Emotionale Flashbacks sind für viele Menschen schwer einzuordnen. Bei klassischen Flashbacks werden vergangene traumatische Ereignisse häufig bildhaft, emotional und sensorisch gedanklich wiedererlebt. Visuelle und akustische Eindrücke werden mitunter wahrgenommen, obwohl sie gar nicht vorhanden sind. Emotionale Flashbacks beziehen sich auf ein Wiedererleben von Emotionen. Man fühlt sich plötzlich wie damals.

Emotionale Flashbacks: Das steht dahinter

Der Begriff der emotionalen Flashbacks geht auf den US-amerikanischen Psychologen Pete Walker zurück. In der Psychologie wird eine solche Abgrenzung zwischen klassischen und emotionalen Flashbacks in der Regel nicht vorgenommen. Dennoch sind viele Menschen von rein emotionalen Flashbacks betroffen, ohne dass diese von anderen Eindrücken begleitet werden. Oftmals bemerken wir die emotionalen Flashbacks gar nicht, wir fühlen uns lediglich einfach plötzlich schlecht, ängstlich, minderwertig etc.

Wir reagieren dann in einer aktuellen Situation mit dem emotionalen Muster von früher. Haben beispielsweise chronische Traumatisierungen in der Kindheit stattgefunden, können Situationen im Erwachsenenalter plötzlich dieses starke Angst- oder Unsicherheitsmuster hervorrufen, obwohl objektiv dazu kein Anlass bestünde.

Mann mit Brille vor Steinmauer

Emotionale Flashbacks lassen einen so hilflos, minderwertig und ängstlich fühlen, wie einst in einer problematischen Kindheit. © Stefan-Mueller-climate under cc

Sozusagen sind emotionale Flashbacks intensive emotionale Reaktionen, die durch ein, objektiv betrachtet, vergleichsweise harmloses, aktuelles Ereignis ausgelöst werden. Wir erinnern uns nicht bewusst an die damaligen Situationen, dennoch tauchen die alten Gefühle wieder auf. Angst, Scham, Minderwertigkeit, Hilflosigkeit, Ausgeliefert sein, Ohnmachtsgefühl oder tiefe Traurigkeit. Man fühlt sich plötzlich klein, machtlos oder wie ein verletztes Kind. Emotionale Flashbacks gibt es häufig in Zusammenhang mit komplexen Posttraumatischen Belastungsstörungen, die als Folge von wiederholten, langanhaltenden Traumatisierungen in der Kindheit durch beispielsweise seelischen, körperlichen und/oder sexuellen Missbrauch sowie Vernachlässigung in der Kindheit auftreten können.

Beispiele für emotionale Flashbacks

Vielleicht kennst du eine solche Situation bei der Arbeit, bei welcher du eine sachliche Kritik rückgemeldet bekommst. Du reagierst darauf zutiefst beschämt, vielleicht auch innerlich wütend, ziehst dich innerlich zurück und spürst immense Ängste, weil du das Gefühl hast, gleich bricht über dir alles zusammen. Deine Welt, die du dir mühsam aufgebaut hast, stürzt nun ein. Möglicherweise spürst du sogar eine existenzielle Bedrohung. Der Auslöser, also das sachliche Feedback, war absolut neutral, deine Reaktion darauf jedoch übermäßig angstvoll, vielleicht auch impulsiv. Für dich ist es so, als würdest du genau auf diese Realität reagieren – faktisch jedoch reagierst du auf deine Vergangenheit.

Oder aber du hörst einen Mann auf einem belebten Platz herumschreien, weil er Drogen genommen hat. Auf dem Platz sind viele Menschen, es ist tagsüber. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Person eine Gefahr für dich ist. Dennoch hast du in dir einen Fluchtimpuls, Ängste kommen hoch, du willst weg – aber du weißt nicht warum. Du weißt nicht zwangsläufig, auf welches Ereignis dieses Gefühl in deiner Kindheit zurück geht. Dennoch reagierst du mit Panik, fürchtest dich vielleicht auch vor lauten Männergruppen, dich triggert der Geruch nach Bier etc. Möglicherweise erinnerst du keine direkten Ereignisse, aber du weißt vom Kopf her, dass du keine so gute Kindheit hattest, weil du vielleicht angeschrien oder geschlagen wurdest. Und eben diese Gefühle können in solchen Momenten wieder hochkommen.

Typische Gefühle bei emotionalen Flashbacks

Bestimmte Gefühle und Verhaltensimpulse tauchen bei emotionalen Flashbacks in der Regel immer wieder und ganz plötzlich auf.

  • Du fühlst dich mit einem Mal überfordert oder wie gelähmt, wie erstarrt.
  • Ein Schamgefühl überkommt dich und du kannst nicht ausmachen, woher dieses stammt beziehungsweise ist es der aktuellen Situation nicht angemessen.
  • Oder du fühlst dich schuldig, obwohl dafür kein Anlass besteht.
  • Du verspürst das Bedürfnis, dich zu verstecken, oder ein Fluchtinstinkt kommt in dir auf.
  • Du fühlst dich wertlos, minderwertig, nicht liebenswert, nicht gut genug oder irgendwie „falsch“ und fehlerhaft.
  • Vielleicht fühlst du dich sogar so überlastet, wertlos und panisch, dass suizidale Gedanken auftreten.
  • Du fühlst dich hilflos und weißt nicht, was du tun sollst. Alles in deinem Kopf ist wie gelöscht. Du kannst nicht klar denken und fühlst dich innerlich wie eingefroren.
  • Du reagierst mitunter kindlich, machst dich klein und ordnest dich unter, obwohl du eigentlich erwachsen bist.

Man könnte diese Reaktion deines Körpers so beschreiben, dass dein Gehirn, dein Nervensystem vergangene Bedrohungen emotional erneut durchlebt – allerdings ohne dass dein Bewusstsein versteht, warum das gerade mit dir passiert. Quasi erfährst du ein Wiedererleben der damaligen emotionalen Ohnmachtsgefühle.

Woran emotionale Flashbacks erkennen

Diese emotionalen Flashbacks passieren häufig unterschwellig. Sie kündigen sich nicht an, ihnen geht auch keine Aura oder ähnliches voraus. Sie können mit bestimmten Situationen in Zusammenhang stehen, oder mit bestimmten Gedanken.

Menschen, die davon betroffen sind, glauben zunächst erst einmal, dass sie überreagieren würden oder einfach besonders sensibel seien. Genauer lassen sich die emotionalen Flashbacks verstehen, wenn man versucht, deren Merkmale zu beschreiben.

1. Plötzlicher Stimmungsabfall

Emotionale Flashbacks treten von Jetzt auf gleich auf. Nicht unbedingt gibt es für einen selbst einen erkennbaren Grund. Der emotionale Einbruch kann ganz unvermittelt eintreten – oft in Form von Angst, Scham oder innerer Leere. Manchmal ist es ein bestimmtes gefühltes Muster aus beispielsweise Unzulänglichkeit, Leere und Angst, welches mit einem Mal aktiviert wird.

2. Ohne klare Erinnerung

Im Unterschied zu klassischen Flashbacks geht mit emotionalen Flashbacks in der Regel kein Bild oder eine Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis einher, auf welches diese Gefühle zurückzuführen sind. Es ist lediglich das Gefühl, dass es „wie früher“ ist.

3. Kindliche Gefühle oder Verhaltensweisen

Frau Rückansicht Wald, verschwommen

Emotionale Flashbacks treten plötzlich auf und sind der aktuellen Situation nicht angemessen. © bWlrZQ== under cc

Die damit zusammenhängenden Gefühle und Gedanken können sehr einfach und kindlich sein. Wir möchten uns am liebsten verstecken, fangen „ohne Grund“ an zu weinen, einfach, weil wir uns schlecht fühlen. Negative Glaubenssätze wie: „Ich bin schlecht“ oder „Keiner mag mich“, treten eventuell auf.

