Gaslighting im Job ist eine oft subtile, aber zerstörerische Form psychologischer Manipulation – und sie kommt häufiger im Berufsleben vor, als viele denken. Besonders in stressigen oder hierarchischen Arbeitsumfeldern wird von manchen an der Wahrnehmung von Mitarbeitenden gerüttelt, bis diese sich selbst infrage stellen. Wer im Job Gaslighting erlebt, spürt oft diffuse Schuldgefühle, Erschöpfung und das Gefühl, „nicht gut genug“ zu sein. Doch das Problem liegt selten in der eigenen Schwäche – sondern in einem System, das Druck durch Verunsicherung ausübt.

Was bedeutet Gaslighting im Job?

Mann mit Laptop im Büro

Gaslighting im Job verunsichert Arbeitnehmende nachhaltig und lässt sie an ihrem Selbstwert zweifeln. © Mark Ordonez under cc

Gaslighting beschreibt eine Manipulation, bei der jemand die Realität eines anderen verzerrt, um Macht zu gewinnen. Im Arbeitskontext äußert sich das, wenn Mitarbeitende oder Vorgesetzte wiederholt behaupten, du hättest dich geirrt, überreagiert oder falsch erinnert – obwohl es nicht so war. So entsteht schleichend ein Gefühl der Unsicherheit.

Aussagen wie „Das habe ich dir so nie gesagt“, „Du reagierst über“ oder „Das hast du mal wieder missverstanden“ sollen nicht informieren, sondern destabilisieren. Sie erzeugen Selbstzweifel – und genau das ist die eigentliche Absicht.

Typische Formen von Gaslighting am Arbeitsplatz

Es gibt einige typische Verhaltensmuster, bei denen sich Gaslighting im Job zeigt.

  • Informationsmanipulation: Dir werden wichtige Infos vorenthalten oder anders dargestellt, damit du inkompetent wirkst.
  • Realitätsverzerrung: Fehler anderer werden dir zugeschoben, Kritik wird als Überempfindlichkeit abgetan.
  • Abwertung vor anderen: Deine Kompetenz wird öffentlich infrage gestellt, um deine Position zu schwächen.
  • Umschreiben von Ereignissen: Absprachen oder Situationen werden im Nachhinein verdreht.
  • Isolation: Du wirst aus Meetings, Chatgruppen oder Entscheidungsrunden ausgeschlossen – „aus Versehen“.

Solche Muster führen dazu, dass Betroffene beginnen, ihrer Wahrnehmung weniger zu trauen als der ihres Gegenübers. Das Resultat: Anpassung, Überarbeitung, Rückzug.

Ökonomisches Gaslighting: Leistung und Wert verzerren

In modernen Arbeitskulturen nimmt Gaslighting häufig ökonomische Formen an. Hier wird Leistung gegen Zeit oder Geld ausgespielt. Du bekommst vermittelt, dass du dich einfach „besser organisieren“ müsstest, wenn du mit dem Pensum nicht hinterherkommst – statt dass die Arbeitsbedingungen hinterfragt werden.

Typische Aussagen sind:

  • „Andere schaffen das doch auch.“
  • „Du bist einfach zu langsam.“
  • „Das ist in dieser Branche normal.“

So wird aus Unterbezahlung oder Personalmangel ein individuelles Versagen konstruiert. Du sollst glauben, dass du weniger Wert bist, wenn du mehr Zeit brauchst – und dass faire Entlohnung oder Grenzen eine Schwäche darstellen. Ein wahrhaft toxisches Arbeitsumfeld. Dieses ökonomische Gaslighting nutzt Schuldgefühle und Versagensängste als Druckmittel: Wer an sich selbst zweifelt, fordert keine Gerechtigkeit ein.

Für Arbeitnehmende und Selbstständige ist das gleichermaßen ein Problem – ein Beispiel: Du bekommst für eine Arbeit ein bestimmtes Honorar, ein sehr niedriges. Seitens der Auftraggebenden wird dir suggeriert, dass man für dieses Arbeitspensum nur eine bestimmte (unrealistisch knapp bemessene) Zeit bräuchte. Wenn du mehr Zeit brauchst, liegt es an dir – so wird es dir vermittelt. Doch eigentlich möchten solche Unternehmen Geld sparen, aber dennoch als sozial gerecht dastehen.

