Finanzielle Gewalt in Beziehungen ist eine Form des Missbrauchs, die zum emotionalen und manchmal physischen Missbrauch dazukommt. Sie zählt ebenfalls zu den Formen der häuslichen Gewalt. Finanzielle Gewalt kann sich auf unterschiedliche Weise zeigen. Weil sie manchmal so subtil ist, bemerken die Betroffenen gar nicht, dass es sich um finanzielle Gewalt handelt.
Finanzielle Gewalt: Wie du kleingehalten wirst
Zur finanziellen Gewalt zählen beispielsweise folgende Punkte, welche die vom Missbrauch betroffene Person finanziell kleinhalten:
Kontrolle über das Einkommen
Dein Partner oder deine Partnerin hat die Kontrolle über dein Einkommen. Vielleicht musst du deinen Verdienst auf das Konto deines Beziehungsmenschen überweisen und hast selbst nur wenig oder gar kein Geld zur freien Verfügung. Oft gibt es diese Konstellation in Beziehungen, wo die Hauptverdienenden das Konto besitzen, von dem alle Ausgaben abgehen, und der Zuverdienst der Nebenverdienenden mit auf das Konto gezahlt wird. Mitunter wird dir dann der Zugriff auf dieses Konto verweigert.
Die betroffenen Personen werden zu Bittstellenden.
Rechtfertigung für Ausgaben
Damit ein Part der Beziehung nicht unkontrolliert und über die persönlichen Verhältnisse hinaus Geld ausgibt, ist es natürlich wichtig, dass beide an einer Beziehung beteiligte Personen sich über die Ausgaben absprechen. Zu einer finanziellen Gewalt wird es aber dann, wenn eine Person sich bezüglich alltäglicher Ausgaben für Lebensmittel etc. rechtfertigen muss, obwohl das Haushaltsbudget es zulassen würde.
In dem Fall ginge es nämlich nicht um reines Sparen, weil das Geld knapp ist, sondern um eine Gängelei und ein Kontrollieren der anderen Person.
Unterschiedliche Privilegien
Oft findet sich der Aspekt der Rechtfertigung für Ausgaben in Zusammenhang mit der Paarung, dass der betroffenen Person unterstellt wird, zu viel auszugeben, wohingegen die missbrauchende Person tatsächlich die ist, welche heimlich Geld für eigene Belange verprasst. Die übertriebenen Luxusausgaben der missbrauchenden Person stehen dann der missbrauchten Person kaum noch für das Nötigste zur Verfügung.
Beispielsweise sollst du die Versorgung der Kinder gewährleisten und wirst dahingehend knapp gehalten, während dein Beziehungsmensch mit befreundeten Personen jeden Abend in einer Kneipe etwas trinken geht.
Finanzielle Ressourcen verweigern
Der von finanzieller Gewalt betroffenen Person wird das Geld für Nahrung, Kleidung, Arzneimittel sowie Geld für öffentliche Verkehrsmittel, Bildung oder ähnliches verweigert. Das kann soweit gehen, dass der Zustand der Betroffenen auf Außenstehende zunehmend verwahrloster wirkt. Auch werden Ausreden von den Missbrauchten vor anderen erfunden, warum man selbst lange Strecken lieber zu Fuß geht, anstatt die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen.
Bei dieser Form des Missbrauchs wird die betroffene Person nicht nur bezüglich der Bewältigung ihres Alltags drangsaliert, sondern auch noch indirekt, beispielsweise durch den schlechteren Zustand ihrer Kleidung, beschämt.
Verweigerung von Unterhaltsleistungen
Eine Unterform der Verweigerung finanzieller Ressourcen ist die Verweigerung von Unterhaltsleistungen. Beispielsweise wird bei einer Trennung das Familiengericht in die Irre geführt und vorgetäuscht, man würde sich mehr um die gemeinsamen Kinder kümmern, als es tatsächlich der Fall ist. Häufig dient eine solche Täuschung dazu, die Unterhaltszahlungen zu minimieren. Ferner können allgemein die Unterhaltszahlungen immer zu spät oder teilweise gar nicht bezahlt werden, sodass die Person, welche die Kinder regelmäßig betreut, ihrem Geld hinterherrennt.