4. Körperliche Reaktionen

Die emotionalen Flashbacks können von körperlichen Reaktionen begleitet sein. Plötzlich wird dir vielleicht kalt, du fängst an zu zittern oder dein Herz fängt an, heftig zu klopfen. Oder: Du bemerkst, dass du deine Muskeln angstvoll angespannt hast. Oder aber du fühlst dich schwach und ausgehöhlt.
Deine Atmung wird flacher oder stoppt sogar, weil dein System in Habachtstellung ist.

5. Mögliche Auslöser

Mögliche Auslöser für emotionale Flashbacks können bestimmte Situationen, Personen oder Gedanken sein. Typisch sind:

  • Autoritätspersonen
  • Negatives, kritisierendes oder ablehnendes Verhalten
  • Zwischenmenschliche Konflikte oder eine zu intensive Nähe
  • Bestimmte Stimmungen, Geräusche oder Gerüche

Ursachen: Woher emotionale Flashbacks stammen

Emotionale Flashbacks werden immer wieder in Zusammenhang mit komplexen Kindheitstraumata genannt. Anders als beispielsweise bei einer „klassischen Posttraumatischen Belastungsstörung“, bei der das traumatisierende Ereignis in der Regel erinnert wird, haben Kinder oft weniger Erinnerungen an die traumatisierenden Erlebnisse in der Kindheit, zumal diese ja oft länger anhaltender sind und sich wiederholt haben. Seelische Herabsetzungen, körperliche Übergriffe oder Vernachlässigung fließen in ihrer Gesamtheit im Rückblick als Bestandteile einer schlechten Kindheit ein. Manches Erlebte wurde auch dissoziiert. Bei vielen ist es eher ein bestimmtes Gefühl und wahlweise auch einzelne Ereignisse, die ihnen als Erwachsene im Gedächtnis geblieben sind. Doch jedes einzelne Ereignis oder das Umfassende an schadhaftem Verhalten, mit dem man ihnen begegnete, können sie nicht mehr abrufen.

Zusammenfassend können emotionale Flashbacks auf die nachfolgenden Punkte zurückzuführen sein:

  • Erfahren von emotionaler Vernachlässigung oder Missbrauch
  • Fortwährende Kritik, Ablehnung, Bloßstellung und Beschämung
  • Kein Vorhandensein einer sicheren Bindungsperson, eher ambivalentes und unterkühltes Verhalten
  • Für Zuneigung und Anerkennung sich anpassen, „funktionieren“ oder etwas tun müssen
  • Impulsives und unvorhersehbares Verhalten von Bezugspersonen

In diesen und anderen Fällen verinnerlichen die Kinder die Glaubenssätze als Annahmen von sich und der Welt: Ich bin falsch. Ich bin schuld. Ich bin zu viel. Die Welt ist bedrohlich. Männer/Frauen sind gefährlich etc.

Treten später im Leben ähnliche Situationen auf, steigt in den Betroffenen beispielsweise just Panik auf. Sie möchten am liebsten fliehen. Oder sie gehen in den „Kampfmodus“. Oder sie fühlen sich zum Beispiel ohne Grund beschämt und glauben, sie hätten sich wahnsinnig schlimm verhalten.

Emotionale Flashbacks: Das kannst du tun

Emotionale Flashbacks genauso wie andere Flashbacks können ein Hinweis darauf sein, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit, bei Bedarf in einem therapeutischen Kontext, angeraten wäre. Darüber hinaus gibt es einige andere Ansatzpunkte, wie man mit emotionalen Flashbacks umgehen kann.

1. Erkenne, dass es ein Flashback ist

Das Wissen um die emotionalen Flashbacks genauso wie deine Selbstreflexion werden dich zunehmend besser erkennen lassen, wann du einen emotionalen Flashback hast. Bemerkst du aus der Sicht einer erwachsenen Person, aus der Sicht deines Verstandes, dass deine Gefühlswelt und die objektive Lage vom Ausmaß her nicht übereinstimmen, wirst du emotionale Flashbacks immer besser enttarnen können. Das ist der erste Schritt, um sich von ihnen abzugrenzen.