Manipulation schon bei Stellenausschreibung

Gaslighting kann bereits vor dem ersten Arbeitstag einsetzen – in der Art und Weise, wie Jobs beschrieben, benannt oder vergütet werden. Oft steckt die Manipulation schon in der Sprache. Eine Stelle wird etwa als „Aushilfsstelle“ oder „Werkstudentenstelle“ ausgeschrieben, obwohl sie vollwertige Arbeitsleistung verlangt, volle Verantwortung trägt und teilweise sogar Führungsaufgaben umfasst.

So wird der tatsächliche Wert der Tätigkeit systematisch kleingeredet – und gleichzeitig wird von den Bewerbenden erwartet, volle Leistung zu erbringen. Die Botschaft lautet unausgesprochen: „Sei dankbar, dass du hier arbeiten darfst – Bezahlung und Titel sind zweitrangig.“

Diese Praxis dient oft dazu, Kosten zu senken und Hierarchien zu verschleiern, aber sie hat auch eine psychologische Wirkung: Wer eine Position antritt, die offiziell weniger „wert“ scheint, neigt dazu, die eigene Rolle zu unterschätzen. Die Folge ist eine Selbstabwertung auf struktureller Ebene – du beginnst, dich kleiner zu fühlen, als deine tatsächliche Qualifikation rechtfertigt.

Besonders in Medien, Kultur, Pflege und kreativen Branchen wird diese Strategie genutzt, um Menschen mit Idealismus und Empathie sowie Berufseinsteigende an geringe Löhne zu binden. Das Perfide daran: Wenn du dich über unfaire Bedingungen beschwerst, heißt es oft, du seist „noch nicht so weit“, „musst Erfahrung sammeln“ oder „solltest froh sein, überhaupt dabei zu sein“. Auch das ist Gaslighting – nicht individuell, sondern institutionell verankert.

Subtile Formen von Gaslighting im Job

junge Frau mit Brille vor Haushaltswarenregal

Nicht selten stehen Praktikantenstellen für eine Vollzeitstelle. ©
elise stephan
under cc

Manche Formen von Gaslighting im Job sind so subtil, dass du diese gar nicht bemerkst. Hier einige Beispiele:

  • Überforderung als Entwicklung getarnt: „Ich will dich doch nur fordern, damit du wächst“ – in Wahrheit wird Überlastung normalisiert.
  • Fehlende Unterstützung als Eigenversagen: „Du hättest halt früher fragen müssen“ – statt: Es gab keine klare Einarbeitung.
  • Überstunden als Beweis mangelnder Effizienz: „Du brauchst wohl länger als die anderen“ – obwohl die Aufgaben realistisch gar nicht zu schaffen sind.
  • Idealismus als Rechtfertigung für Ausbeutung: „Du machst das doch aus Leidenschaft“ – emotionale Manipulation statt fairer Lohn.
  • Kritik wird pathologisiert: „Du bist zu sensibel“ – Kritik an Strukturen wird zur Charakterschwäche erklärt.
  • Pseudo-Freiheit: „Du kannst dir die Zeit ja frei einteilen“ – was in Wahrheit unbezahlte Mehrarbeit bedeutet.
  • Vergleichs-Gaslighting: „Schau mal, XY schafft das auch“ – Vergleiche, die Druck statt Motivation erzeugen.
  • Kleinreden von Erfolgen: „Das war ja Teamleistung“ – um Anerkennung und Aufstiegschancen zu verhindern.
  • Transparenzverweigerung: Nachfragen zu Gehältern oder Zuständigkeiten werden als unangebracht dargestellt.

Diese Strategien haben eines gemeinsam: Sie lenken von strukturellen Problemen ab und verschieben Verantwortung nach unten.

Psychologische Dynamik hinter Gaslighting

Gaslighting funktioniert, weil es das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung untergräbt. Besonders empathische, gewissenhafte oder perfektionistische Menschen sind anfällig – sie übernehmen schnell Verantwortung und glauben, Fehler bei sich suchen zu müssen.

Das Gehirn reagiert auf widersprüchliche Informationen mit kognitiver Dissonanz: Um das innere Gleichgewicht zu wahren, akzeptiert man irgendwann die Sicht des Gegenübers. Das führt zu einem schleichenden Realitätsverlust. Langfristig entstehen Stress, Selbstzweifel und Burnout. Viele Betroffene sagen später: „Ich habe gar nicht mehr gemerkt, wie sehr ich manipuliert wurde – ich dachte wirklich, ich sei das Problem.“

Was du gegen Gaslighting im Job tun kannst

Natürlich sind einem im Arbeitskontext stärker die Hände gebunden als in einem privaten Umfeld. Schließlich müssen wir alle unsere Rechnungen bezahlen. Doch es bleibt ein Abwegen, zu welchem Preis? In manchen Fällen können dir verschiedene Strategien helfen, um mit der Manipulation am Arbeitsplatz besser zurechtzukommen. Doch in anderen Fällen funktioniert es nicht. Ehe man innerlich daran zerbricht, wäre ein Jobwechsel die bessere Wahl.

