegenvideo, was man dann doch lieber nicht ins Netz stellte, bis zur gewohnten Masche der Abwertung und einer Einladung zum Gespräch war alles vertreten. Diese Art der unausgesetzten Respektlosigkeit, mit der man Kritiker heutzutage als ahnungslos zu diskreditieren versucht, bemängelte Rezo allerdings auch.

Denn wie bei der Schülerbewegung Fridays for Future hört man dieselben Reaktionen, die „Kinder“ sollten doch lieber erst mal lernen gehen, damit sie auch wissen, wie die Welt funktioniert. Allerdings ist den Kindern, Jugendlichen und inzwischen auch eine immer größeren Zahl Erwachsener bis hin zu den Rentnern und Wissenschaftlern zur Seite geeilt und unterstützen die Bewegung. Das ist kein Alt gegen Jung und man sollte nicht darauf hereinfallen ein „Wir gegen die“ Thema daraus zu machen. Es ist auch keinesfalls so, dass die Schüler ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, das gilt in erster Linie für die im Video kritisierten Vertreter der Parteien, deren Inkompetenz, teilweise auf ihrem Fachgebiet, Rezo ebenfalls demonstriert.

Denn nicht etwa die Schüler sind ahnungslos, die Politik bekommt durchweg schlechte Noten, denn die Wissenschaft sagt durch die Bank, dass die jungen Leute wesentlich besser wissen, wovon sie reden, als jene Volksvertreter, bei denen man sich aussuchen kann, ob sie ahnungslos sind, oder wider besseres Wissen wichtige Schritte verweigern und man weiß nicht, was schlimmer ist. In Rezo wissenschaftlich überprüft checken Wissenschafts-Youtuberin Mai Thi Nguyen-Kim sowie Mediziner und Autor Eckart von Hirschhausen Rezos Aussagen und bestätigen sie.

Dreistes Lügen, Oberlehrerhaftigkeit, Inkompetenz und Aussitzen kommen nicht mehr an, das ist eigentlich erfreulich, aber wie soll es weiter gehen und wem sollen wir bloß vertrauen?

Politik

Die Politik kann so gut wie alle Inhalte haben, von den extremen Rändern, die in der Regel ein Lieblingsthema vertreten bis zu einer gemäßigten Mitte, die eine breite Vielzahl von Themen berücksichtigt und zum Ausgleich bringen soll. Themen, die uns, den Bürgern wichtig sind, denn die Politik ist dazu da dem Souverän Volk zu dienen, wir leben nicht mehr in einer Monarchie, in der die Menschen sich dem Willen eines Herrschers unterzuordnen hatte und auch in keiner Diktatur, wo das noch immer so ist, dass eine Führungsclique oder ein Autokrat etwas ‚gleicher‘ ist, als alle anderen.

Allerdings wurden in den letzten Jahren die Stimmen immer lauter, die den etablierten Parteien ein gewisse Ununterscheidbarkeit vorwarfen und dass sie nicht mehr den Interessen des Bürger dienten, sondern eher denen der Wirtschaft. In Das Ende der Demokratie? haben wir einige der Hintergründe dargestellt. Es heißt zuweilen, dass man keine echte Alternative hat, egal wen man von den etablierten Parteien wählt, am Ende tanzen sie nach der Pfeife der Mächtigen aus der Wirtschaft.

Das ist die Stunde linker und vor allem rechter Populisten, die vorgeben „das Volk“ oder „die Gesellschaft“ zu repräsentieren, aber de facto für eine lautstarke, wenn auch größer werdende Minderheit stehen, die vor allem gut vernetzt und organisiert ist. Man vertraut den offiziellen Quellen und hat sein alternativen Helden, die sich zumeist dadurch auszeichnen, dass sie noch mit einem Bein im sonst so gehassten Mainstream stehen oder standen.

Der Politiker, Reporter oder Journalist mit dem dem plötzlichen Sinneswandel in der Biographie, der nun verdammt, was er jahrelang vertreten hat und es daher besser zu wissen glaubt. Während die politische Linke jahrelang ein Abo auf Protest zu haben schien, aber nach Meinung der Wähler offensichtlich nichts erreichte, ist der Protest nun nach rechts gewandert. Galten Rechte jahrelang als dumme, gewaltbereite, grölende Biertrinker, so hat sich längst das Image gewandelt, man gibt sich freundlich, verstehend, modern, intelektuell und ist internetaffin.

Nach Jahren der Führungsschwäche hat die Rechte besser erkannt, als die Linke, dass irgendeine Idee zu haben, noch immer besser ankommt, als keine zu haben und etliche Wähler der Rechtspopulisten haben kein geschlossenes rechtes Weltbild, sondern das Gefühl, dass rechter Protest besser gehört wird als linker, so dass der Denkzettel noch immer ein Motiv ist.

Bei manchen geht die empfundene Führungsschwäche in den Wunsch nach einer harten Hand über, einem autoritären Politikstil, bei dem es schon als gut gilt, wenn irgendwas getan wird. Aber Aktionismus könnte zu wenig sein und während in den letzten Jahren das Thema Migration die Menschen besorgte, ist es nicht etwa so, dass hier völlige Entspannung stattgefunden hat, sondern es kommen weitere Themen ins Bewusstsein und werden dominanter.

Migration und Sicherheit vs. Klima und Umweltschutz

Dass die von der Bevölkerung als negativ empfundenen Aspekte der Migration nicht benannt werden dürfen, ohne in eine rechte Ecke gestellt zu werden, hat manche Menschen nachhaltig verärgert, doch die klassisch rechten Themen von Sicherheit und „Law and Order“ – das eben nicht einfach nur Recht und Ordnung heißt, sondern tendenziell in Richtung Überwachungsstaat geht, also eine verschärfte Version von Recht und Ordnung meint – werden nun aufgewogen von dem als immer brisanter empfundenen Thema Klima, das in das noch größere Thema Umweltschutz eingebettet ist, denn der Klimawandel ist nur eines von vielen Umweltthemen und seit dem Dürresommer 2018, an dem viele erlebten, wie braun das Gras war, wie ausgetrocknet die Flüsse und in dem in den Reichenghettos in den Staaten die Häuser brannten, ist das Gefühl präsent, dass das Thema keine Zukunftsthema von ein paar Ökospinnern ist.

Die Rechten haben das Problem, dass sie den Klimawandel aus ideologischen Gründen klein reden müssen (da dieser als linksgrünes Thema gilt) und aus ihrer Ideologieschiene nicht heraus kommen. Fast täglich wird die Brisanz des Klimathemas aber bewusster, das wird ein Problem der Rechten werden. Die Neue Rechte befördert zudem dem Typus der autoritären Persönlichkeit, die noch immer relevant ist und mit dem Prinzip Narzissmus ineinander fließt, was wir ausführlicher vorstellten. Auf Seiten der Linken könnte es zum Problem werden, dass auch das Migrationsthema keinesfalls erledigt ist und die damit zusammenhängenden Probleme ebenfalls nicht. Auch die Parteien am Rand des politischen Spektrums haben also gravierende Schwachstellen, ebenso, wie die etablierten Parteien der Mitte.

Die Wissenschaft als Lösung?

Die Wissenschaft gibt es nicht, denn die Wissenschaft spricht selten mit einer Stimme. Wenn sie es im Moment, im Bezug auf das Klima überwiegend tut, so ist das insofern ein gutes Zeichen, als immer mehr Wissenschaftler sich einmischen und zu Wort melden. Das war durchaus nicht immer so, die Wissenschaften haben keinesfalls zu allen Zeiten eine gute Figur gemacht und sich oft auch mit Diktatoren ins Bett gelegt. Wir wollen doch nur forschen, ist als Einstellung heute zu wenig und oft gefährlich naiv.

Noch in der nahen Gegenwart sind manche Wissenschaftler durch einen aggressiven Szientismus aufgefallen, in dem Wissenschaft den Rahmen ihres Fachbereichs deutlich verlässt und meint, weil man sich in seinem Fachbereich sehr gut auskennt, wisse man nun auch in allen anderen Bescheid. Gerne wird in diesen Zusammenhängen die Privatmeinung (die nicht selten schon in der eigenen Fakultät als Randmeinung gilt) zu „die Wissenschaft sagt“ aufgebauscht.

Aktuell jedoch ist es nicht die Wissenschaft, die ihren Fachbereich überschreitet, sondern es sind sehr oft Politiker, die Dinge behaupten, die weit außerhalb dessen liegen, was wissenschaftlicher Konsens ist. Im Gegensatz zu Politikern ist immer mehr Wissenschaftlern nicht nur die Bedeutung des Klimathemas klar, sondern auch der Zusammenhang mit weiteren relevanten Themen. Ungefähr 200 Millionen Klimaflüchtlinge wird es bis 2050 geben, darauf gilt es Antworten zu finden, die beste ist, den Lebensraum in anderen Ländern zu erhalten und dabei mithelfen, ihn so angenehm zu gestalten, dass Menschen, die ohnehin gerne in ihrer Heimat leben, dort auch bleiben können und Perspektiven haben.

Inmitten einer Führungsschwäche in der viele Menschen das Gefühl haben, die Politik richte sich zu sehr nach den Bedürfnissen der Wirtschaft, statt nach denen der Bürger, erscheint die Wissenschaft unabhängiger, aber erstens, ist auch dort die Wirtschaft sehr verbreitet und zweitens, gibt es auch hier Betriebsblindheit. Schon vor Jahren wurde vor Eingriffen in die Keimbahn gewarnt, da unser Wissen längst noch nicht groß genug ist. In der ersten Euphorie alles zu machen, was machbar scheint, könnte abermals zum Bumerang werden und der eine fliegt uns gerade noch um die Ohren.