Keine Frage, ein Leben ohne Plastik ist in unserer Gesellschaft schwer umzusetzen. Kunststoffe lauern überall, auch da wo man sie zunächst nicht vermutet.
Neben offensichtlichen Verwendungen bei Lebensmittelverpackungen, Haushaltsgeräten, Bodenbelägen etc. kommen noch Bestände in Medikamenten, Textilien, Wohnmöbeln, ja sogar Rückstände in der Raumluft oder im Hausstaub, dazu. Die Folge: Im menschlichen Körper zeigen sich Überbleibsel von Phthalaten & Co., welche sich auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken können, wie der derzeitige Forschungsstand zeigt.
Forschung: Gesundheitliche Risiken durch Plastik
Studien, welche gesundheitliche Risiken durch Kunststoffe wie Phthalate, Bisphenol A etc. auf den menschlichen Körper untersuchen, häufen sich mehr und mehr. Sie lassen erahnen, dass ein Leben ohne Plastik ernsthaft zu erwägen wäre.
Phthalate bei Kindern
Vor allem negative Konsequenzen bei der kindlichen Entwicklung in Zusammenhang mit einer erhöhten Phthalatekonzentration im Körper, rücken zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. So finden Jurewicz und Hanke (2011) in ihrem Review über mehrere Studien ein erhöhtes Risiko für Allergien und Asthma sowie eine verminderte Spermienqualität und Fortpflanzungsfähigkeit. Weitere Auswirkungen können eine weniger gute Konzentrationsfähigkeit und geringere Maskulinitätsscores bei Jungen sein sowie ein höheres Risiko für das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndrom. Andere Studien finden eine Schwächung des Immunsystems einhergehend mit der verminderten Fähigkeit des Organismus Krankheitskeime abzuwehren.
Die Schädigung durch Phthalate beginnt bereits im Mutterleib, wie Holger Koch, Wissenschaftler am BGFA im Kompetenz-Zentrum Toxikologie, weiß. Schon hier wird der Fötus in seiner hormonellen Entwicklung mit dem Ergebnis einer Unterentwicklung der männlichen Geschlechtsorgane beeinflusst. Geht man davon aus, dass neben dem alltäglichen Plastikkonsum Schwangeren zusätzlich Nahrungsergänzungsmittel wie Folsäurekapseln routinemäßig empfohlen werden, die ebenfalls Phthalate enthalten können, ergibt sich eine äußerst bedenkliche Entwicklung.
Aus Forschungssicht scheint ein Leben ohne Plastik also überaus angebracht zu sein.
Hersteller und Gesellschaft in der Verantwortung?
Von industrieller Seite hört man zunächst, dass die Konzentrationen der einzelnen Phthalate in Verpackungen etc. nicht ausreichen, um den menschlichen Organismus zu schädigen. Ein Leben ohne Plastik sei zudem nicht zu realisieren, gerade in Bezug auf die Haltbarmachung von Lebensmitteln und die Kosten.
Die Vorteile von Kunststoffen sind ja tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Allerdings summieren sich die Einwirkungen von Kunststoffen ja auch über Dauer und Anzahl der konsumierten Produkte. Forscher merken zudem an, dass die Lebensdauer von Labormäusen nicht ausreicht, um langfristige gesundheitliche Risiken durch Plastik vorherzusehen und dass es im Allgemeinen keine unbedenklichen Kunststoffe gibt.
Auch das Umweltbundesamt bestätigt, dass Menschen – und vor allem Kinder – viel mehr von diesen Substanzen aufnehmen als bisher angenommen und setzen erste gesetzliche Maßnahmen z.B. in Bezug auf Kinderspielzeug um. Trotz allem reagiert die Industrie nicht vollständig und es finden sich z.B. immer noch gesundheitsbedenkliche Stoffe in verschiedenen Kinderspielzeugen. Ein Grund dafür: Durch die Globalisierung werden Wirtschaftskreisläufe zunehmend komplexer. Viele unübersichtliche Schlupflöcher im globalen Herstellungskreislauf machen die Umgehung von Richtlinien möglich und Überwachungen schwieriger. Liegt es am Ende bei jedem selbst, Änderungen für ein Leben ohne Plastik herbeizuführen und so Druck auf die Industrie durch den Verbraucher aufzubauen?
Leben ohne Plastik: Jeder selbst verantwortlich?
Immer mehr Selbstversuche werden dokumentiert, von Menschen welche versuchen, ein Leben ohne Plastik zu führen. Ein schwieriges Unterfangen, was nur mit Einschränkungen umsetzbar ist, wie die Berichte zeigen. So können z.B. auch bei vermeintlich alternativen Behältnissen wie Konservendosen oder Deckeln von Schraubgläsern Kunststoffbeschichtungen vorhanden sein.
Gerade mit den Ansprüchen in der heutigen Gesellschaft, der Schnelllebigkeit, der gewünschten Flexibilität, der medizinischen und hygienischen Standards sowie dem geforderten Preis-Leistungs-Verhältnis bei Produkten scheint ein Leben ohne Plastik kaum möglich.
Inwieweit man selbst ein Leben ohne Plastik führen kann, ist sicher auch immer eine Frage der Alternativen, der Zeit und des Geldbeutels. Dennoch, vor allem der Wille, ein Leben ohne Plastik leben zu wollen, spielt letztendlich die entscheidende Rolle, um zumindest Einschränkungen im Plastik-Konsum möglich zu machen.
Quellen:
- BGFA-Info 01-06 (2001). Phthalate in aller Munde. Verfügbar unter: https://www.ipa-dguv.de/medien/ipa/publikationen/ipa-journale/bgfa_info2006/documents/bgfa_info01_06.pdf [06.07.2012].
- Jurewicz, J. & Hanke, W. (2011). Exposure to phthalates: reproductive outcome and children health. A review of epidemiological studies.International journal of occupational medicine and environmental health. 24(2) 115-41.
- Umweltbundesamt (2012). Phthalate: PVC-Weichmacher mit Gesundheitsrisiko. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.at/pvcweichmacher/ [06.07.2012].