2. Sprich innerlich mit dir selbst

Kind vor kariertem Sofa, grüne Bildeinfärbung

Chronische Traumatisierungen in der Kindheit bzw. Entwicklungstraumata fühlen sich belastend an, ohne dass man die Vielzahl der Ereignisse erinnert. © Insights Unspoken under cc

Bemühe dich darum, weiter im Modus des Verstandes zu bleiben. So kannst du das Erleben von der aktuellen Situation entkoppeln. Sage dir:

  • „Es ist alles gut. Mein Körper reagiert gerade auf ein altes Gefühl.“
  • „Ich bin erwachsen und sicher. Es ist vorbei.“
  • „Ich bin nicht ausgeliefert. Ich habe die Kontrolle über mein Leben.“
  • „Es fühlt sich zwar echt an, aber es ist ein altes Gefühl. Das spiegelt die aktuelle Situation nicht wieder.“
  • „Ich muss nicht kämpfen oder weglaufen – ich kann hierbleiben. Es droht keine Gefahr.“

Durch diese gezielte Selbstansprache beruhigst du dich, bleibst im Hier und Jetzt und schenkst dir Sicherheit.

3. Sorge für Ruhe und Erdung

Sind diese Gefühlsmuster aktiviert, können sie eine Weile andauern, bis man sich wieder eingenordet hat. Verschiedene Techniken helfen dir dabei, dich auf eine ruhige emotionale Baseline zu bringen.

  • Spüre, wie deine Füße auf dem Boden stehen.
  • Schaue dich um und benenne fünf Dinge, die du siehst.
  • Spüre deinen Atem, wie er ruhig und tief ein- und ausströmt.
  • Manchen Betroffenen hilft ein flacher Stein o.ä., den sie stets bei sich tragen. Die Kühle und die Haptik helfen ihnen, innerlich wieder runterzukommen.
  • Yoga, Meditation und Achtsamkeitsübungen helfen dir, dein Nervensystem insgesamt mehr zu beruhigen. Damit es bestenfalls nicht mehr so schnell in den Alarmmodus kommt.

4. Umsorge dich

Stelle dir vor, wie du als erwachsene, fürsorgliche Person mit deinem inneren Kind sprichst und es tröstest.

  • „Ich bin jetzt für dich da.“
  • „Dir passiert nichts. Ich passe auf.“
  • „Du trägst keine Schuld.“
  • „Du bist liebenswert.“

Du kannst dir auch vorstellen, wie du dein inneres Kind umarmst und es beschützt. Durch diese Innere-Kind-Arbeit mit dir selbst stärkst du die Verbindung zu dir. Du verminderst das Gefühl aus der Kindheit, ausgeliefert und hilflos zu sein.

5. Verurteile dich nicht

Ein liebevoller Umgang mit sich ist wertvoll. Anstatt dich selbst zu verurteilen durch Aussagen wie: „Ich übertreibe wieder“, oder „Ich bin so ein Angsthase“ oder „Ich sollte viel stärker sein, ich mache mich ja lächerlich“, spreche positiv und verständnisvoll mit dir. Selbstmitgefühl ist ein entscheidender Punkt auf dem Weg zur Heilung alter Wunden.

Unterstützung und Selbstfürsorge

Emotionale Flashbacks verschwinden nicht von heute auf morgen oder einfach so. Es sind eingespielte und verankerte Muster, mit denen wir auf frühere, als bedrohlich empfundene Situationen reagieren. Lass dir dementsprechend auch die nötige Zeit, um diese aufzuarbeiten. Du könnest eine Traumatherapie, EMDR, Somatic Experiencing oder IFS (Internal Family Systems) machen. Achtsamkeitstrainings wie Meditieren, traumasensibles Yoga oder bewusstes Atmen stärken deine Selbstwahrnehmung und innere Ruhe.

Emotionale Flashbacks sind keine persönliche Schwäche. Sie sind ein Signal deines Organismus, eine natürliche Reaktion auf damals ungesunde und schadhafte Umstände. Wenn du lernst, sie zu erkennen und mit ihnen umzugehen, kannst du Schritt für Schritt innere Ruhe und Sicherheit für dich etablieren.

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