Attribute für Selbstbewusstsein

Wie wird ein Kind selbstbewusster? Nicht alles, was als selbstbewusst gilt, hat damit zu tun © Kiran Foster under cc

Damit ein Kind selbstbewusster werden kann, ist vor allem die Wahrung seiner persönlichen Grenzen wichtig. Genauso wie bei jedem Menschen ist es auch bei Kindern so, dass sie, sobald sie sich wertgeschätzt und ernst genommen fühlen, Selbstbewusstsein entwickeln und mit drohenden Unwägbarkeiten besser umgehen können.

Stabiles Inneres macht Kind selbstbewusster

Um zu verdeutlichen, wie ein Kind selbstbewusster werden beziehungsweise überhaupt Selbstbewusstsein entwickeln kann, greift der dänische Familientherapeut Jesper Juul in seinem Buch »Dein kompetentes Kind« (2003) zu einem Gleichnis. Ähnlich einer Säule, die sich im Inneren des Kindes aufbaut und seine Persönlichkeit, sein Wesen, stützt, ist die Entwicklung eines gesunden Selbstgefühls sowie daraus resultierend Selbstbewusstseins zu sehen.

Zunächst, was genau meint man mit Selbstvertrauen beziehungsweise Selbstbewusstsein?

Was ist Selbstbewusstsein?

Selbstvertrauen beziehungsweise Selbstbewusstsein (umgangssprachlich, gemäß Fröhlich, 2000) ist in der Persönlichkeitspsychologie im weitesten Sinne mit der inneren Überzeugung gleichzusetzen, mit bestehenden Schwierigkeiten aus eigener Kraft fertig zu werden. Zudem bedeutet es ein »Denken und Handeln aus der Gewissheit der Geltung eigener Wertmaßstäbe«.

Do wie erlangt man diese innere Gewissheit und Gelassenheit, wie kann ein Kind selbstbewusster werden? Eine Voraussetzung dafür ist die Entwicklung eines Selbstgefühls.

Bausteine des Selbstgefühls

Um eine solche innere Säule beziehungsweise innere Stabilität – dieses sogenannte Selbstgefühl gemäß Juul – entstehen lassen zu können, bedarf es des im ersten Teil dieser Serie beschriebenen Umgangs mit dem Kind. Dieser sowie noch weitere Punkte werden nachfolgend in Anlehnung an Juul (2013, 2014) zur Orientierung aufgeführt:

  • das Kind mit seinen Bedürfnissen, seinem Wesen, wahrnehmen, seine Gefühle akzeptieren, Ängste ernst nehmen, darauf eingehen
  • Kooperation und Gleichwürdigkeit im Umgang
  • lernen, persönliche Grenzen zu setzen, und Akzeptanz der kindlichen Grenzen – bezogen auf alle Familienmitglieder (Modelllernen!)
  • Frustrationen des Kindes auffangen und aushalten, damit es lernt mit Zurückweisung, mit eigenen Emotionen, umzugehen, dadurch Förderung von selbstregulativen Prozessen und Gewissheit beim Kind, die gerade überwältigenden Gefühle (Wut, Trotz) überstehen zu können
  • authentisch sein
  • Kind sollte sich selbst kennenlernen können, seine Interessen, seine Wesensart – Freiräume geben, Kind sollte eigene Lernerfahrungen machen können
  • gemeinsame Projekte mit Kindern, sie um Hilfe bitten
  • sicheres, liebevolles Elternhaus; sichere Bindung zu den Eltern und anderen Bezugspersonen
  • Aber(!) Eltern übernehmen letztendlich die Verantwortung beziehungsweise die Führung: Strukturierung des Alltags, Vorbereitung des Kindes auf Situationen, die schwierig werden könnten oder aber Entscheidung für Vermeidung dieser, Festlegen von Familienregeln
  • dennoch gilt grundlegend: Statt Erziehung des Kindes besser Beziehung zum Kind aufbauen und wertschätzen (Tipp: bei kniffligen Situationen vorstellen, wie man innerhalb dieser mit einem Erwachsenen umgehen würde, daran anlehnen)

Diese innere Stabilität, dieses Selbstgefühl, welches unter anderem beinhaltet, dass jemand weiß, wer er ist, und das er sich selbst wertschätzt, ist an die Entwicklung eines gesundes Selbstbewusstseins geknüpft.

Wertgeschätztes Kind = selbstbewusster Erwachsener

Säule

Gleichnis einer Säule für die innere Stabilität als Voraussetzung für Selbstbewusstsein © Blondinrikard Fröberg under cc

Um zu veranschaulichen, warum ein kooperativ und gleichwürdig erzogenes Kind ein wertvoller Bestandteil der Gesellschaft werden kann, bedarf es nicht viel, mit Ausnahme zweier hier aufgeführter Beispielstränge, die, etwas überspitzt, die Pole verdeutlichen sollen:

Ein Kind, welches selbstbewusster ist, macht sehr wahrscheinlich die Bewertung des eigenen Ichs nicht von anderen abhängig. Wenn es sich selbst vertraut und weiß wer es ist, wird es vermutlich weniger beeinflussbar von außen sein. Es hat gelernt, sich, seinen Körper und seine Identität zu schützen und für diese einzustehen sowie die Bedürfnisse anderer zu akzeptieren. – Würde ein solches Kind Gefahr laufen, sich stark an Gleichaltrigen zu orientieren und (selbst-)schädigendes Verhalten in Kauf nehmen, nur um in der Gruppe akzeptiert zu werden?

Und wie wahrscheinlich wäre dies für ein Kind, das es gewohnt ist, die Akzeptanz seiner Eltern zu erstreiten, das in seinen Bedürfnissen, in seinem Wesen, nicht gesehen wird, das keinen stabilen Selbstwert entwickeln kann, weil es sich selbst nicht kennenlernen und wertschätzen kann, einfach, weil ihm von der Elternseite machtvoll Grenzen und ein rigider Erziehungsstil aufgedrückt werden? Würde ein solches Kind nicht viel eher Gefahr laufen, nach Akzeptanz und Anerkennung bei Gleichaltrigen zu ringen und versuchen, das machtvolle Verhalten der Eltern zu kopieren und auf Schwächere anzuwenden, um ein Ventil für den eigenen Frust zu haben und Anerkennung bei anderen erreichen zu können?

Ein selbstbewusstes, in sich ruhendes Kind, eines, das gewohnt ist, in kooperativem Miteinander zu leben, das gewohnt ist, persönliche Grenzen zu akzeptieren und für sich selbst Verantwortung übernimmt, wird sehr wahrscheinlich zu einem stabilen, verantwortungsbewussten, sozial kompetenten Erwachsenen heranreifen. Dieser wird weitestgehend Herausforderungen angehen können, mit der inneren Gewissheit, diese bewältigen zu können, ohne Angst vor Misserfolg zu haben, weil er um seine stabile Mitte, seine innere Ruhe, weiß.

Mit dem gleichwürdigen Miteinander sowie der Möglichkeit zur Entwicklung des kindlichen Selbstgefühls einher geht die Bindung zu den Eltern, um ein Kind selbstbewusster werden zu lassen – ein Punkt, dem im letzten Teil unserer Serie zur Autonomiephase detaillierter nachgegangen werden soll.

Quellen:

  • Fröhlich, W.D. (2000). Wörterbuch Psychologie. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
  • Juul, J. (2013). Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist. Frankfurt am Main: S.Fischer.
  • Juul, J. (2014). Dein kompetentes Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.