Mädchen mit Puppe in der Ecke eines verlassenen Zimmers

Ein Raum in dem Ängste wachsen. © TheGuycalledDennis/Dennis Schwarz under cc

Die faszinierende Seite der Angst hatten wir bereits in diesem psymag.de Beitrag vorgestellt, doch die Angst hat noch weitere Seiten und die aller dunkelste ist die unerträgliche Angst, die uns in zwei oder drei verschiedenen Formen begegnet. Bevor wir uns dem widmen, müssen wir zunächst Angst von Furcht oder Phobien unterscheiden.

In der Furcht oder den Phobien gibt es ein bestimmtes furchtbesetztes Objekt. Spinnen oder Dunkelheit, Fahrstühle oder Menschenmassen, was auch immer es ist, das Objekt ist bekannt und wenn es nicht da ist oder nicht die Aussicht besteht ihm zu begegnen ist die Furcht oder Phobie auch verschwunden und man kann ein mehr oder weniger normales Leben führen. Doch wenn die Angst sich von einem oder mehreren konkreten Objekten oder Situationen löst, verschlimmert sich die Situation enorm und von einem normalen Leben ist nicht mehr zu reden. Aus einer halbwegs kontrollierbaren Phobie oder Furcht, wird unerträgliche Angst.

Generalisierte Angststörung

Man spricht dann von einer generalisierten Angststörung oder frei flottierender Angst und es ist nicht etwa so, dass die Angst, die nun nicht mehr konkret ist, schwächer oder irgendwie verdünnt wäre, sondern es ist ganz im Gegenteil: die Intensität der Angst wächst, ins Unerträgliche. Man hat nicht Angst vor allem, sondern Angst wird zum ständigen Begleiter, man könnte sagen, eine Hintergrundmusik in dunklem Moll. Doch das klingt noch immer zu lieblich, eher ist es eine tiefe Dissonanz, sind es Misstöne, die alle Erfahrungen begleiten, das ganze Leben durchziehen. Es gibt phasenweise nichts mehr, was Menschen mit generalisierter Angst noch unbeschwert erleben können, gerade weil die Angst nicht konkret ist. Überall lauert eine abstrakte Gefahr, die aber zu einer realen Angst führt. Dennoch können konkrete Furchtsituationen und diffuse Ängste ineinanderfließen und zusammen auftreten.

Diese überall lauernde Angst kann man nicht meiden, man kann nicht vor ihr weglaufen. Es gibt wenige Phasen der Entspannung oft genug jedoch drückt die Angst, wie ein nicht enden wollender Albtraum und verfinstert das Lebens. In der Schreckenshierarchie bekommen solche Störungen einen Rang ganz weit oben. Eine Angstpatientin, die an einer Borderline-Störung litt, bei der die frei flottierende Angst zum Symptombild gehört und zugleich Krebs hatte, sagte, dass sie all ihre Ängste und Leiden im Zusammenhang mit ihrer Krebserkrankung als belanglos empfand, im Vergleich zu ihrer Angst. Zwar erlebt jeder Leid anders, aber allgemein wird Angst als äußerst belastend angesehen. Denn eigentlich ist Angst ein Alarmzustand des Körpers und der Psyche, der Gefahr melden soll. Dieser Ausnahmezustand nistet sich plötzlich dauerhaft ein, ohne dass einem klar wäre, wo konkrete Gefahr lauert. Es ist die latente Angst, dass immer etwas passieren kann. In diesem Sinne ist sie real, weil tatsächlich stets Unheil passieren kann, aber mit diesem Restrisiko können die meisten Menschen problemlos leben. Doch wie bei Menschen mit chronischen Schmerzen, diese auch dann noch da sind, wenn der eigentliche Auslöser verschwunden ist, so verselbstständigt sich hier die Angst.

