Gestern hat er noch voller Optimismus von seinen Vorhaben und Plänen berichtet. Und heute sitzt er einfach nur traurig sowie selbstzweifelnd da und möchte von all dem nichts mehr wissen. Was ist mit Menschen los, die gestern noch himmelhoch jauchzend waren und heute zu Tode betrübt sind? Dahinter verbirgt sich häufig eine bipolare Störung.
Was versteht man unter bipolar?
Im Wesentlichen handelt es sich bei der bipolaren Störung um ein wiederholtes Auftreten von Krankheitsepisoden, die sich durch wechselnde Stimmungslagen unterscheiden (Bowden, 2001).
Symptomatik der verschiedenen Krankheitsphasen
Die Symptomatiken der Störung werden im ICD-10 beschrieben (Dilling, Mombour, Schmidt & Markwort, 2006).
Manie
Eine manische Phase ist durch besondere Euphorie und Heiterkeit gekennzeichnet. Die Betroffenen strahlen viel Fröhlichkeit und Optimismus aus.
Auch verfügen sie über ein völlig übersteigertes Selbstwertgefühl. Sie trauen sich also mehr zu, als sie eigentlich leisten könnten.
Ein weiteres kennzeichnendes Symptom ist die dauerhaft erhöhte Antriebssteigerung. Diese ist von einer Beschleunigung des Denkens begleitet. Die Person fühlt sich dazu verleitet, immerzu neue Pläne zu schmieden und Tätigkeiten zu beginnen. Hierbei ist sie sehr unkonzentriert und leicht ablenkbar. Dieser Zustand ist meist auch noch mit einem erhöhten Rededrang verbunden.
Viele Symptome weisen allerdings auch erhebliche Nachteile für die Betroffenen auf. Im Verlaufe der Handlungen verliert die Person ihr Bewusstsein darüber, was die eigentliche Absicht ihrer Handlung war. Daher bringt sie die Aktivitäten meistens nicht zu Ende.
Im Zuge der Euphorie und Enthemmtheit werden unüberlegte Käufe getätigt, hohe Kredite aufgenommen oder riskante Geschäfte abgewickelt. Hohe Schuldenberge sind bei manischen Menschen keine Seltenheit.
Hypomanie
Die Symptome einer Hypomanie ähneln der einer Manie. Sie sind aber nicht so stark ausgeprägt, dass sie zu einem Abbruch der Berufstätigkeit oder zu sozialer Ablehnung führen.
Bipolare Depression
Die Bipolare Depression stellt das Gegenteil der Manie bzw. Hypomanie dar. Die betroffenen leiden also unter Antriebs- und Freudlosigkeit, verlangsamten Denken und Sprache. Meistens kreisen die Gedanken um Schuld, eigene Unzulänglichkeit oder Krankheiten. Des Weiteren treten Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Energieverlust, Appetitlosigkeit und Libidoverlust ein. Die negativen Auswirkungen liegen in der starken Vernachlässigung beruflicher, sozialer und anderer Verpflichtungen.
Charakteristika bipolarer Störungen
Verlauf
Meistens folgen die einzelnen Phasen aufeinander. Es gibt auch gemischte Episoden, in denen beide Phasen rasch nacheinander oder zeitgleich auftreten. Beispielsweise kann eine depressive Verstimmung mit Überaktivität oder Heiterkeit mit Antriebslosigkeit auftreten. Je länger die Krankheit andauert, desto schneller wechseln sich die einzelnen Phasen ab (Angst & Preisig 1995b).
Episodenlänge
Manische Phasen dauern in der Regel ca. 2 Monate. Die depressive Episode dauert länger und ist in ihrer Länge recht unterschiedlich. Gemischte Episoden dauern mit ca. 5 Monaten am längsten (Marneros et al., 2004b).
Folgen bipolarer Störungen
Angsterkrankungen
Mantere et al. (2010) konnten zeigen, dass sich bipolare Störungen und Angst gegenseitig beeinflussen. Bei 40% der bipolaren Störung liegt zusätzlich eine Angsterkrankung vor. Besonders häufig sind Panikattacken und die Angst sich in sozialen Situationen zu blamieren (McElroy et al., 2001).
Suchterkrankungen
Auch 40% der bipolar Erkrankten weisen eine Suchterkrankung auf. Besonders oft liegt eine Alkoholabhängigkeit vor (Angst et al, 2006). Häufig fassen die Betroffenen den Konsum von Drogen als Selbstheilungsversuch auf. Dieser erfüllt den Zweck, die erlebten Symptome zu lindern (Trendelenburg & Pfennig, 2011).
Quellenangaben
- Angst, J., Gramma, A., Endrass, J., Rössler, W., Ajdacic-Gross, V., Eich, D., Herrell, R. & Merikangas, K. (2006). Is the association of alcohol use disorders with major depressive disorder a consequence of undiagnosed bipolar-II-disorder? Eur. Arch. Psychiatry Clinical Neuroscience, 256, 452-457.
- Angst, J. & Preisig, M. (1995b). Outcome of a clinical cohort of unipolar, bipolar and schizoaffective patients. Result of a prospective study from 1959 to 1985. Schweiz Arch. für Neurol. und Psychiatrie, 146, 17-23.
- Bowden, C.L. (2001). Strategies to reduce misdiagnosis of bipolar depression. Psychiatric Services, 52, 51-55.
- Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M.H. & Schulte-Markwort, E. (2006). Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Bern: Huber.
- Mantere, O., Isometsä, E., Ketokivi, M., Kiviruusu, O., Suominen, K., Valtonen, H.M., Arvilommi, P. & Leppämäki, S. (2010). A prospective latent analyses study of psychiatric comorbidity of DSM-IV bipolar I and II disorders. Bipolar Disorder, 12, 271-284.
- Marneros, A., Pillmann, F., Röttig, A. & Blöink, R. (2004b). Acute and transient psychotic disorders – an atypical biplolar disorder? In A. Marneros & F.K. Goodwin (Hrsg.), Mixed states, rapid cycling and atypical bipolar disorders. Cambridge: University Press.
- McElroy, S.L., Altshuler, L.L., Suppes, T., Keck, P.E., Frye, M.A., Denicoff, K.D., Nolen, W.A., Kupka, R.W., Leverich, G.S., Rochussen, J.R., Rush, A.J. & Post, R.M. (2001). Axis I psychiatric comorbidity and its relationship to historical illness variables in 288 patients with bipolar disorder. Am J Psychiatry, 158, 420-426.
- Trendelenburg, M. & Pfennig, A. (2011). Symptomatik, Verlauf und Komorbidität. In M. Bauer (Hrsg.), Neurobiologie und Therapie bipolarer Erkrankungen (2., durchges. Aufl., S. 56-62). Bremen: UNI-MED Verlag AG.