Kind mit Maske

Depersonalisation: Wenn der Körper sich nicht wie der eigene anfühlt © Daniel Stark under cc

Neben sich stehen, eine Empfindung, die Anna K. (33) kennt und die sie ängstigt. Die Betriebswirtschaftlerin hat Angst davor, nie wieder einen Zugang zu sich selbst finden zu können, immer ein Gefühl von Watte im Kopf zu haben, so als wäre alles dicht, so als sähe sie von außen auf ihr eigenes Leben. Umschreibungen für ein- und dasselbe Phänomen: Depersonalisation.

Depersonalisation: Was ist das?

So wie Anna geht es einigen Menschen. Und Depersonalisation hat viele Facetten und unterschiedliche Schweregrade. Irgendwie neben sich zu stehen, ist ein Zustand, den fast jeder kennt. Oft geht dieser einher mit Überlastung, bis hin zu Burnout, so wie bei Anna K. Neben Stress ist auch Übermüdung ein Faktor für dieses Phänomen.
Um Depersonalisation beziehungsweise das Gefühl, neben sich zu stehen, besser nachvollziehen zu können, sind an dieser Stelle Umschreibungen Betroffener aufgeführt:

»Es ist, als wäre ich nicht mehr in mir, meine Handlungen laufen automatisch ab. Ich funktioniere nur noch.«
»Ich fühle mich abgeschnitten von der Außenwelt. Habe das Gefühl, verrückt zu werden.«
»Alles fühlt sich fremd an, unwirklich, als läge ein Schleier auf meinem Gesicht.«

Neben sich stehen: Ab wann klinisch relevant?

Kind faengt Seifenblasen

Derealisation: Wenn die Welt unwirklich erscheint © Jeff Kubina under cc

Die meisten Menschen erleben im Laufe ihres Lebens einen Zustand der Depersonalisation beziehungsweise Derealisation (Universitätsmedizin Mainz, 2015), das heißt, dass sie sich selbst oder ihre Umwelt als nicht zu sich zugehörig empfinden. Zumeist ist dieser Zustand allerdings von kurzer Dauer. Die oben genannten Punkte können Ursachen dafür sein. Auch bei Alkoholkonsum kann der Eindruck entstehen, neben sich zu stehen beziehungsweise »nicht in dieser Welt zu sein«. Klinische Relevanz hat dies jedoch noch nicht.
Bei etwa einem Prozent der Allgemeinbevölkerung jedoch kann von einem Depersonalisations-Derealisationssyndrom gesprochen werden (Michal, 2013) – ein Zustand, der Wochen, Monate andauern kann.

Depersonalisations-Derealisationssyndrom

Gemäß dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information wird das Depersonalisations- und Derealisationssyndrom im ICD-10, dem psychiatrischen Klassifikationssystem, unter »Andere neurotische Störungen« eingeordnet und kann meistens durch folgende Kriterien charakterisiert werden (vgl. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2015; Universitätsmedizin Mainz, 2015):

  • Veränderungen der Qualität des Denkens, der Wahrnehmung des Körpers oder der Umgebung; werden als unwirklich, wie in weiter Ferne oder automatisiert erlebt; Umgebung oder bestimmte Objekte können farblos/stumpf/verzerrt aussehen; Umgebung wirkt wie eine Bühne, auf der die anderen spielen; man hat das Gefühl, in einem Schauspiel mitzuspielen
  • Verlust von Emotionen; Entfremdung und Loslösung vom eigenen Denken, vom Körper oder von der umgebenden realen Welt; Emotionen und Bewegungen werden als nicht zu einem zugehörig betrachtet; Gefühl von Verlorensein
  • Betroffene sind sich der Unwirklichkeit dieser Veränderung bewusst
  • Sensorik/Empfindungsvermögen ist normal, die Möglichkeiten des emotionalen Ausdrucks sind intakt
  • Depersonalisations- und Derealisationsphänomene können zum Beispiel im Rahmen einer schizophrenen, depressiven, phobischen oder Zwangsstörung auftreten

Zu erwähnen ist, dass nicht alle Umschreibungen zwingend zutreffen müssen. Neben dem Gefühl der inneren Loslösung von sich selbst (Depersonalisation) beziehungsweise dem Gefühl von einer unwirklichen Umgebung (Derealisation) besteht trotz allem die Einsicht, dass die Veränderungen nicht von außen getriggert sind (wie es etwa bei einer Schizophrenie der Fall sein könnte). Bei der Diagnostik des klinisch relevanten »Neben sich stehens«, des Depersonalisations- und Derealisationssyndroms, sollte also vor allem auch der Fokus auf einer Ausschlussdiagnostik liegen, um andere möglicherweise im Vordergrund stehende Störungen ausklammern zu können, wie im nächsten Teil unserer Serie zur Depersonalisation veranschaulicht wird.

Quellen: