Mit einer Schwangerschaft beginnt man sich einem neuen Lebensabschnitt zu nähern – der Elternschaft. Doch zunächst enden erst einmal alle Gedanken mit der Geburt. Von dem, was danach kommt, ahnt man nichts.
Mütterliche (Über-)Anstrengungen
Zwischen Breichen, Schlafen und Windelnwechseln hetzt die frischgebackene Mutter von einem Kurs zum nächsten. PEKIP, Babyschwimmen und musikalische Früherziehung, um das Kind nur ja frühstmöglich bestmöglich zu fördern. Dann folgen Krabbelgruppen, Spielplatzbesuche und Playdates, denn das Kind sollte auf jeden Fall Anbindung zu anderen Kindern haben. Hier beginnt dann auch schon das „Problem“. Denn nicht nur das Kind bekommt neue soziale Kontakte zu anderen Kindern, sondern auch die Mutter zu anderen Müttern. Und auch wenn man noch so sehr beteuert, dass man Kinder untereinander nicht vergleichen kann und auch jede Mutter selbst wissen muss, was sie tut, gelangt man doch in einen Strudel aus sozialen Vergleichen und Konkurrenz, welcher überspitzt gesagt dem sozialen Miteinander in Wirtschaftsunternehmen in nichts nachsteht.
Soziale Vergleiche: Warum vergleichen wir uns?
Soziale Vergleiche sind in der Psyche des Menschen verankert. So sehr man sich auch bemüht, nicht über andere zu urteilen, wird man sich doch immer wieder insgeheim dabei ertappen. Solche Gedanken geschehen wie von selbst. Man vergleicht sich mit anderen in der Hoffnung dabei besser abzuschneiden, um sich besser zu fühlen. Schneidet man widererwartend schlechter ab (sollte die Einsicht soweit gehen), droht kognitive Dissonanz und die Notwendigkeit, sein Handeln oder seine Einstellungen zu ändern. Da dies im Allgemeinen sehr aufwendig ist, wird ein sozialer Vergleich meistens zum Positiven für einen selbst ausfallen.
Wie aus mütterlicher Unsicherheit Überzeugung und Konkurrenz wird
Gerade bei einem so emotional besetzten Thema wie dem Wohl des eigenen Kindes sind soziale Vergleiche eine besondere „potentielle Bedrohung“ für den mütterlichen Selbstwert. Da jede Mutter meistens zunächst ausschließlich Mutter ist, definiert sie einen Großteil ihres Selbstwerts über das Mutter-Dasein. Andere Persönlichkeitsfacetten, welche sich etwa über die Bereiche Beruf oder Hobby definieren, fallen erst einmal weg. Dementsprechend groß wäre die Bedrohung, da ein Einschnitt im Selbstwert nicht durch andere Facetten des Selbstkonzepts aufgefangen werden kann.
Natürlich will jede nur das Beste für ihr Kind. Noch nie gab es so viele verschiedene mögliche Richtungen im Umgang mit Kindern; so viele leicht zugängliche Informationen und Varianten, zwischen denen die Mutter wählen kann. So herrscht zunächst Unsicherheit über die richtige Vorgehensweise bei der Erziehung. Keine weiß, welche Auswirkungen ihre Erziehungsweise langfristig haben wird und doch muss sie sich für einen Weg entscheiden. Dieser wird dann mit viel Kraft und Ausdauer umgesetzt. Dementsprechend wichtig ist ihr, was sie tut, da sie viel Zeit und Mühe investiert.
Auch wird die mütterliche Erziehungskompetenz über das Verhalten des Kindes definiert und bewertet, wie Winterhoff, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, beschreibt. Dies hat wiederum Auswirkungen auf den mütterlichen Selbstwert. So ist etwa die Mutter eines besonders trotzigen Kindes anscheinend nicht kompetent genug ihr Kind zu erziehen. Mütter, deren Kinder schnell und gut durchschlafen, sind dagegen in der Mütter-Hierarchie weit oben.
All das führt dazu, dass Mütter unter Druck stehen, ihr Verhalten und das ihres Kindes vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen und aus Überzeugung richtig zu finden. Konkurrenzverhalten ist so vorprogrammiert. Nervliche Anspannungen durch Schlafmangel oder später aufgrund der Trotzreaktionen des Kindes tun ihr übriges. Und so wird schnell mal aus einem gemütlichen Gespräch am Klettergerüst ein unterschwelliger Schlagabtausch…
…an dem auch wir uns natürlich beteiligen wollen. In den nächsten Wochen werden hier an dieser Stelle aus psychologischem Blickwinkel Themen betrachtet wie Schlafen, Stillen, Essen, Töpfchen, Kindergarten, Trotzalter usw. – von den ersten drei Monaten nach der Geburt bis ins Kleinkindalter hinein. Also genau die Phase im Leben einer Mutter, in der sie in der Regel häufig auf andere Mütter trifft und in welcher ihr noch labiler mütterlicher Selbstwert das ein oder andere Mal ins Wanken gerät.
Quelle:
- Winterhoff, M. (2010). Warum unsere Kinder Tyrannen werden: Oder: Die Abschaffung der Kindheit (9. Aufl.). München: Wilhelm Goldmann Verlag.
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