Windmühle, Schild und Mensch auf Buch, Vögel

Manche Veränderungen übefordern einige Menschen. © Diana Boucino under cc

Veränderungen in der Welt hat es zu allen Zeiten gegeben. Falls man überhaupt die Zeit, in der man lebte, reflektierte, wird man sie vermutlich stets als besonders empfunden haben. Einschnitte im Leben der Menschen gab es zu allen Zeiten, manche von historisch bleibendem Ausmaß. Der Übergang vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern und Viehzüchter, zum sesshaften Menschen, wird vermutlich zur damaligen Zeit nicht groß reflektiert worden sein. Heute dafür umso mehr und man ist sich im Grunde nicht einig, ob die Sesshaftigkeit nun der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte oder der größte Reinfall war. Auf jeden Fall war es eine tiefgreifende Veränderung.

Krieg und Frieden

Je näher man hinschaut umso bunter wird eine Zeit, vielleicht, weil man kleinere oder größere Veränderungen in der Welt so immer genauer sieht, auch das Zeittypische. Auf der anderen Seite ist das was man nachher als revolutionär betrachtet aus der Perspektive eines gelebten Lebens oft ein eher moderater Übergang. Industriealisierung, Eisenbahn, Telefon, Strom, Automobile und Flugzeuge, all das brauchte viele Jahre, mitunter Jahrzehnte, um sich durchzusetzen. Und so schrecklich lange ist das alles noch nicht her. Und wirkliche Veränderungen von jetzt auf gleich brachten vermutlich nur Kriege und Naturkatastrophen mit sich.

So etabliert und selbstverständlich wie man vieles heute voraussetzt, so fundamental neu war es in der damaligen Zeit. Doch die Veränderungen durch die Technik, ein Netz der Infratruktur: Schiene, Straßen, Wasserwege, Strom- und Telefonleitungen mussten in Jahren errichtet werden, man hatte Zeit, sich anzupassen. Begleitet wurden die Veränderungen in der Welt von epochalen Brüchen im Weltbild. Die Technisierung und der damit einhergehende Bruch im Weltbild ist eine Sache (siehe dazu auch: Die wissenschaftlich-technische Revolution), eine andere ist die wirkliche Revolution in der Physik, die nur deshalb nicht die Welt erschütterte, weil sie kaum jemand verstand. Raum und Zeit, die scheinbar unveränderllichen Grundfesten der Welt, wurde von jetzt auf gleich, zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu veränderlichen Größen erklärt. Die Entdeckung der Röntgenstrahlen, sowie der Radioaktivität und ihre praktischen Anwendungen revolutionierten die Zeit in Medizin, Technik und später dann die Kriegswaffen und die Energieversorgung. Doch zeitnah erkannten die Philosophen Husserl und sein bedeutender und umstrittener Schüler Heidegger, dass die Möglichkeit eine ebenso entscheidende Größe in der Welt ist, wie die Wirklichkeit und nicht nur in Philosophie und Technik, sondern auch in Musik und Kunst veränderten sich die Kontexte ziemlich radikal, unterbrochen vom mörderischen ersten Weltkrieg mit technischen Neuerungen und unvorstellbaren Grausamkeiten, wie der Schlacht um wenige Meter Gelände mit hunderttausenden Toten, in Verdun.

Doch man schaute nicht nur philosophisch und röntgenologisch unter die Haut, auch Sigmund Freud wurde kurz vor der Jahrhundertwende schreibend aktiv, ungefähr zeitgleich mit romantischen, naturnahen Reformbewegungen und einer spirituellen Strömung durch Theosophen, Anthroposophen und Okkultisten, von denen wir wissen, dass C.G. Jung mit ihnen liebäugelte. Eine ungeheuer dichte Zeit mit epochalen Veränderungen, die aber massenmedial kaum begleitet wurde. Es war die Zeit des geschriebenen Wortes, der Briefe und Zeitungen und erst um 1920 begann im deutschsprachigen Raum das Radio seinen Dienst, schleppend, so dass es ab 1933 von den Nazis gepuscht und zum Volksempfänger ausgebaut wurde und eh man sich versah, war schon wieder Weltkrieg, nun in Wort und Bild begleitet und von breiten Schichten empfangen. Je direkter und lebendiger das Medium, um so stärker der massensuggestive und -regressive Effekt. Noch einmal pflügte der neue Weltkrieg alles um, inklusive aller menschlichen und moralischen Imperative.

Ungefähr 45 Jahre war aus der Perspektive von Krieg und Frieden Ruhe in Europa, ausgerechnet uns Deutschen gelang später eine unblutige Revolution, doch im damaligen Jugoslawien entstand mitten in Europa wieder ein Krieg. Damals war das, gefühlt, noch eher der Osten, die entfernten Balkanstaaten, irgendwie weit weg, auch wenn man dort zuvor gerne Urlaub machte. Eine Tragödie, die noch immer nicht aufgearbeitet ist, doch im Rest von Europa eher am Rande wahrgenommen wurde, wenn auch schon vom Fernsehen begleitet, wodurch uns das Geschehen noch einmal näher rückte. Davon abgesehen, lebten die meisten Menschen im deutschen Sprachraum in einer Zeitspanne nahezu einzigartigen Friedens. Noch vor kurzem gab es bei uns Menschen die in ihrem Leben drei Kriege erleben mussten und nun ist seit über 70 Jahren Ruhe. Wie haben wir diese Zeit genutzt?