Bin ich zu ängstlich? Eine Frage, die sich oftmals Menschen stellen, welche viele Unwägbarkeiten des Alltags nur mit Zaudern bewältigen. Währenddessen andere mit Gelassenheit in Meetings vorn stehen, in der Mittagspause ohne Mühe das Gespräch am Tisch gestalten oder abends Amüsements mit öffentlichen Verkehrsmitteln entgegenfahren, halten es Ängstliche eher mit der Sicherheit.
In der heutigen Zeit, in welcher über Medien die Verrohung der Gesellschaft propagiert wird, Arbeitnehmer selbstbewusst und furchtlos erscheinen müssen, ist es Zeit, sich mit der Angst als solche auseinanderzusetzen und den Gegner „Angst“ einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
„Bin ich zu ängstlich?“ oder „natürliche Angst“
Die Angst als solche hat einen natürlichen Ursprung, deutlich wird dies besonders bei der Angst vor Spinnen. Logisch betrachtet, gibt es in unseren Breitengraden eigentlich gar keinen Grund, um Angst vor Spinnen zu haben. Dennoch zählen gemäß der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Robert-Koch-Institut, 2004) Tierphobien, allen voran die Spinnenphobie, zu einer der häufigsten spezifischen Phobien – der Grund dafür ist genetischer Natur und absolut natürlich.
Prädisposition für spezifische Angstauslöser
In Bezug auf Spinnen und ähnlichem gibt es sogenannte Prädispositionen, d.h. evolutionsbedingte Veranlagungen des Menschen, bei bestimmten Reizen sehr schnell eine gewisse Vorsicht zu entwickeln. Diese Vorsicht ist genetisch verankert und war in der gesamten Evolutionsgeschichte überlebenswichtig, denn wenn auch nicht in unseren Breitengraden, so sind Spinnen nicht immer für den Menschen ungefährlich. Und dieses Wissen ist es, was im Menschen verankert ist und die Angst vor Spinnen so häufig auftreten lässt.
In Watsons umstrittenen Konditionierungsexperimenten der zwanziger Jahre (vgl. z.B. Smith et al., 2007) konnte man zeigen, dass ein zuvor neutraler Reiz (beispielsweise ein Bild von einer Spinne, Ratte oder ähnliches), welcher zunächst von einem Kind unvoreingenommen betrachtet wurde, in Zusammenhang mit einem lauten Geräusch, welches einen Schreck erzeugte, so konditioniert wurde, dass aus dem neutralen Reiz nun der eigentliche angstbehaftete Stimulus wurde. Selbiges funktionierte mit dem Bild einer Blume nicht. Watson zeigte also, dass es spezifische Reize gibt, die, gepaart mit einer ungünstigen Schreck erzeugenden Komponente, zu Angstreizen werden können, gleichwohl es dafür logisch betrachtet keinen Anlass gibt.
Die Angst vor Spinnen kann ebenso wie die Angst vor Ratten oder Schlangen durchaus als eine natürliche Vorsichtsmaßnahme des Organismus betrachtet werden. Die Frage, ob man zu ängstlich ist, wäre also diesbezüglich scheinbar ad acta gelegt.
Doch wie sieht es aus mit der Zahnarztangst, einer ebenso häufigen spezifischen Phobie (RKI, 2004), genauso wie die Angst vor Spritzen? Bin ich zu ängstlich, wenn ich mich vor Personen oder Umständen, welche mir vermeintlich Gutes tun, ängstige?
Logik versus körperliche Integrität
In bestimmten Situationen, wie zum Beispiel in einer Arztpraxis, in welcher vor einem in der Schale die Spritze liegt, kann einen die Angst schon einmal übermannen. Und das obwohl man weiß, dass es doch „nur“ die nächste Impfung ist, die einen vor Schlimmerem bewahren soll.
Auch hier entsteht ein Zwiespalt zwischen Verstand und Emotion. Anders gefragt: Bin ich zu ängstlich, wenn ich meinen Körper versuche vor Schmerz und fremden Eingriffen zu schützen? Scheint man nicht vielmehr besonders wachsam zu sein in Bezug auf die Integrität des Körpers? Gegebenheiten, die andere mit weniger Angst womöglich ausblenden?
Bin ich zu ängstlich, wenn ich meinen Körper schützen will?
So gesehen, nein, denn das Gefühl der Angst kann auch in solchen Situationen als ein natürliches betrachtet werden, auch wenn es im Widerspruch zum Verstand stehen kann. – Angst ist nicht rational, sondern emotional, und ein uraltes Gefühl, dass den Organismus schützen soll, die Erkenntnisse zur Prävention von Krankheiten dagegen sind zeitlich betrachtet minimal.
Doch was ist, wenn all diese Gründe auf den ersten Blick nicht zutreffen, wenn es scheinbar keinen Grund für die Angst gibt? Bin ich zu ängstlich, wenn ich Angst davor habe, mit anderen Menschen zusammen zu sein, wenn ich Angst vor Schmutz habe? – Fragen, denen im zweiten Teil unserer Artikelserie nachgegangen wird.
Quellen:
- Smith, E.E., Nolen-Hoeksema, S., Fredrickson, B.L., Loftus, G.R. (2007). Atkinsons und Hilgards Einführung in die Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
- Wittchen, H.-U. & Jacobi, F. (2004). Angststörungen. In Robert-Koch-Institut (Hrsg.), Gesundheitsberichterstattung des Bundes (21). Berlin: Robert-Koch-Institut.