Ist das Weltbild die eine psychologische Komponente des Terrorismus, so betrachten wir nun die zweite.

Das Selbstbild des Terroristen

In der Selbstwahrnehmung ist der Terrorist im Grunde seines Herzens ein Moralist.

„Normale Kriminelle“, wenn man das so sagen darf, brechen auch mit den Regeln der Gesellschaft, haben aber kein Sendungsbewusstsein und nicht die klammheimliche Phantasie, eigentlich auf der Seite „der Guten“ zu sein. Moralisierende Ansichten sind typisch für die paranoide Persönlichkeitsstörung, die zu einem hohen Maße bei Terroristen zu finden ist.

Wilbers „von Rot getriebene Gefühlslage“ und Kernbergs narzisstische und Borderline-Pathologie entsprechen hier einander, beide meinen die pathologische Organisationsebene der schweren Persönlichkeitsstörungen.

Auto in Flammen

Explosion eines Wagens in Russland © Andrew Kuznetsov under cc

Diese Auffassung vertreten auch der Politikwissenschaftler Robert S. Robins und der Psychiater und politische Psychologe Jerrold M. Post in dem Buch „Die Psychologie des Terrors“. Sie diagnostizieren die Paranoia als dominierendes Denken beim Terrorismus und analysieren sieben Elemente derselben: Führend, das Misstrauen, gefolgt von Selbstbezogenheit, Größenwahn, Feindseligkeit, Furcht vor Autonomieverlust, Projektion und Wahnideen.

Der Paranoiker kann es nicht ertragen, dass die Welt ihn nicht beachtet und obendrein auch noch ganz gut funktioniert. Das kränkt ihn mehr als die gefühlte Ausnahmesituation sich verfolgt, missverstanden, aber damit auch im Fokus der Wahrnehmung und bedeutsam, zu fühlen. Das für viele entspannende Gefühl einer von vielen zu sein, in die Masse abtauchen zu können, macht ihm Angst.

Folgerichtig kann er es nicht konfrontieren und will es nicht wahr haben, warum die Welt ihn und seine klischeehafte Sichtweise ablehnt. Oft genug sind die paranoiden Größenphantasien die Kompensation einer gefühlten Kleinheit, Bedeutungslosigkeit und mangelnder Anerkennung von Seiten der Gesellschaft.

Der Paranoiker kann sich nicht in die Spielregeln der Gesellschaft in der er lebt einordnen, er würde das als Verrat an der eigenen Autonomie empfinden. Mit und durch ihn wird die radikale Idee, der er sich als ein herausragender Vertreter verschrieben hat, geboren oder verbreitet. Wenn der Paranoiker sich für den Weg des Terrorismus entschieden hat, gerät er ganz realistisch in den Fokus, was ihm Selbstbestätigung bringt und das Gefühl der Auserwähltheit verstärkt.

Die Möglichkeiten, auf konventionellem Weg Beachtung zu finden, kann er nicht annehmen, weil er sie gering schätzt und durch sie keine Befriedigung und Entspannung empfindet.

Die Gefahr der unzulässigen Verallgemeinerung und Überreaktion

Mann in Schutzanzug mit Gasmaske

Training für den terroristischen Ernstfall © DVIDSHUB under cc

Um dieser zu entgehen ist es notwendig, entschlossen, aber nicht ebenfalls paranoid, auf die Gefahren zu reagieren. Es wird längst nicht jeder Paranoiker zum Terroristen. Eine öffentliche Diskussion über die psychologische Motivation hinter dem Terrorismus ist hilfreich, die Diskussion mit Terroristen ist es nicht, da sie differenzierte Ansichten und die Ambivalenzen des täglichen Lebens emotional nicht verarbeiten können. Ein öffentliches Forum und eine verstärkte Aufmerksamkeit verstärkt nur ihre gefühlte besondere Bedeutung.

Eine normale Disposition versetzt einen in die Lage, bei sich selbst und anderen sowohl gute, als auch böse, egoistische und altruistische Motive zu erkennen und zu ertragen und die daraus resultierenden Spannungen kompensieren, verarbeiten und sogar kreativ nutzen zu können.

Vertreter des Terrorismus können genau das nicht, der Grund liegt in einer psychischen Erkrankung, die man verstehen und therapieren kann, aber nicht verzeihen muss und sanktionieren sollte.

Um ihnen und anderen, die in der Gefahr (für sich und andere) stehen, den Weg des Terrorismus zu beschreiten, zu zeigen, wie bessere Alternativen aussehen, ist es wichtig auch Terroristen fair und nach den Regeln des Rechtsstaates zu behandeln. Der Rechtsstaat sollte zeigen, dass er Willens und in der Lage ist, sich zu wehren, ohne andererseits paranoid, extrem oder rachsüchtig zu reagieren.

Wo hier eine Grenze zu ziehen ist, um nicht zu fassende Terrorführer zu stoppen, ist eine Frage des gesellschaftlichen Diskurses.

Quellen: