Stillsitzen in der Schule war schon immer ein Problem: für die Kinder, die ihrem Bewegungsdrang nicht nachgehen konnten; für die Lehrer, welche eine Horde munterer Kinder zur „Sitzschule“ überreden mussten und für die Eltern, welche gesagt bekamen, ihre Kinder seien zu zappelig. In Extremfällen können sich letztere sogar der Gefahr einer Fehldiagnose gegenüberstehen sehen, nämlich dann, wenn die Grenze zu ADHS & Co. zu verschwimmen droht, was nicht selten in einer medikamentösen Behandlung gipfeln kann. „Gehen“ wir also in die falsche Richtung, wenn wir unseren Kindern mal wieder das Stillsitzen in der Schule und auch anderswo predigen?
Bewegung im Kindergarten, Stillsitzen in der Schule
Gerade bei kleinen Kindern sind wir fasziniert von ihrem munteren Wesen, ihrem Bewegungsdrang und ihrem Elan. Schon am Morgen beginnen sie zu hüpfen, zu rennen und auf uns rumzuklettern. Wir dagegen, kaum ein Augenlid geöffnet, schlurfen in halbwachem Zustand in die Küche für einen Kaffee. Liegt es tatsächlich nur am Altersunterschied und dem Verfall des Körpers oder haben wir verlernt, so bewegungsfreudig zu sein?
Noch im Kindergarten sind wir daran interessiert, dass unsere Kinder sich möglichst viel bewegen, an der frischen Luft sind und im freien Spiel explorieren und die Welt erkunden können. Doch schon ein Jahr später, beim Übergang in die Schule und den Eintritt in den „Ernst des Lebens“, erscheinen all unsere Ideale diesbezüglich erst einmal hintenangestellt. Das Kind soll nun lernen, im Klassenraum 45 Minuten am Stück zu verharren. Das Stillsitzen in der Schule und die Konzentration auf das, was der Lehrer sagt, um Leistungen zu erbringen, wird zum neu erklärten Ziel. Ohne zu hinterfragen, fügen wir unsere Kinder in die gesamtgesellschaftlichen Zwänge ein – in die sitzende Gesellschaft.
Stillsitzen schädlich: Konzentrationsabfall, Bewegungsmangel, Übergewicht
Dabei ist das Stillsitzen in der Schule und auch später am Arbeitsplatz eher kontraproduktiv. Bewegung fördert die Verknüpfung der Nervenzellen untereinander und somit die geistige Entwicklung, wie Breithecker von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung in Wiesbaden von der Zeitung „Die Welt“ zitiert wird. Gerade gepaart mit frischer Luft sei dies die ideale „Nahrung für das Gehirn“. Das Stillsitzen in der Schule wäre demgegenüber das falsche Signal.
Sportunterricht kein ausreichender Ausgleich
Angeheizt wird die Debatte durch neue Meldungen von Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass häufiges Sitzen (im Büro etc.) zu erheblichen gesundheitlichen Schäden, z.B. Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedenen Krebserkrankungen führen kann. Diese können selbst durch die üblichen Sporteinheiten pro Woche nicht ausgemerzt werden, wie der Endokrinologe James Levine berichtet. Demnach wären also der Sportunterricht bzw. nachmittägliche Bewegungseinheiten, welche ja ebenfalls noch durch Hausaufgaben unterbrochen werden, als Ausgleich nicht ausreichend.
So wie Meetings an der frischen Luft und Stehpults im Büro von fortschrittlichen Unternehmen propagiert werden, sollten also auch unsere Kinder zum langen Stillsitzen in der Schule nicht gezwungen werden. Stattdessen sollte ihr natürlicher Bewegungsdrang erhalten bleiben, denn dieser unterstützt einen gesunden Körper und einen entwicklungsfreudigen Geist.
Alternative Ansätze: Bewegte Schule
Ansätze, die dem Stillsitzen in der Schule versuchen etwas entgegenzustellen, finden sich z.B. im Konzept der Bewegten Schule. Seit den 80-er Jahren plädiert der Schweizer Urs Illi für mehr Bewegung in der Schule und auch beim Lernen. Auch bei Waldorf- bzw. Montessorikonzepten finden sich Ansätze für mehr Bewegung beim Lernen und weniger Stillsitzen in der Schule. Wechselnde Lernstandorte, aktive Lernszenarien und bewegtes Sitzen wären Signale in die richtige Richtung, für eine aktive und gesunde Gesellschaft.
Sind Sie an weiteren Ansätzen zur Verbesserung unseres Regelschulsystems interessiert? Lesen Sie dazu auch unseren Artikel über Zensuren und deren mögliche Auswirkungen auf die Psyche.