Menschen mit unerträglicher Angst sind Spezialisten für drohende Gefahren und bauen sich, wenn sie besonders „begabt“ sind, manchmal nahezu ausweglose Szenarien, die eine Reduktion der Angst schwer machen. Einer guter Tipp gegen Angst ist, sich beim Sport auszutoben, aber wenn man zugleich eine Herzneurose hat und denkt, dass körperliche Anstrengung zum baldigen Tod führen wird und man jeden kräftigeren Herzschlag bewusst miterlebt, verbaut man sich, ohne es zu wollen, Lösungen. Vor allem hat man nie das Gefühl in Sicherheit zu sein. Was, wenn der Rettungswagen der mich ins Krankenhaus bringen könnte einen Platten hat oder der Fahrer plötzlich einen Infarkt bekommt? Diese Angstszenarien sind nie vollkommen absurd, nur extrem unwahrscheinlich. Aber das reicht, damit sich die Angst darin verbeißen kann und nicht mehr loslässt. Immerhin etwas, was man deuten und damit sich selbst besser verstehen kann, wir kommen drauf zurück.

Panikattacken

In Panikattacken erlebt die frei flottierende Angst eine gelegentliche Konkretisierung, fast wie ein Gewitterdruck, der sich irgendwo im Blitz entlädt. Jedoch bringt die Panikattacke keine Erlösung, sondern verschlimmert oft sogar die Situation. Die sexuelle Spannung legt sich beim Orgasmus, doch die Panikattacke hat keine Orgasmusqualität. Man entspannt sich nicht, sondern ist noch verwirrter und verunsicherter. Denn nun ist die Angst zwar ganz unmittelbar da, aber dennoch besteht eigentlich noch immer kein Grund. Man liegt vielleicht gerade im Bett, betritt ein vollkommen harmloses Geschäft und unversehens ist da plötzlich diese überwältigende Angst.

Die Panikattacke ist vielleicht die grauenhafteste Form, die die unerträgliche Angst annehmen kann. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie mit dem überwätigenden Gefühl verbunden ist augenblicklich wahnsinnig zu werden oder zu sterben. Man weiß nicht, wo man hin soll, denn es gibt keinen sicheren Ort. Von Borderline Patienten wird berichtet, dass sie manchmal extreme Reize gegen ihre dissoziativen Phasen brauchen, in denen sie durch Schmerzen oder Tobsuchtsanfälle wieder zu sich kommen und auch bei Panikattacken ist manchmal der Impuls da sich in extreme Situationen zu bringen, um zu merken, dass man da ist oder um die an sich grundlose Panik gegen eine begründbare einzutauschen. Denn, das was sonst Angst macht, wird in der Panikattacke manchmal wie eine Erlösung empfunden. Was könnte auch schlimmer sein, als das Gefühl zu haben, augenblicklich vernichtet zu werden?

Angst und Depression

Angst und Depression treten häufig zusammen auf. Der Zusammenhang wird neurochemisch oft darin gesehen, dass das Gehirn in einigen Regionen mit dem Neurotransmitter Serotonin unterversorgt ist. Serotonin hebt die depressive Stimmung und ist auch für die Regulation von Ängsten und Impulsen zuständig. Doch auch der an sich nicht depressive Mensch kann unter dem Einfluss andauernder lähmender Angst, gewürzt mit gelegentlichen Panikattacken, die Lust am Leben verlieren und in eine dann reaktive Depression rutschen.

Woher kommt die unerträgliche Angst?

An dieser Stelle ist es wichtig Angst, Trauma und Furcht sauber zu trennen.

  • Die Furcht oder Phobie bezieht sich auf ein spezifisches Gebiet was und es kann eine effektive Therapie sein, sich diesem Gebiet oder Thema unter Anleitung eines Therapeuten wieder zu nähern, sich zu konfrontieren.
  • Angstbesetzte Flashbacks (das plötzliche fragmentarische Wiedererleben von traumatischen Erlebnissen, die durch Umweltreize ausgelöst werden können) können im Rahmen von Traumatisierungen auftreten. Ein Trauma ist eine einmalige, überwältigende Situation die von der Psyche nicht adäquat integriert werden kann. Traumata können im Rahmen eigener Traumatherapieformen gelindert werden.
  • Die generalisierte Angst und die Panikattacken haben als Ursache oft eine Ich-Schwäche.

