„Morgens Fango, abends Tango“, dieser alte Spruch bekommt in den Zeiten des Multijobbing offenbar eine ganz neue Bedeutung, er könnte nämlich auf die Arbeitnehmer gemünzt sein, die am Morgen als Fangobademeister und am Abend als Tanzlehrer arbeiten (müssen).

Jonglieren mit Feuer

Multijobbing – Selbstbestimmtes Jonglieren oder ein Spiel mit dem Feuer? © Ted Ollikkala under cc

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die Arbeitsverhältnisse in unseren Zeiten unsicherer werden. Dauerhafte Arbeitsverträge werden in befristete umgewandelt, viele Angestellte werden aus langjährigen, etablierten Anstellungen entlassen und für weit weniger Gehalt über Zeitarbeitsfirmen wieder eingestellt. Dies alles sind Missstände unter denen viele Menschen leiden, nicht umsonst nimmt die Zahl der Erkrankungen im Rückenbereich und vor allem bei den psychischen Erkrankungen sprunghaft bis dramatisch zu – und immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch die Rückenbeschwerden einen hohen psychosomatischen Anteil haben.

Vor allem junge Familien sind betroffen, genauer gesagt wird die Unsicherheit darüber, ob man in einem halben Jahr auch noch eine Familie ernähren könnte, als einer der Gründe angegeben, es gleich zu lassen.

Einige Ursachen

Das verschlimmert allerdings nur die Ausgangslage, denn der demographische Wandel, der für unsere Regionen bedeutet, dass wir viel zu wenig Kinder haben, die für die Renten der älteren Generation aufkommen müssen, ist einer der Gründe, dass das Geld nicht nur ungerecht verteilt, sondern schlechterdings auch nicht vorhanden ist.

Der Wandel zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft erschafft aber auch ganz neue Berufsbilder.

Eine komplexe Gemengelage

Ein schwer zu entwirrendes Knäuel, das allerdings auch seine Vorteile hat. Das klassische Arbeitsverhältnis, in dem man nach der Lehre oder dem Studium oft bis zur Rente bei einem Arbeitgeber blieb, mag ein Auslaufmodell sein, da selbst die Zukunft großer Unternehmen oft ungewiss ist, dafür bekommt die neue Berufswelt ein viel flexibleres Gesicht.

Mehrfach in einer Biografie wird heute der Beruf gewechselt und es ist keine Seltenheit, dass Arbeitnehmer mehrere Jobs parallel ausüben – Multijobbing.

Die Krise als Chance

Stress und Unsicherheiten, die daraus erwachsen, sind die dunkle Seite, doch bietet auch das Multijobbing neue Chancen. Es ist ja immerhin denkbar, dass der alte Beruf, nach einer Reihe von Jahren mal langweilig geworden ist, weil sich die Interessen oder Bedürfnisse verändert haben.

Dass dabei eine gute Ausbildung die Chancen erhöht, mag tendenziell noch immer richtig sein, doch für die Ängste mancher Eltern, dass ihre Kinder ohne Hochschulstudium verloren sind – die für sie selbst und den Nachwuchs eine oft immense Drucksituation bedeutet – besteht kein Grund. Wo es proportional immer mehr Rentner gibt, werden Menschen – junge allemal -, die überhaupt noch arbeiten, händeringend gesucht. Einer RWE-Studie zufolge sogar weniger Akademiker als vielmehr Arbteitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung.

Doch auch Multijobbing dürfte durchaus Konjunktur haben. Selbst über ungelernte Hilfskräfte heißt es:

„Erwerbstätige ohne spezielle berufliche Ausbildung stehen prinzipiell für jede Tätigkeit zur Verfügung. Durch den zu erwartenden Boom der Dienstleistungsberufe ergeben sich für ungelernte Kräfte zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten mit ganz neuen Anforderungsprofilen. Insbesondere im Sozial- und Gesundheitswesen, wie auch in der Gastronomie, dem Reinigungs- und Entsorgungsbereich oder dem Warenverkauf, werden sich bis zum Jahr 2020 viele Türen öffnen, so dass diese Arbeitnehmergruppe vermutlich beinahe ebenso gefragt sein wird wie die der Fachkräfte.“

Die Chancen und Anforderungen des Multijobbers stehen nicht schlecht, Flexibilität und Kreativität heißen neben der geforderten Leistungsbereitschaft die Tugenden und die müssen kein Nachteil sein. Das bringt ganze neue Möglichkeiten der Entwicklung und Entfaltung mit sich.

Und eine weitere Chance eröffnet sich. Wurde der Beruf als Berufung in den letzten Jahren als realistische Option eher belächelt und war man froh lieber irgendeinen Job zu haben, so stärkt die Möglichkeit mehrerer Jobs die eigene Verhandlungsbasis und die eigenen Möglichkeiten, wenigstens zeitweilig das zu tun, was man mag.

Man muss nicht mehr alles machen und schon gar nicht zu jedem Preis, denn man hat mehrere Eisen im Feuer. „Der Nächste wartet schon“, lautete die alte Aussage, aber genau das ist oft schon heute nicht mehr der Fall. Das macht Multijobbing zu einer Chance.

Quelle:

  • Thomas Raffeiner, Andreas Bausch, Michael Frese, Den demografischen Wandel in Deutschland bewältigen, RWE 2007, S.8