Die German Lockerheit

Feiern können wir inzwischen auch. Bei der Fußball WM 2006 bekam die Welt ein anderes deutsches Gesicht zu sehen. Nicht die „German Angst“, sondern die Welt war zu Gast bei Freunden und erlebte Deutschland, einig Partyvolk, was nachhaltigen Eindruck hinterließ, einige der Einheimischen aber auch vorher schon wussten.

Nur Humor sollen wir keinen haben, aber stimmt das? Klamauk und Quatsch, Satire, Comedy und Kabarett gehören seit Jahren zur festen Unterhaltung der Deutschen. Eines mag jedoch typisch deutsch sein. Stärker als andere trennen wir in U und E. U für Unterhaltung, Leichtes, Seichtes und E für Ernstes, Wichtiges und Gewichtiges. Ist man in der Schublade des einen, kommt man selten wieder aus ihr heraus. Der Kabarettist und Comedian Tobias Mann greift das in seinem Programm auf und gehört zu denjenigen, die sich einer Schubladisierung verweigern. (Gut, das war jetzt auch eine Schublade.) Beides darf lustig sein: Comedy, das ist lustig, aber platt und Kabarett, das ist mit Anspruch und Niveau und das heißt oft politisch und gesellschaftskritisch. So will es die Schubladenfraktion.

Seit vielen Jahren gibt es schon Quatsch mit Niveau, der einfach von der Virtuosität und Genialität der Pointen lebt. Die heute weniger bekannten Insterburger, Otto Waalkes, das Team von RTL Samstag Nacht, um nur einige zu nennen, die uns über die Jahrzehnte begleiteten.

Immer nur das Beste

Ein Weinverkäufer erzählte mir von einem Mann, der in seinen Laden kam und in einer Mischung aus Entschlossenheit und Ahnungslosigkeit, das Ziel aber fest im Blick, nur eines wollte: „Geben sie mir den besten Wein.“ Man stelle sich vor jemand erstürmt mit diesem Anspruch einen Buchladen. Oscar Wilde wird ja der Ausspruch zugeschrieben: „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.“ Das ist natürlich irgendwie selbst schon wieder ein ironischer Bruch oder ein Missverständnis. Das Beste für wen, zu welchem Anlass? Sucht man den idealen Begleiter fürs Essen (und welches wäre das?) oder den Wein zum andachtsvollen Trinken vorm Kamin? Welchen Anspruch verbindet man selbst damit? Muss er besonders gut schmecken, also der beste Wein für mich sein? Oder ist mit dem besten Wein ganz einfach der teuerste gemeint? Wer traut sich schon ab 50 Euro aufwärts zuzugeben, dass das Zeug einem eigentlich nicht schmeckt? Und möchte schlimmstenfalls als Banause dastehen? Kennen wir doch alle, zumindest aus dem Film, das Gerede von treffend zugeordneter Rebe, plus Jahrgang, plus dem Detail Südhanglage. Das Wissen des Weltmannes mal eben im Vorbeigehen runtergespult, das wirkt sexy. Vielleicht muss man nicht das volle Programm liefern, wenn man dazugehören will, aber, so ein Stückchen Bescheidwisserei… Doch man muss auch mal nen Witz machen können. Natürlich ist der persönliche Geschmack eine Hausnummer und das sollte man nicht kleinreden. Selbst 10 Euro für etwas, was einem nicht schmeckt, sind im Grunde rausgeschmissenes Geld und die wenigsten von uns drucken das selbst.

Die Gleichung teuer = gut ist ohnehin fragwürdig, aber nicht jeder traut sich, sich zu seinem eigenen Geschmack zu bekennen und noch weniger nehmen die Mühe auf sich, ihren Geschmack zu entwickeln, obwohl das vielleicht der interessanteste Punkt der ganzen Geschichte ist.

