Mädchen liest Heft, mit Teddy im Arm

Der Teddy ist in dieser Zeit immer dabei. © Jenn Durfey under cc

Die meisten Menschen werden mit den Begriffen Übergangsobjekte und Übergangsbeziehung nicht viel verbinden, obwohl wir alle welche hatten. Aber fangen wir mit der Geschichte von der anderen Seite an.

In seinem Buch Eine kurze Geschichte der Menschheit erzählt uns der Geschichtsprofessor Yuval Noah Harari, dass wesentliche Praktiken und Kulturleistungen der Menschheit gewissermaßen reine Erfindungen sind. So beruht der Wert des Geldes einfach darauf, dass Menschen an diesen Wert glauben und andere diese Zuschreibung akzeptieren. Mit der Existenz von Aktien und Firmenmarken verhält es sich ähnlich. Der Philosoph Robert Brandom würde dem zustimmen, denn auch Unterschriften unter Verträgen wirken nicht physikalisch auf die Welt ein, sondern setzen soziale Praktiken in Gang, auf die Menschen sich wechselseitig festlegen und verpflichten, sowie Verstöße sanktionieren.

Ein sehr komplexes Spiel, weil es das Denken in der Möglichkeitsform voraussetzt. Nicht nur, was unmittelbar ist, sondern auch das was sein könnte, oder wie es wäre, wenn damals etwas anders gelaufen wäre, spielt hier eine Rolle. Einerseits, auf der theoretischen Ebene, ist das hochkomplex und andererseits, für uns vollkommen normal. Wir haben kein Problem beim Umgang mit Geld, wissen, dass Marken, Demokratien und Religionen irgendwo immer auch Konstrukte sind und dass wir im Geiste darüber sinnieren, was die oder der wohl von mir denken könnte oder auch nur, was man am Wochenende machen oder kochen soll, ist banalster Alltag für uns. Wir schwimmen in der Welt der Möglichkeiten und tauchen nur dann und wann in die Realität ein. Zumindest mit unserem Bewusstsein. Wenn wir ganz real Autofahren, läuft – außer beim Fahranfänger – alles automatisiert ab und man hat Zeit zum Radio hören, nachdenken oder sich zu unterhalten.

Dass wir das können, hält Brandom für überaus bedeutend und sagt:

„Der Unterschied zwischen logischen und vorlogischen Sprachen ist jedenfalls so wichtig, dass Forscher, die sich dafür interessieren, was für eine Sprache Schimpansen und Delphine lernen können, gut beraten wären, ihnen nicht noch 200 weitere singuläre Termini und Prädikate beibringen zu wollen, sondern erst einmal Konditionale und Quantoren.“[1]

Warum gerade die?

„Das Konditional und die Negation sind die fundamentalen Bausteine des logischen Vokabulars.“[2]

Und jetzt kommt die Psychologie der Übergangsobjekte und Übergangsbeziehungen ins Spiel.

Das Erleben in der Kindheit

In einem ebenfalls nicht unkomplizierten, weitgehend noch vorlogischen und vorsprachlichen Prozess beginnt das Kind sich irgendwann von der Mutter zu lösen. Es hat dabei die schwere Aufgabe, ein in der Psyche getrenntes Mutterbild zu integrieren.

Affekte und Emotionen sind, wie wir alle wissen, ein ziemliches Kuddelmuddel. Es ist eine Behauptung Freuds gewesen, dass Kinder psychologisch betrachtet, was innere Repräsentationen angeht, nicht eine Mutter haben, sondern zwei. Das sieht auf den ersten Blick einigermaßen absurd aus, denn es gibt ja nur eine Mutter. Warum sollte das Kind sozusagen eine dazu erfinden? Doch wenn wir die Geschichte aus der Sicht des Kindes nachzuzeichnen versuchen, ist das keinesfalls mehr unlogisch.

Wenn Kinder auf die Welt kommen, ist vor allem erst einmal alles neu. Alles was uns heute selbstverständlich erscheint muss das Kind in zigtausenden Erfahrungen lernen und verinnerlichen. Dass es sich anders anfühlt in den Zeh zu beißen, als in die Decke. Auf all die Reize mit denen das Kind konfrontiert ist, kann es durch die angeborene Fähigkeit Affekte zu äußern reagieren: Das Kind dreht den Kopf weg, schreit, schaut angewidert und es ist klar, dass es etwas nicht haben möchte. Das Kind hat Hautkontakt, liegt warm und ruhig an der Mutterbrust, sieht ruhig zufrieden und glücklich aus und diese Situation möchte es wiederholen. Aufgrund dieser und ähnlicher, zahlreicher Erfahrungen wird die Welt Kindes zum ersten Mal und ganz organisch und vortheoretisch aufgespalten, einfach dadurch, dass das Kind einige Erfahrung meiden und andere wiederholen möchte. Die Welt ist getrennt in Gut und Böse, aus der Erfahrung mit nur-guten und nur-schlechten Objekten.

Das Kind sieht sich einerseits in einer annähernd symbiotischen oder magischen Beziehung mit der Mutter. Genauer gesagt mit der Mutter, die wie selbstverständlich da ist, wenn das Kind schreit, die sofort antizipiert, ob das Kind Hunger oder Schmerzen hat, die es aufnimmt, tröstet, umsorgt und die Welt des Kindes wie durch Zauberhand wieder heil macht. Und diese Mutter ist die nur-gute Mutter, die geliebt wird. Doch auch Mütter haben ihr Leben, müssen mal duschen sind nicht immer hellsichtig, haben Kopfschmerzen oder sind genervt und reagieren nicht immer perfekt und ausdauernd geduldig.

Das Kind ist ein geborener Egoist, das nicht erkennen kann, dass Mutter heute harten Tag hatte, einen Ehekrach oder eine Prüfung und einfach schreit, wenn irgendwas in seiner kleinen Welt nicht stimmt. Das Kind hat ein Anrecht auf eine heile Welt, es kann in der frühen Phase der Entwicklung nicht anders sein als egoistisch, dafür ist es Kind. Und wenn Mutter nicht aufmerksam genug ist, zu spät kommt, nicht genügend Zeit hat oder Schmerzen nicht wegzaubern kann ist sie eine böse, versagende, entsetzliche Mutter, eine nur-schlechte Mutter. Dazwischen gibt es noch nichts.

So geliebt die nur-gute Mutter ist, so gehasst ist die nur-schlechte Mutter und das Kind möchte die nur schlechte Mutter genauso weg haben, wie alle anderen nur-schlechten Objekte und weil das Kind diese Spaltung noch nicht integrieren kann, hat es in sich diese zwei, vollkommen entgegengesetzten Mütter.