Ich-Schwäche ist jedoch auch nur ein Begriff. Nicht alles, was wie ein starkes Ich erscheint, ist auch eines, wir sind im Rahmen von psymag.de in Wie wichtig ist ein starkes Ich? näher auf diesen Punkt eingegangen. Die Ich-Schwäche habe ich in „Angst und Ich-Schwäche“ (leider derzeit nicht online verfügbar) näher erläutert. Darum gleich zum Punkt:

Was hilft gegen unerträgliche Angst? Der Baukasten

Jemand übernimmt die Verantwortung

Das ist eine Art erster Hilfe, die man erlebt, wenn man in der Gesellschaft von Menschen oder Institutionen ist, denen man vertraut. Das kann die Notfallambulanz, ein Psychologe, Arzt, aber auch ein guter Freund oder eine selbstsichere oder einfühlsame Person sein. Diese übernimmt stellvertretend die Verantwortung, die man aktuell selbst nicht tragen kann. „Bitte kümmere dich um mich, ich schaffe es im Moment nicht“, ist die Botschaft dahinter.

Vertrauen

Traut man sich zu, die Verantwortung selbst zu übernehmen ist es ungeheuer hilfreich, wenn man in einem Umfeld ist, dem die Angststörung des Betroffenen in groben Zügen bekannt ist und zu dem man vertrauen hat, in der Weise, dass auf den Betroffenen Rücksicht genommen wird. Hier ist die Nähe zum sekundären Krankheitsgewinn oder sogar zur emotionalen Erpressung jedoch nahe, so dass man aufpassen muss, hilfreiche Menschen nicht auszusaugen und zu überfordern. Aber so eine kleine Insel des Vertrauens kann Gold wert sein.

Ablenkung

Psychische Störungen sind in aller Regel Beziehungsstörungen, nicht im engen Sinne der Paarbeziehungen, sondern Beziehungen im Allgemeinen. Partner, Freunde, Eltern, Arbeitskollegen sind hiermit gemeint. Wenn Ablenkung erleichtert und die Symptome dämpft ist das nicht nur bei der Angst ein gutes Zeichen, denn dann ist ein Wunsch nach intakten Beziehungen vorhanden. Weniger gut ist es, wenn jemand nur noch durch und über seine Symptome kommuniziert, wie wir das bei hartnäckigen Form der Hypochondrie beobachten können.

Wut und Mut

Starke Emotionen sind in der Lage die Angst für eine gewisse Zeit zu überlagern. In diesen Situationen kann ein Mensch, der unter Angst leidet, sogar unter überwältigender Angst, diese überwinden und in diesen kostbaren Situationen kann der Knoten platzen und es können Weichen für eine angstfrei(er)e Zukunft gestellt werden. Denn was einmal klappt, funktioniert auch wieder.

Begeisterung

Wenn man es schafft für ein Thema Feuer und Flamme zu sein, kann man auch große Ängste überwinden. Grund genug sich nie auf seine Symptome reduzieren zu lassen und sich zwar zu seiner Angst zu bekennen, aber sich nicht einzig und allein über sie zu definieren. Und damit vielleicht ein Antrieb, aus dem eigenen Kokon auszubrechen und sich begeisternde Tätigkeiten zu suchen, eine der schönsten ist, sich zu verlieben.

Man erkennt die Hintergründe

Wenn man sich alle Wege verstellt, die normalerweise funktionieren und beruhigen, wird bei aller Verzweiflung die eine solche Situation auslöst auch ein gewisser Besonderheitsanspruch deutlich. „Mag ja sein, dass das bei anderen funktioniert, aber eben nicht bei mir.“ Die Normalität kommt Menschen mit unerträglicher Angst nicht sicher genug vor, in ihrer Phantasie ist die Ausnahme die Regel. Man kann auch die Phantasie entwickeln, dass die Angst, mit der man sich nicht gebührend ernst genommen fühlt, vielleicht dereinst zum Tode führt und man dann zwar gestorben ist, aber wenigstens sehen die anderen am Ende, dass man Recht hatte und wie es wirklich um einen stand. Ein leises Gefühl des Triumphs.