Verhindern oder Einschränken von beruflicher Tätigkeit
Bei der finanziellen Gewalt geht es auch darum, die andere Person von einem abhängig zu machen, weil man selbst im Grunde Angst davor hat, verlassen zu werden. Deshalb soll das Gegenüber möglichst „unter der Glasglocke bleiben“ und sich nicht frei entwickeln oder gar finanziell unabhängig machen.
Du wirst daran gehindert, eine Arbeit aufzunehmen oder in deiner Karriere voranzuschreiten. Du sollst im Vergleich zur missbrauchenden Person tiefergestellt sein.
So wie alle anderen beschriebenen Formen zuvor auch, gibt es diese Form der Abhängigkeit häufig in Zusammenhang mit familiären Erziehungsaufgaben. Die Mutter soll zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern, während der Vater die Möglichkeit über die freie Gestaltung seiner beruflichen Karriere und somit die finanzielle Kontrolle hat.
Manchmal geht der Missbrauch sogar soweit, dass die betroffene Person dazu gezwungen wird, ihren Job aufzugeben oder sie in der Ausübung ihrer Arbeit sabotiert und so der Jobverlust herbeigeführt wird.
Finanzielle Erpressung
Direkt oder indirekt wird dir damit gedroht, eine finanzielle Unterstützung zu entziehen, wenn du in bestimmte Dinge nicht einwilligst. Beispielsweise kann es sein, dass eine sexuelle Annäherung auf die Weise forciert wird, da dir sonst andernfalls das Geld oder zum Beispiel die Vergabe eines Auftrages versagt bleibt.
Nicht immer geschieht das offenkundig. Oft findet diese Form der finanziellen Gewalt subtil statt, sozusagen wie eine „stillschweigende Vereinbarung“. Die missbrauchte Person befindet sich nicht selten in einer schlechteren wirtschaftlichen Lage, in der sie auf die finanziellen Zuwendungen angewiesen ist.
Damit einher geht beispielsweise auch das Einsetzen von Geld zum Zwecke der Belohnung beziehungsweise der Entzug zum Zwecke der Bestrafung. Zeigst du das gewünschte Verhalten, bekommst du eine finanzielle Zuwendung. Wagst du es, dich zu positionieren, erhältst du finanzielle Restriktionen.
Finanzielle Gewalt: So wirst du ausgenutzt
Finanzielle Gewalt findet nicht immer nur in der Form statt, dass einer Person der Zugang zu finanziellen Ressourcen verweigert wird oder eine finanzielle Abhängigkeit besteht. Es kann auch sein, dass du finanziell unabhängig bist und deshalb ausgenutzt wirst.
Herhalten für Existenzsicherung
Insbesondere wenn die vom Missbrauch betroffene Person einen festen Job und ausreichend Geld zur Verfügung hat, kann diese Form des Missbrauches entstehen. Der missbrauchende Part geht nicht sorgsam mit seinem Geld um oder verdient zu wenig, weil er beispielsweise nicht mehr arbeiten möchte, und liegt dann der anderen Person sozusagen auf der Tasche.
Meistens ist diese Konstellation mit einer starken Überverantwortung der vom Missbrauch betroffenen Person verbunden. Sie fühlt sich verantwortlich für ihr Gegenüber. Ihre Empathie sorgt dafür, dass sie die ihr nahestehende Person immer wieder unterstützt. Auch Verlustängste können dabei eine Rolle spielen. Vielleicht droht dein Gegenüber, dich zu verlassen, wenn du nicht finanziell einspringst.
