Filme wie »Secretary« und »Shades of Grey – Geheimes Verlangen« haben die sexuelle Spielart »BDSM« aus der Ecke der Abtrünnigen geholt und »salonfähig« gemacht, dennoch steht aus psychologischer Sicht zur Diskussion, ob unter Umständen Gefahren von »BDSM« für die Psyche bestehen könnten.
Im Interview mit Alex (36 Jahre alt, Unternehmensberater und seit circa dreizehn Jahren »Dom«) hat »psymag.de« erarbeitet, welche Gefahren von »BDSM« ausgehen könnten und was eine gesunde »BDSM«-Beziehung auszumachen scheint.
»BDSM« – Was ist das eigentlich?
»BDSM« ist, kokett ausgedrückt, in aller Munde. Könntest du kurz beschreiben, was es damit auf sich hat?
Unter der Abkürzung »BDSM« werden allgemein sexuelle Vorlieben zusammengefasst, die dominante beziehungsweise submissive (unterwürfige) Verhaltenweisen beinhalten. Andere Begrifflichkeiten dafür sind: »Kinky Sex«, »SM«, »DS« usw. »BDSM« steht für »Bondage & Discipline«, »Dominance & Submission« sowie »Sadism & Masochism« und bezieht sich unter anderem auf zum Beispiel Knebel- und Fesselungsspiele, die Lust am Schmerz sowie die Disziplinierung (Belohnung/Bestrafung) des submissiven Partners. Vor allem geht es darum, gemeinsam seine Lust auszuleben. Egoismus ist dabei fehl am Platze. Beide Partner sollten von dieser Spielart profitieren. Was zur Palette von »BDSM« gehört und was nicht, ist, wie so häufig, auf einem Kontinuum angesiedelt. Die einen bevorzugen sanfte Anleihen davon, wie einen Klaps auf den Po, andere dagegen praktizieren härtere Vorgehensweisen, wie zum Beispiel die gezielte Reduktion der Atmung für eine gewisse Zeit.
Gefahren von »BDSM«
Doch gerade der extremere Pol dieses Kontinuums ist es, der die Gefahren von »BDSM« bergen kann, nämlich dann, wenn Unerfahrenheit und Selbstüberschätzung mit ins Spiel kommen. Oder?
Ganz recht. Gefahren von »BDSM« sind, vor allem bei unerfahrenen beziehungsweise weniger psychisch gefestigten Partnern, durchaus denkbar. Sie bestehen vor allem dann, wenn man die eigenen Grenzen und die des Partners nicht kennt beziehungsweise überschreitet. Vor allem was die Dauer sowie die Stärke der Schmerzzufügung betrifft sowie zum Beispiel etwaige Techniken der Atemreduktion, bedarf es unbedingt eines kundigen »Doms«.
Mögliche Gefahren von »BDSM«:
- Verschwimmen der Grenze des spielerischen Verlusts der sexuellen Selbstbestimmung
- Gewaltmissbrauch, Vergewaltigung, Manipulation
- Übertreten der persönlichen Grenzen, mangelnder Respekt vor dem Partner
- Selbstaufgabe, übertriebene Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse zugunsten des Gefallens
- psychischer Leidensdruck, Aufnahme schadhafter Gedanken in Bezug auf das Selbstkonzept: »Ich bin jemand, der gerne schlägt.«, »Ich verdiene es, bestraft zu werden.«
- Übertreten körperlicher Grenzen, kein vorsichtiges Herantasten an den Schmerz, ernsthafte körperliche Schädigungen (Nichtbeachtung der Schmerzschwelle, Atemreduktion)
- ggf. »Konditionierung« des Lustschmerzes, kein Erlangen sexueller Befriedigung außer über Erniedrigung und Schmerz
Entgegenwirken der Gefahren von »BDSM«
Wer »BDSM« praktizieren möchte, läuft auch immer Gefahr, auf extreme Persönlichkeiten zu treffen, deshalb braucht die Lust am Schmerz verantwortungsvolle Mitspieler. Was denkst du darüber?
Auf jeden Fall. Und die Szene ist sich durchaus dieser Verantwortung bewusst. Bezeichnungen wie zum Beispiel »Gentledom«, einer Plattform für verantwortungsvolles Praktizieren von »BDSM«, machen dies deutlich. Man möchte sich von diesen angesprochenen schadhaften pathologischen Ausprägungen abgrenzen.
Worauf sollte demnach der submissive Part achten, wenn er auf der Suche nach einem dominanten ist?
Um möglichen Gefahren von »BDSM« zu entgehen, sollte ein vorsichtiger, offener und respektvoller Umgang miteinander vorausgesetzt werden. Doch leider gibt es immer wieder Fälle, bei denen dies nicht gewährleistet ist. Ich habe auf Partys gesehen, dass ungeübte »Doms« die Grenzen ihrer »Subs« deutlich übertreten haben, bis hin zur unbemerkten Ohnmacht einer »Sub«. Auf der anderen Seite kenne ich »Subs« in meinem Bekanntenkreis, die Gefahr laufen, mehr auszuhalten, als es ihnen recht ist, nur um dem »Dom« zu gefallen. Die Wahrung der eigenen Grenzen sowie der Grenzen des anderen muss meiner Meinung nach immer wieder hinterfragt werden. Um auch auf die extremen Persönlichkeiten zurückzukommen: Der submissive Part sollte die Wahl seines »Doms« sorgfältig prüfen, da er sich körperlich und psychisch ein Stück weit in dessen Obhut begibt. Sich eine gemeinsame Ebene, Vertrauen und Stabilität zu erarbeiten, steht dabei unter anderem im Vordergrund.
Welche Punkte sollten also beim Eingehen einer »BDSM«-Beziehung Berücksichtigung finden?
Das Befolgen einiger Spielregeln, um eventuellen Gefahren von »BDSM« entgegenzuwirken, scheint für mich unabdingbar zu sein:
- offene Kommunikation und bedingungslose Ehrlichkeit
- vertrauensvoller Umgang miteinander
- Klärung der Grenzen vorm Start der »Sessions«
- Abklären und Herantasten an die jeweiligen Spielarten, Heranführen an den Schmerz, ggf. durch Wechsel zwischen lust- und schmerzvollen Elementen
- Einlassen auf den Partner, Gespür für dessen Grenzen kennenlernen, Empathie
- sexuelle Spielart als solche herausstellen, für sich und den Partner, nach Ende der »Session« einfühlsames Herausbegleiten aus dieser
- ggf. auch Praktizieren anderer sexueller Spielarten, zum Beispiel »Vanilla«-Sex (»Blümchen«-Sex) zur Stärkung des gleichwertigen Verhältnisses zwischen zwei Partnern
Zum Abschluss des Interviews. Wie würdest du deine spezielle Art des Auslebens von Sexualität benennen/umschreiben? Auf den Punkt gebracht, sozusagen.
Unter Berücksichtigung der im Interview genannten Aspekte gibt es tatsächlich eine Maxime, die meine Art zu leben, umschreibt: Als Gentleman beschütze ich eine Frau, ich bin höflich zu ihr und umsorge sie, bis ich mit ihr allein bin.
Vielen Dank für das Interview!
Nachdem einige Gefahren von »BDSM« diskutiert worden sind, wird im nächsten Teil unserer Serie zu »BDSM & Psyche« der klinisch-psychologische Blickwinkel genauer betrachtet: Wann spricht man von einer Vorliebe für »BDSM« und welche diagnostische Abgrenzung existiert demgegenüber zu einer krankhaften Neigung?