Und dann kam Harald Schmidt

Harald Schmidt

Harald Schmidt kreierte einen neuen Stil. Trocken, facettenreich, langer Abgang. © Kandschwar under cc

Der Kabarettist wurde dem breiteren Publikum zunächst durch das Fernsehformat Schmidteinander (mit Herbert Feuerstein) bekannt, das neben Satire und Klamauk auch immer auch böse und scheinbar entwertende Elemente enthielt. In der Folge wurde Harald Schmidt Deutschlands einziger Late Night Talker der diesem Format erfolgreich jonglieren konnte und daraus eine eigenen und unverwechselbaren Stil entwickelte. Als Adaptation amerikanischer Late Night Talk Vorbilder gedacht, gab es allmählich eine immer typischere Beimengung Harald Schmidt.

Kabarett und Comedy, das waren fest zugeordnete Sparten. Comedy war witzig und platt, Satire und Kabarett durften auch böse sein, aber eben immer mit einem Tritt vors Schienbein der Obrigkeit. Aber Schmidt machte auf einmal Witze über Polen und bediente dabei Klischees, die man vom Stammtisch kannte, die aber eigentlich nicht ins Fernsehen gehörten. Bei ihm war man sich nicht sicher, wie das nun eigentlich gemeint war und er verweigerte beharrlich die Auflösung. Seine Show arbeitete das Tagesgeschehen ab, das politische und boulevardeske, um dann ebenso unbeschwert in die Kiste Stammtisch zu greifen und wieder einen Moment oder Gast später das Publikum heillos zu überfordern. Mit Insiderinformationen und -gesprächen über das Theater oder bizarren und sperrigen Interviewpartnern, bei denen zunehmend auch die Nichtpointe, das Scheitern, die Über- oder Unterforderung und die gepflegte Langeweile, das sich im Grunde nichts zu sagen zu haben, als Pointe oder mindestens spannende Erwartung fungierte, als eigene Kunstform zelebriert wurde und uns manchmal erheiterte und streckenweise verwirrte.

Man weiß auch nicht, ob die Zuschauer sich nun eher über die Klischees ins Fäustchen lachten und die Frechheit des Harald Schmidt bewunderten oder den virtuosen Umgang mit Ironie und Brechungen mochten. Schmidt brach auch mit dem U oder E. Da war der Quatsch und dann wieder ein ziemlich ‚esoterischer‘ Exkurs der Schmidt angeblich als Snob oder Bildungsbürger entlarvte.

Gewohnheitsgeschmack

Gutes muss nicht teuer sein und Teures nicht gut. Eine Banalität, aber ab und zu auch richtig. Man weiß nur im Einzelfall nicht wann. Dazu müsste man sich entweder radikal zu sich und dem eigenen Geschmack bekennen oder aber tiefer in die Materie eindringen. Nun können solche Fachsimpeleien auf andere ermüdend wirken, aber über kurz oder lang steht man bei vielem vor der Frage – wenn man sie sich denn stellt –, ob man lediglich ein wenig mitreden und diejenigen beeindrucken möchte, die weniger Ahnung haben, als man selbst, der Einäugige als der König der Blinden, oder ob man mehr investiert. Dann beginnt man auch den einen oder anderen Mechanismus zur durchschauen. Vor Jahren war ich in einer Weinkette und ein mir gut schmeckender Wein stellte sich als der Sieger einer Blindverkostung heraus. Gekauft wurde er trotzdem kaum, weil er zu billig war. Als der Ladenhüter dann irgendwann deutlich teurer wurde, wurde er auch gekauft. Das kann mit dem Geschmack nichts zu tun gehabt haben, hier wirken Marktpsychologie und Lebensgefühl, man will sich nicht ganz billig abspeisen lassen, selbst dann nicht, wenn’s eigentlich schmeckt.

Auf diesen Trend setzen viele der riesigen Marktführer, die den Mainstreamgeschmack bedienen. In einem recht engen geschmacklichen Spektrum bekommt der Kunde genau das, was er erwartet und seit ewigen Zeiten gewohnt ist, mitunter sogar chemisch in seine Bestandteile zerlegt und wieder, dem Gewohnheitsgeschmack angepasst, zusammengefügt.