Herhalten für Schulden
Eine weiterführende Form des vorgenannten Punktes ist es, wenn die missbrauchende Person auf deinem Namen Schulden anhäuft, also zum Beispiel Kredite abschließt. Es gibt unzählige Dokumentationen von Fällen, bei denen die Betroffenen nach einer Partnerschaft mit einer missbrauchenden Person mit Schulden dastehen. In vielen Fällen geschieht es ohne das Wissen der betroffenen Person in Bezug auf die Tatsache, dass überhaupt Schulden angehäuft werden, aber auch hinsichtlich des Ausmaßes. Mahnungen werden vorenthalten, die Briefe verschwinden einfach.
Die Unbescholtenheit und Kreditwürdigkeit der ausgenutzten Person ist langfristig beschädigt.
Sparmöglichkeiten begrenzen
In einer missbräuchlichen Beziehung wird man emotional in Schach gehalten. Gaslighting, Trennungsandrohungen und Schuldzuweisungen sorgen dafür, dass man irgendwann nicht mehr in der Lage ist, ruhig sein Leben zu führen. Der Überblick über die finanziellen Belange geht schnell verloren, weil du immerzu damit beschäftigt bist, die Harmonie in der Beziehung wiederherzustellen. Meistens sagst du deshalb öfter Ja zu bestimmten Ausgaben, um den Groll der anderen Person nicht auf dich zu ziehen.
Beispielsweise wird dir mit der Trennung gedroht oder Stress gemacht, wenn du dich beim Zusammenziehen nicht für die teurere Wohnung entscheidest oder das bessere Auto mitkaufst. So wird quasi eine Situation geschaffen, in der deine finanziellen Spielräume immer mehr abnehmen. Du hast weniger Möglichkeiten zum Sparen, weil dein Beziehungsmensch auf großem Fuße leben möchte. Durch die emotionale Drangsal und die ständigen Manipulationen wirst du dazu gebracht, Entscheidungen zu treffen, die deinen eigenen Interessen schaden.
Vermögen wegnehmen
Hast du vielleicht geerbt, besitzt du ein Sparguthaben oder Immobilien kann die finanzielle Gewalt mitunter so aussehen, dass dein Beziehungsmensch dir diese Vermögenswerte hinter deinem Rücken wegnimmt. Vielleicht verkauft er deine Wohnung. Oder er manipuliert dich dahin, dass du deine Lebensversicherung auflöst, damit ein gehöriger Geldbetrag zur Verfügung steht.
Gerade wenn die missbräuchliche Person viel Geld ausgibt und auf großem Fuße lebt, ist das Geld in der Beziehung oder Familie mit Kindern knapp. Dann soll es nach der Meinung der Manipulierenden an die Auflösung des Vermögens gehen. Auch kann es sein, dass anstehende Erbschaften von der missbrauchenden Person beansprucht werden.
Finanzielle Gewalt: Erkennen und Ausbrechen
Finanzielle Gewalt ist eine Form des Missbrauchs, der viele Gesichter hat. Es ist nicht immer leicht, diese zu erkennen, da die finanzielle Gewalt teilweise sehr subtil stattfinden kann. Auch kann es, wie gesagt, sein, dass du durch die Tumulte in der sowieso schon toxischen Beziehung genügend abgelenkt bist, und diese Form der Gewalt nicht bemerkst. Sie wird sozusagen von den offensiveren Formen der Gewalt überlagert. Letztendlich geht es auch bei der finanziellen Gewalt, ähnlich wie bei jeder anderen Form des Missbrauches, immer darum, Macht und Kontrolle über eine Person zu erlangen und aufrechtzuhalten, in dem Fall über finanzielle Mittel.
Der erste Schritt, um sich aus der finanziellen Gewalt zu befreien, ist die Erkenntnis. Erkenne, was dir da passiert! Suche dir Unterstützung und mache Ressourcen ausschließlich für dich verfügbar, damit du die finanzielle Abhängigkeit auflösen kannst. Welche Schritte du dabei genau gehen kannst, damit die finanzielle Gewalt für dich ein Ende hat, besprechen wir im zweiten Teil der Artikelreihe: Abhängig vom Partner: So löst du die finanzielle Abhängigkeit auf – Abhängigkeit in Beziehungen (2).