Aber kann es wirklich darum gehen, dass man lieber tot wäre, als unterlegen zu sein und nicht Recht zu bekommen? Ja, das kann es geben und es weist in die Richtung einer gefühlten Selbstwichtigkeit, gegen die man zwar aktuell wenig machen kann, aber langfristig. Und sei es nur, dass man jetzt den wunden Punkt erkennt, den, der vielleicht sogar einen Teil der Angst speist. Immerhin ist man dann insofern einen Schritt weiter, als die Angst und Panik zwar weiter aus heiterem – naja, oder dauernd verhangenem – Himmel kommen, aber man kennt schon mal in Konturen das Thema dahinter und fischt nicht mehr völlig im Trüben. Denn dass es im Zusammenhang mit der eigenen Thematik allzeit um eine Frage von Leben und Tod geht, ist für Menschen mit unerträglicher Angst oft wichtig, denn sie empfinden es so. Der verständliche Wunsch ernst genommen zu werden – wenigstens jetzt – zeichnet sich im Hintergrund ab und diese Angst, nicht ernst genommen und übergangen zu werden hat vielleicht eine ganz reale Geschichte. Auch der kann man nach gehen.

Wertschätzung für das eigene Ich lernen

Unlängst hörte ich in einem Radiointerview eine Frau, die Knastinsassen beibringt ihre Zelle persönlich und menschenwürdig zu gestalten und sauber zu halten. Eigentlich vollkommen unwichtig, könnte man meinen, wo man doch schon der Freiheit, einem seiner wichtigsten Güter, beraubt ist. Doch ihre Botschaft war, dass dies ein Akt der Wertschätzung für das eigene Ich ist. Ordnung und Sauberkeit, das klingt so bieder und unattraktiv und doch gibt die Wertschätzung für die eigene Umgebung dem Ich etwas dvonn zurück, denn man selbst ist von dem Ort den man gestaltet nicht getrennt. Gerade wenn man Wertschätzung von außen nie erfahren hat, ist es umso besser, wenn man irgendwann selbst den ersten Schritt macht.

Selbstvertrauen und Selbstakzeptanz

Diese Wertschätzung erhöht auch das Selbstvertrauen und die Selbstakzeptanz. Für manche Angstpatienten ist es ungewohnt, dass es um sie und ihre Bedürfnisse überhaupt gehen könnte, was dazu führt, dass sie diese oft gar nicht kennen, weil sie in ihrem Leben bisher nie danach gefragt wurden. Vielleicht erlaubte die Lebenssituation es nicht, vielleicht wurde aus Desinteresse nie danach gefragt. Möglicherweise war es ein stilles Gebot, dass man funktionieren oder für andere da sein musste, die scheinbar wichtiger waren. „Und was ist mit mir?“, könnte man fragen, aber wenn diese Frage nie im Raum stand, kann man nicht lernen, dass man selbst und die eigenen Bedürfnisse eben auch befriedigt werden wollen und dürfen. Darum ist der erste Schritt sich selbst, die eigenen Bedürfnisse, Abneigungen und Freuden kennen zu lernen, sich selbst immer genauer kennen zu lernen. Das ist der Weg aus der Identitätsdiffusion, die mit der Ich-Schwäche einhergeht.

Erdung

Erdung ist ein wichtiger Punkt und bedeutet an dieser Stelle, sich einen oder noch besser mehrere Bereiche, Inseln zu schaffen, die vergleichsweise oder sogar weitgehend angstfrei sind. Das geht zum einen dadurch, dass man die eigene Widerstandskraft erhöht. Eine Verbesserung der körperlichen Fitness ist ein guter Punkt, aber auch, wenn man alle philosophischen und spirituellen Höhenflüge für eine gewissen Zeit einstellt. Zumindest solche, die die Psyche verwirren und emotional aufputschen. Was gut tut ist einfache und körperliche Arbeit und einen gewisse Bodenständigkeit. Deftiges und schweres Essen und Übungen, bei denen man Spannungen ablassen kann oder den Körper spürt.

