lächelnde Frau mit Kind

Die typisch ödipale Situation © D.A.K. Photography under cc

Wer sich für Psychologie interessiert, dem begegnet meist nach relativ kurzer Zeit der Begriff Ödipuskomplex. Schon aus historischen Gründen, weil dieser eine zentrale Erkenntnis Sigmund Freuds war, dessen Name untrennbar mit der Psychologie verbunden ist. Doch wie es überall Moden gibt, so auch in der Psychologie und da begegnen wir im Zusammenhang mit der Psychoanalyse Freuds oft verwirrenden Aussagen.

Verwirrend deshalb, weil Freud sich in manchen Punkten irrte, aber zumeist nicht dort, wo man annimmt, dass er sich geirrt hätte.

Ein paar dieser Aussagen lauten, dass Freud im Grunde in allen Punkten widerlegt und irgendwie sexfixiert gewesen sei, vielleicht noch ein begabter Schriftsteller, der Anekdoten gut erzählt hätte, wissenschaftlich sei er jedoch keinesfalls ernst zu nehmen. Unter dieses strenge Urteil fällt dann auch der Ödipuskomplex.

Was ist der Ödipuskomplex?

Der Ödipuskomplex beruht als Begriff auf der Gestalt des Ödipus, aus dem griechischen Mythos. Ödipus tötete im Kampf seinen Vater, nicht wissend, dass es sein Vater war, und ehelichte später seine Mutter, von der er ebenfalls nicht wusste, dass es die leibliche Mutter war.

Seitdem Freud diesen Mythos erwählte, steht er für eine Konstellation des erotischen Begehrens der Mutter und der Rivalität mit dem Vater, aus Sicht des kleinen Jungen. Die umgekehrte Beziehung, Tochter zu Vater und Rivalität mit der Mutter, nannte C.G Jung Elektrakomplex.

Hört man das, so zuckt man zunächst mit den Schultern und findet allenfalls, wenn man meint, da könne etwas dran sein, Überinterpretation.

Freud und die Sexualität

In der Tat ist Freuds Deutung des Sexuellen verwirrend. Zum einen, weil Freud mit Sexualität immer auch mehr meinte, als nur Sexualität. Doch dabei sollten wir nicht verkennen, dass er immer auch Sexualität meinte, wenn er davon schrieb und unsere Zeit ist durchaus nicht frei von sexuellen Tabus, die unseren Blick trüben.

So sind die Verwicklungen, die Freud der ödipalen Phase zurechnete, sexuell-erotische, zum anderen aber auch welche der Beziehung. Dass wir diese nicht direkt sehen, sollte uns nicht zu sicher machen, handelt es sich doch um unbewusste und damit (auch kollektiv) verdrängte Bereiche. Würde man sie sofort sehen, wenn man drauf hingewiesen wird, wäre aufdeckende Therapie überflüssig. Es reichte ein Hinweis, wie der, dass der eigene Schuh auf ist: Man schaut kurz hin und sieht was los ist und kann reagieren. Jeder, der nur ein wenig Therapie kennt, weiß, wie unangemessen eine solche Vorstellung ist und wie lange man bestimmte Themen umkreisen kann, ohne sie zu erkennen.

Und nebenbei irrte Freud hier: Phasen der Entwicklung (oral, anal, genital/ödipal) gibt es nach heutiger Auffassung nicht, vielmehr gibt es von Beginn an immer wieder einzelne Situationen, etwa mit ödipalem oder oralem Charakter und diese sind ineinander verwoben, wie ein geflochtener Zopf.

Ist der Ödipuskomplex eigentlich real?

Hochzeitspaar

Die Ehe aktiviert oft ödipale Konflikte © Simon Shaw under cc

Ja und wir sehen ihn durchaus, ohne ihn zu erkennen. Kaum jemand beschäftigt sich mit dem verwirrenden Wust an Beziehungen, Begierden, Rivalitäten, Bestrafungs- und Ohnmachtsphantasien, sowie Ängsten und Schuldgefühlen, die sich hier ergeben, aber fast alle kennen wir ein Paar, das seit 12 Jahren glücklich zusammen lebt, irgendwann heiraten sie dann doch und kurze Zeit später ist die Beziehung zerbrochen. Dabei haben sie sich doch immer so gut verstanden.

Oder die merkwürdige Hemmung, wenn es daran gehen könnte zu heiraten, die Rationalisierungen, dass man das doch eigentlich nicht braucht, sich ja auch so liebt und das doch allenfalls ein Stück Papier oder ein teures und antiquiertes Ritual sei. Ängste und Phantasien, nun gewissermaßen gefangen zu sein, für den Rest seines Lebens, kommen zum Vorschein.

Neben dem, dass es hier und da sicher auch Gründe gibt, die gegen eine Ehe sprechen, ist es zum einen die Scheu vor Verbindlichkeiten, wie sie der Paartherapeut Hans Jellouschek in „Die Kunst als Paar zu leben“ darstellt. Zum anderen aber ist es auch der Ödipuskomplex, der hier aktiviert wird, wenn die „Kinder“ nicht nur Paar spielen, sondern wirklich ernst machen und erwachsen werden. Dann werden unbewusste Verbote und Konkurrenzsituationen aktiviert.

Das alles sind Hinweise, denen man im Bedarfsfall, beispielsweise bei echter neurotischer Hemmungen, psychoanalytisch nachgehen kann und mit der Zeit lernt man die Sprache der Psychoanalyse zu sprechen und die Zusammenhänge zu sehen.