Versuche, bei dir zu bleiben

Wenn du von Gaslighting im Job betroffen bist und die Stelle vorerst nicht aufgeben möchtest, versuche, bei dir zu bleiben, vertraue dir bewusst und bemühe dich um eine klare Sicht auf die Geschehnisse. Du kannst sie auch mit einer anderen Person besprechen, der du vertraust. Probiere es außerdem mit diesen Strategien:

Fakten dokumentieren

Schreibe auf, was wann gesagt oder beschlossen wurde. Das stärkt dein Realitätsgefühl und liefert Beweise.

Vertraue deinem Unbehagen

Wenn du dich nach Gesprächen verwirrt, klein oder schuldig fühlst – nimm das ernst. Es ist ein Warnsignal – gerade wenn es nicht generell nach Gesprächen mit allen Menschen so ist (was auf stärkere Selbstunsicherheit hinweisen könnte), sondern nur in bestimmten Fällen.

Suche Rückhalt

Wenn es sich anbietet, kannst du mit Mitarbeitenden, denen du vertraust, mit dem Betriebsrat oder einer vertrauensvollen Personalabteilung über konkrete Situationen sprechen, die du gut dokumentiert hast. Externe Perspektiven schaffen Klarheit. Zieht die institutionelle Schwächung der Arbeitnehmenden jedoch größere Kreise, kommst du damit nicht weiter und könntest mehr Schaden als Nutzen für dich anrichten. Wäge also besser ab und entscheide dich vielleicht lieber für Abstand zu dem Unternehmen.

Bleibe bei Fakten

Statt dich zu rechtfertigen, beschreibe präzise: „In der E-Mail vom 3. Oktober stand, dass …“ Halte dich an eine sachliche Schreibweise, indem du klar, aber freundlich auf die Fakten hinweist.

Grenzen setzen

Mann steht im U-Bahnhof

Der Leistungsdruck in den Unternehmen kann regelrechte Taktiken von Manipulation und Gaslighting annehmen. © Daniel Steuri under cc

Sage unumwunden, aber höflich, wenn du dich respektlos behandelt fühlst: „Aus meiner Perspektive stellt sich die Situation anders dar“ oder: „Ich nehme das anders wahr. Mir ist wichtig, dass auch meine Sicht berücksichtigt wird.“ So grenzt du dich ab, hast deutlich gemacht, was du denkst, und läufst nicht Gefahr, dich in unterschwellige Verärgerung oder irgendwelche Spielchen hinterrücks zu verstricken.

Sprich über Strukturen, nicht über Schuld

Es ist immer gut, insbesondere im Arbeitskontext, sachlich zu bleiben. So kann dir niemand ein Fehlverhalten vorhalten. Andernfalls nämlich stünde dein Verhalten im Fokus und nicht die zuvor stattgefundene Ungerechtigkeit. Damit würdest du dir folglich selbst schaden.

Frage also beispielsweise: „Wie sind die Aufgaben zeitlich geplant, was ist vorgesehen?“ – nicht: „Warum schaffe ich das nicht?“ So verlagerst du die Verantwortung zurück auf die strukturelle Ebene und machst deutlich, dass es um realistische Rahmenbedingungen gehen muss – nicht um persönliches Versagen.

Strukturelles Problem, statt persönliches Versagen

Gaslighting im Job ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer Kultur, in der Kontrolle und Kostenoptimierung oft über Menschlichkeit gestellt werden. Wer betroffen ist, sollte wissen: Nicht du bist das Problem – sondern ein Umfeld, das Verantwortung verschiebt und Realität verzerrt.

Indem du deiner Wahrnehmung wieder vertraust, löst du dich schrittweise aus der Rolle, die andere dir zugeschrieben haben. Selbst wenn die Strukturen bestehen bleiben, hast du zumindest kein schlechtes Gefühl mit dir oder projizierst das Nichtschaffen der Aufgaben auf dich. Gaslighting wirkt nur, solange du an dir zweifelst. Klarheit, Selbstwert und Abgrenzung sind die wirksamsten Gegenmittel. Hilft alles nichts, bleibt dir die Option, bei Gaslighting im Job den Arbeitsplatz zu wechseln.

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