Disziplin

Mit Disziplin kann man Ängste, Süchte und auch andere psychische Erkrankungen tatsächlich überwinden. Einfach in dem man konsequent seinen Weg geht und sich nicht beirren lässt. Bei allen Schwierigkeiten die man eventuell mit bestimmten Therapieformen haben kann, spielt doch die Disziplin und das Üben bei der Überwindung der Ängste eine entscheidende Rolle. Manche Dinge muss man einfach immer und immer wieder machen, nicht zig mal nacheinander, sondern täglich oder zumindest in regelmäßigen Abständen, bis man dann in Eigenregie die Abstände vergrößern kann. Sich auf diese Weise zu fordern, aber nicht zu überfordern, führt dazu, dass man etwas in eigener Verantwortung macht und dabei sich und die eigene Grenzen besser kennen lernt.

Konzentration

Ein häufiges Problem bei unerträglicher Angst ist das gefühlte Bombardement der Reize und Eindrücke. Irgendwie ist alles zu viel: Stimmen, Gewusel, Gerüche, man ist extrem dünnhäutig und reizbar und möchte eigentlich nur weg. Wenn man lernt sich wieder auf einzelne Eindrücke zu konzentrieren und die anderen zurückzuweisen, ist das ein großer Gewinn. Auch hier ist entspanntes aber diszipliniertes Üben der Weg. Was fühle ich ich jetzt genau und wo? Wie fühlt sich das Sitzen an, wie die Luft auf der Haut, kann ich meinen Arm spüren? Was höre ich in diesem Moment und was, wenn ich immer intensiver lausche? Wonach riecht es hier? Und so weiter.

Nein-Sagen

Zu einem Ich gehört, dass es Grenzen hat und zu diesen gehört, dass man sich ihrer bewusst ist und sie schützt. Das heißt sich abzugrenzen und auch mal Nein zu sagen, etwas, was viele Menschen mit Angst nicht gut können, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Aber man muss nicht alles mögen, nicht alles mitmachen und nicht ständig für alle da sein. Soagr in der Partnerschaft gilt es Grenzen zu wahren, was schwer ist, wenn man sich angstbedingt in einer schwachen und abhängigen Position wähnt, aber es ist es ist ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung des Ich, der irgendwann mal gegangen werden sollte.

Meditation

Zwar kann es geraten sein spirituelle Techniken und Grübeleien eine gewisse Zeit einzustellen, aber es gibt auch sehr erdende spirituelle Techniken. Kurze Meditationen des Typs der Achtsamkeits- oder Zen-Mediation sind solche Techniken, aber auch aktive oder geführte Imaginationen von eigenen Phantasie-Orten der Ruhe und des Glücks. Was man in der Meditation ebenfalls lernen kann, ist, neben der Konzentration, die Dinge im wahrsten Sinne auszusitzen. Man lernt nicht zu reagieren, abzuwarten und einfach weiterzuatmen und wenn man dies sehr intensiv betreibt kann das sogar dazu führen, dass man seine Ängste verliert, vergleiche auch: Heilige und Psychopathen

Den eigenen Weg finden

Da Ängste das Selbstvertrauen untergraben ist es wichtig, dass man seinen eigenen Weg findet. Das kann mit therapeutischer Hilfe geschehen und ein guter Therapeut wird stets respektieren, dass der Klient seinen Weg finden muss. Doch den eigenen Weg zu gehen, heißt auch für das eigene Leben Verantwortung zu übernehmen, ein wichtiger Aspekt im Leben und besonders wichtig wenn man unter unerträglicher Angst leidet. Es gibt so gut immer einen Weg, den man gehen kann, wenn man sich traut, zu sich zu stehen, was für Menschen mit Angst oft schwerer ist, als es klingt.

Manchmal kann es auch ein Umweg oder eine ganze Kette von Umwegen und Zufällen sein. Wer eine große Angst aus irgendwelchen Gründen aktuell nicht konfrontieren kann, der kann auf anderen Ebenen weiter kommen und Erfolge einfahren, Dinge tun, auf die man stolz sein kann, Themen und Menschen finden, die einem wichtig sind. Das stabilisiert und es kann sein, das eine ehemals unünberwindlich scheinende Hürde später dann sogar mit Leichtigkeit genommen wird.

