Das ideale Schulsystem – wie könnte es aussehen? Gibt es überhaupt eine gleichwertige Alternative zum derzeit gängigen Regelschulsystem, in welchem vergleichende Zensuren schon in der ersten oder zweiten Klasse gegeben werden? Mögliche Auswirkungen auf die kindliche Psyche durch Schulnoten wurden in Teil 1 dieser Serie diskutiert. Könnte das ideale Schulsystem z.B. ein anderes Bewertungsschemata vornehmen, damit es keine „schlechten Schüler“ mehr gibt?

Jeder steht für sich – keine Zensuren für die Psyche?

Zeichnung eines Kindes

Spielerisch lernen in der idealen Schule © amrufm under cc

Ansätze vieler freier Schulen (z.B. Waldorf oder Montessori) könnten bezüglich der kindlichen Psyche als Kandidaten für das ideale Schulsystem herangezogen werden. Sie sehen u.a. vor, dass insbesondere jüngere Schüler nicht über Noten mit Anderen verglichen werden, wie es im derzeitigen Regelschulsystem der Fall ist. Jeder Schüler steht als Individuum mit seinen besonderen Fähigkeiten und Eigenarten für sich. Entsprechend seiner Persönlichkeit wird er gefördert und erfährt so im Laufe seiner kindlichen Entwicklung, wer er ist, was er besonders gut kann und was ihm Spaß macht – augenscheinlich gute Zutaten für das ideale Schulsystem.

Intrinsische Motivation als Leistungsgrundlage

Die Freude am Lernen und der eigenen Weiterentwicklung könnte womöglich dazu führen, dass Arbeitsaufgaben um ihrer selbst willen bewältigt werden – und mit dem nötigen Selbstbewusstsein, es einfach schaffen zu wollen. Diese sogenannte intrinsisch basierte Motivation könnte in Bezug auf das ideale Schulsystem die optimale Voraussetzung für die Bewältigung von Schulaufgaben sein. Denn wie aus der Arbeits- und Organisationspsychologie und Studien zur Mitarbeitermotivation bekannt, ist die intrinsisch orientierte Motivation eine sehr viel wirksamere Motivationsgrundlage für gute Arbeitsleistungen als die alleinige extrinsische Motivation, welche eher durch externe Außenreize, wie z.B. Geld oder, bezogen auf die Schule, Angst vor schlechten Noten getriggert ist.

Demzufolge könnte das ideale Schulsystem womöglich einen eher intrinsisch motivierten Schüler erfolgreicher ins zukünftige Leben entlassen als einen vorrangig extrinsisch motivierten.

Selbstregulation als Bewertungsgrundlage

Lernmaterial Montessorischule

Montessori-Ansatz ideal? © Gordon McDowell under cc

Keine Frage, das ideale Schulsystem sollte Schüler darauf vorbereiten, dass es nicht immer nur willkommene Umstände gibt, sondern sie sich auch oft schwierigeren, wenig erfreulichen, Situationen im derzeitigen und späteren Leben stellen müssen. So sollte jemand, der Interesse an Kunst hat, natürlich auch trotz allem eine Schulausbildung in Mathematik etc. erhalten, obwohl ihm dies womöglich keine Freude bereitet. Schlechte Zensuren als drohende negative Konsequenz bei Nichtbewältigung scheinen diesbezüglich hilfreich und könnten durchaus auch auf das spätere Leben vorbereiten. Aber bringen sie Schülern auch bei, wie man an solche unangenehme Aufgaben herangeht?

Ein Lehransatz für das ideale Schulsystem läge somit auch auf einer ausreichend gelernten Selbstregulation. Schüler sollten lernen können, wie man sich, entgegen der eigenen Unlust, Aufgaben stellt, wie man z.B. Schritt für Schritt die Aufgabe herunterbricht und sich an der Bewältigung von Teilzielen motiviert.

Die Art, wie Schüler es dann schaffen, ihre Unlust zu überwinden; wie sie sich bemühen und an die Sache herangehen und sich dadurch immer weiter steigern und entwickeln – das alles wären mögliche Zensuren- / Bewertungsgrundlagen für das ideale Schulsystem.

Das ideale Schulsystem realistisch umsetzbar?

Wenn Schüler als Individuen für sich selbst stehen und sie an ihren eigenen Leistungen und Verbesserungen gemessen bzw. benotet werden, erfordert dies auch einen individuell abgestimmten Lehr- und Bewertungsplan für jeden Schüler – ein erheblicher Mehraufwand für Lehrer und Schule. Hier sieht sich das ideale Schulsystem den Problemen von Personal-, Geld- und Zeitmangel gegenübergestellt. Es müsste sich also Grundlegendes im deutschen Regelschulsystem ändern, aber auch in den Köpfen der Verantwortlichen. Mehr Bereitschaft dafür, dass eine vergleichende Vereinheitlichung der Schüler verhindert und tatsächlich eine individuelle Förderung der einzelnen Stärken und „Schwächen“ erfolgen kann.