
Haben sie Kommunikationsstörungen? © L‘oeil étranger under cc
Kommunikationsstörungen kommen oft zwischen Partnern vor, wir kennen sie auch von der Arbeit und aus der Schule, wenn jemand plötzlich gemobbt wird. Doch über diese kleinen, wenn auch stark belastenden, Kommunikationsstörungen gibt es es auch solche grundsätzlicherer Art, etwa dann, wenn Vertreter bestimmter Weltbilder mit einander reden und feststellen, dass sie bezogen auf die Voraussetzungen oder Prämissen, von denen sie ausgehen, vollkommen andere Vorstellungen haben.
So ist es leicht einzusehen, dass ein gottgläubiger Mensch und ein Atheist von fundamental anderen Voraussetzungen ausgehen. Und diese Abweichungen betreffen nicht nur diese eine Frage, nach der Existenz von Gott, sondern abhängig davon, wie man sich in dieser Frage entscheidet, ergeben sich daraus auch völlig andere Folgefragen, Praktiken oder Lebensführungen. Aber Gottgläubige und Atheisten wissen immerhin noch worüber sie sich streiten. Sie mögen grundlegend anderer Meinung sein, sie mögen von einander denken „Wie kann man nur?“, aber sie verstehen in etwa, wie der andere denkt.
Kommunikation als rationales Spiel
Wenn Philosophen über Kommunikation nachdenken, dann ist Kommunikation stets eine rationaler Akt. Wir begründen unser Verhalten und verlangen vom anderen, dass er das ebenfalls tun möge, jedenfalls in solchen Fällen, in denen nicht bereits offensichtlich ist, warum jemand so und nicht anders handelt, diese oder jene Bemerkung macht. So wird das Spiel des Gebens und Verlangens von Gründen, als jenes angesehen, was das Menschsein eigentlich ausmacht. Auch Tiere kommunizieren, sind intelligent, haben mitunter ein Ich-Bewusstsein, aber sie begründen einander nicht ihr Verhalten.
Man kann es drehen und wenden und so vernunftkritisch eingestellt sein, wie man will, in dem Moment wo ich jemanden anspreche, unterstelle ich ihm bereits prinzipiell ein rationales Wesen zu sein, das zumindest prinzipiell mit mir sprechen und mich verstehen könnte. Wer spricht, hat damit also implizit schon anerkannt, dass Kommunikation ein rationaler Akt ist, mindestens dann, wenn man erwartet, eine Antwort zu bekommen und nicht nur die Kaffeemaschine beschimpft.
Kommunikation als emotionales Spiel
Wenn Psychologen über Kommunikation nachdenken, dann kommt zumeist noch eine andere Komponente mit ins Spiel. Nicht nur, das was gesagt wurde, spielt eine Rolle, sondern auch wie. Nicht nur der offene Inhalt, auch der verborgene, der emotionale Aspekt, der stille Appell wird hier oft betrachtet. Und manchmal ist die nonverbale Botschaft wichtiger als das, was gesagt wurde. Doch das wissen auch die Philosophen und ihnen gleich, lösen Psychologen die nonverbalen Botschaften rational auf. Was durch plötzlichen Stocken, Erröten, eine gepresste Stimme oder Vermeidung des Blickkontaktes gesagt wurde, kann ja nur in einem größeren Zusammenhang gedeutet werden und hinter allem steht der rationale Akt des Verstehens. Und den anderen mit einer Waffe zu bedrohen funktioniert nur, wenn der andere die Waffe als solche erkennt und den Akt somit auch als Drohung verstehen kann.
Wir können also festhalten, dass Kommunikation immer auch ein rationales Spiel ist, selbst dann, wenn es um emotionale Inhalte geht. Denn man muss sie verstehen und Verstehen ist ein rationaler Vorgang. Und doch gibt es einen Unterschied. In seiner Kommunikationstheorie betont Jürgen Habermas die Wirkung die „der eigentümlich zwanglose Zwang des besseren Argumentes“ hat. Und in der Tat, wer ein Argument zur Kenntnis nimmt und versteht, der kann und muss entweder benennen wo es unzulänglich ist oder er ist überzeugt.
Und doch scheint es zunehmen so zu sein, dass die Bereitschaft in einen Diskurs einzutreten und die Gründe und Argumente des anderen anzuhören bei vielen Menschen nicht zieht und bereits im Vorfeld abgewürgt ist. Denn man meint ja zu wissen, wie der andere tickt, was er zu sagen hat und was er nicht sagt, weil er es verbirgt. Je länger ich das beobachte, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass Habermas vollkommen richtig liegt und man, wenn man einmal zu der Ebene durchgedrungen ist, auf der Argumente eine Gültigkeit haben, ein gewisser Sog entsteht, dem man sich nicht entziehen kann.
Auf der anderen Seite gibt es aber Menschen, für die Argumente im Grunde keine große Rolle spielen und die selektiv nur ihre Ansichten bestätigt haben wollen. Alles was ihre Ansichten bestätigt, nehmen sie gerne zur Kenntnis und saugen es auf wie ein Schwamm: „Hab‘ ich’s doch wieder mal gewusst.“ Was ihrer Meinung widerspricht, wird ignoriert oder klein geredet. Offenbar ist das ein verbreitetes psychologisches Motiv, das es in der Wissenschaft ebenso gibt, wie in der individuellen Psyche. Die Fortschritte sind nicht kumulativ, also Stein auf Stein zu immer mehr Wissen, sondern sprunghaft. Neue Informationen werden ausgeblendet, geleugnet, marginalisiert, bis ein Punkt erreicht ist, an dem eine neue Einsicht schlicht nicht mehr geleugnet werden kann. Und in dem Moment ändert sich nicht nur ein wenig, sondern ziemlich viel.
Entwicklung ist oft also plötzlich, wenigstens in ihren relevanten Schritten und im Zuge dieser Entwicklung dringen manche bis zur Ebene der vor, in denen Argumente für sie relevant werden und damit betreten sie eine ziemlich andere Welt, eine, in in der sie Vorurteile abstreifen. Aber längst nicht jedem gelingt dieser Sprung und dass es ein dringender Wunsch ist Widersprüche und kognitive Dissonanzen, wie es heißt, abzubauen, würde ich aus mehrjähriger Beobachtung und wie Einstellungen und Handlungen ausgeführt, mild zurückweisen.