Kreativität

Wer es schafft sich nahezu ausweglose Angstszenarien zu bauen, der ist ein kreativer Mensch und kann demzufolge auf seine Kreativität bauen. Mann kann sie nutzen, um sich das Leben schwer zu machen, aber eben auch dazu, eigene Lösungen zu finden, solche, die haargenau zu einem passen. „Ich weiß, dass ich mir eigentlich keine Sorgen machen sollte, weil die Sorgen den Stress und die Angst nur vergrößern, aber nicht mal dazu bin ich in der Lage und das macht mir noch mehr Angst.“ Von der Lösung ist man wie durch eine Wand getrennt, aber es ist eine, die aus Pergamentpapier ist. Sie ist zum Greifen nah.

Humor und eine ironische Distanz

Angst und Stress sind jedoch selbst hemmend für die Kreativität. Es ist gewiss nicht leicht auf unerträgliche Angst mit Humor zu reagieren, aber es geht auch nicht darum schallend zu lachen – wobei auch das befreien kann – sondern die Kurve zu einer ironisch-distanzierten Betrachtung des ganzen Geschehens zu kriegen. Sich mit seiner Angst systematisch schachmatt zu setzten und auf jeden Versuch der Beruhigung eine noch bessere Antwort zu finden, die diesen Versuch sabotiert ist auf der einen Seite selbstzerstörerisch, doch auf der anderen auch ein kreativer Akt, der in seiner Intelligenz beeindruckend ist. Geht man dem halbwegs wertfrei nach kommt man an einen interessanten Punkt: Menschen mit unerträglicher Angst können sich selbst nicht vertrauen, darum haben sie Angst. Gleichzeitig sind sie aber oft nicht bereit anderen Menschen zu vertrauen und überbringen diesen die offene oder verdeckte Botschaft, dass sie selbst sehr genau wissen, was gut und richtig ist, oft viel besser, als alle anderen. Wie passt das eigentlich zusammen? Zumindest ist die Doppelbotschaft nicht so wahnsinnig überzeugend, so dass man, an diesem Punkt angekommen, überlegen kann, ob man nicht doch ein klitzekleines Fenster des Vertrauens öffnen könnte und möchte. Sich destruktiv für die eigene „Unfähigkeit“ zu verdammen bringt an dieser Stelle nichts, ist aber ein beliebtes Muster, was den eigenen Selbstwert weiter untergräbt.

Die erzwungene Ruhe nutzen

Es bringt nicht viel darüber zu lamentieren, was jetzt alles nicht mehr geht, man aber gerne machen würde, besser ist es das zu machen, was noch möglich ist. Vielleicht erfordert die Angst sogar einen radikal anderen Lebensstil, da alles was früher ging nun entweder gar nicht mehr geht oder zumindest seine Leichtigkeit und Unbeschwertheit verloren hat. Aber es kann einem niemand verbieten Spaß an den neuen Möglichkeiten zu finden, die sich da auftun. Vielleicht sind die langen Nächte in Clubs und auf Tanzflächen nicht mehr drin, vielleicht fallen ausgedehnte Urlaube eine Zeit lang flach, aber gerade in der vermeintlichen Reduktion eröffnen sich eigene Welten. Es ist anfangs sicher oft zu viel verlangt, der Erkrankung dankbar zu sein, oder sogar einen Sinn in ihr zu sehen, zumal gerade Angst und Panik im Ausmaß des Leides, was sie verursachen kaum überschätzt werden können. Doch nach Jahren kann auch eine erzwungene Wende im Leben durchaus ambivalent und in einigen Fällen sogar positiv gesehen werden.

Fazit

Der Schrei von Munch

Ein Bild des Entsetzens, das sich in die kollektive Psyche eingebrannt hat. Wikimedia Commons under gemeinfrei

Unter großer und oft unerträglicher Angst zu leiden ist eine grauenhafte Situation. Es geht hier nicht um plötzliche auftretenden Phobien, die oft verhaltenstherapeutisch schnell und effektiv behandelt werden können. Bei tiefsitzenden Ängsten ist muss man manchmal weiter ausholen und eine Verhaltenstherapie ist nicht immer angezeigt, umso mehr, je mehr die Angst mit einer Ich-Schwäche korrespondiert. Wo eine Verhaltenstherapie helfen kann, ist das wunderbar, ihre Effektivität wird zwischen 55 und 80% gesehen, was zeigt, dass es nicht wenige Fälle gibt, in denen andere Wege gesucht werden müssen. Dies soll keine Kritik an der Verhaltenstherapie sein, sondern denen, die von ihr nicht profiterten sagen, dass es diese anderen Wege gibt, die therapeutisch unter anderem auf der psychodynamischen Ebene liegen.

Der „Baukasten“ soll verschiedene hilfreiche Elemente vorstellen, die sich, wie man sieht, mitunter gegenseitig bedingen und verstärken, manchmal aber auch nicht. Wichtig ist auch hier den eigenen Weg zu finden, weil die eigenen Symptome und das eigene Befinden die persönlichsten Gradmesser sind, die man finden kann. Es ist irgendwo zwischen erstaunlich und erschreckend anzusiedeln, wie wenig man sich selbst manchmal kennt und das gilt in einem erheblichen Maße auch für Menschen mit unerträglicher Angst. Deshalb ist die scheinbar so banale Forderung sich selbst kennenzulernen so ungeheuer wichtig, eine Forderung die von einer therapeutischen Begleitung angestoßen und vertieft werden kann. Wie schon bei den Depressionen (und eine Menge weiterer Probleme) gilt es einen Sinn für Abwärts- und Aufwärtsspiralen zu entwickeln. Der Effekt ist wichtig, darum will ich ihn noch einmal beschreiben. Man ist bereits aktiv, hat vielleicht schon dieses oder jenes probiert, doch nichts funktioniert so richtig gut. Es gibt leichte Fortschritte, doch dann fällt man wieder in Löcher und ist verzweifelt. Deshalb möchte ich drei Dinge festhalten:

  • Für therapeutischen Optimismus gibt es allen Grund, auch jenseits aller Gesundbeterei.
  • Es ist wichtig vertrauen zu gewinnen und sich jenseits aller Scham helfen zu lassen, doch ebenso wichtig ist es seinen Weg zu finden und sich selbst immer mehr zu vertrauen. Die eigene Grenzen zu kennen, zu respektieren und nach Bedarf und Wunsch zu erweitern ist etwas, über das jeder selbst entscheiden sollte.
  • Die Kombination mehrerer Elemente, mögen sie noch so klein und unbedeutend erscheinen, kann über kurz oder lang zu Synergieeffekten führen, in denen die Wirkung der eigentlichen Bausteine sich vervielfältigt.

Wenn man sich seiner Individualität, ja seiner Besonderheit bewusst geworden ist und nicht nur einen Besonderheitsanspruch mit sich herum trägt, ohne so recht zu wissen, was man eigentlich will und wer man ist (ein häufiges Bild!), fällt es leichter sich dann, wenn man seiner selbst sicher ist, als einer von vielen zu sehen. Auch das ist ein wesentlicher Schritt zur Genesung und zur Angstfreiheit. Das ist nicht die Geschichte des unbedeutenden Staubkorns im All, nicht die, des einen, in einer Flut von anderen, bis zur Unkenntlichkeit reduziert, nein, das Gegenteil ist richtig: Wir sehen ein stolzes und selbstbewusstes Individuum, mit Rechten und Pflichten, Freiheit und Verantwortung und der uns allen zukommenden Würde in einem Meer anderer, denen man gleiches zuspricht. Es geht nicht darum sich gegen die Masse oder andere auszuspielen, sondern den Wert von und in uns allen zu sehen.

Der Artikel 1 unseres Grundgesetzes besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wunderschön. Ebenso gelungen formulieren spirituell verwurzelten Menschen, dass man nur dann erleuchtet ist, wenn man im anderen die Buddhanatur erkennt. Wir können jetzt anfangen diese Worte zu verstehen und mit Leben zu füllen, denn auch das lässt die Angst verblassen.