Obwohl das Krankheitsbild gut und altbekannt ist, sind die Ursachen der Depression noch immer nicht vollständig geklärt, was am ehesten daran liegen dürfte, dass es nicht eine, sondern viele Komponenten gibt, die zur Entstehung beitragen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit (aber auch nicht ganz gesichert) handelt es sich bei Depressionen auf der körperlichen Ebene um ein Ungleichgewicht der sogenannten Neurotransmitter. Das sind chemische Bausteine, die Nervenzellen dazu anregen Reize zu übertragen, während sie gerade dadurch die Reizweitergabe an anderer Stelle hemmen können. Kurz gesagt bilden die Neurotransmitter Systeme, die sich gegenseitig durchdringen, verstärken, hemmen, rückkoppeln – also in dynamischer Wechselwirkung miteinander stehen, ein wahres Wunderwerk der Evolution, das aus annähernd 20 einzelnen Systemen besteht.
Es gibt mindestens drei Neurotransmittersysteme, die einen starken Einfluss auf die Regulation der Stimmung haben und dadurch mit Depressionen und deren Heilung assoziiert werden. Das Serotoninsystem ist in diesem Zusammenhang das bekannteste, aber einen Einfluss dürfte auch das dopaminerge und das noradrenerge System haben. Hier wird die depressive Stimmung mit einem Mangel an diesen Neurotransmittern in Verbindung gebracht, der verschiedene Ursachen haben kann. Doch man sollte sich auch hier nicht dem falschen Gedanken hingeben, dass viel auch viel hilft, dass also eine einfache medikamentöse Ergänzung ausreicht, es kommt auf das richtige „Mischungsverhältnis“ an.
Diese Zusammenhänge sind so komplex, dass wir ihnen hier nicht weiter nachgehen wollen. Halten wir fest, dass Neurotransmitter eine bedeutende Schnittstelle zwischen psychischem Erleben und körperlichen Vorgängen darstellen. Alle weiteren Ursachen und Ansätze der Therapie, seien sie grundlegender oder komplexer, stehen also immer auch mit den Neurotransmittersystemen in Wechselwirkung.
Vielfältige Ursachen
Einen grundlegenderen Ansatz stellen die vermuteten genetischen Ursachen der Depression dar. Doch zeigen die Ergebnisse der Zwillingsforschung auch, dass selbst für eineiige Zwillinge die Wahrscheinlichkeit unter 50% liegt, an einer Depression zu erkranken, wenn der andere Zwilling betroffen ist.
Komplexere Ansätze weisen in alle möglichen, verschiedenen Richtungen, von Modellen erlernter Hilflosigkeit über Autoaggressionen, eigenen negativen Denkmustern, übergroßem Stress, depressiven Mustern bei Partnern oder Eltern, negativen Ernährungsfolgen, Mangel an Sonnenlicht und Bewegung und mit ziemlicher Sicherheit dürfen wir davon ausgehen, dass der Zeitgeist und die gesellschaftliche Stimmungslage ihren Teil zum Gesamtpaket dazu tun.
Dieses Bündel an möglichen Ursachen kann einen auf der einen Seite ratlos und verwirrt zurücklassen, auf der anderen Seite kann man aber auch in diesen unterschiedlichen Ansätzen gemeinsame Muster und Überschneidungen erkennen.
Abwärts- und Aufwärtsspiralen
Nicht nur bei Depressionen hat sich gezeigt, dass einzelne Faktoren, also auch die sogenannten genetischen Dispositionen, kein unabwendbares Schicksal sind. Und hier bietet uns die Vielzahl der möglichen Ursachen eine reiche Quelle an Möglichkeiten das Blatt zu wenden, doch es besteht auch die Gefahr, dass sich die negativen Effekte aufschaukeln. Deshalb ist es wichtig, nicht nach der einen Ursache zu schauen, sondern die Gesamtsituation auf so vielen Ebenen wie möglich zu verbessern. Gerade bei Depressionen haben sich Ansätze bewährt, die versuchen, auf verschiedenen Ebenen anzusetzen und so Synergieeffekte für die Heilung zu nutzen. Aber jeder einzelne kleine Baustein hat die Kraft, den Gesamteffekt in die andere Richtung zu drehen, die Abwärtsspirale zu bremsen und eine Gegenbewegung einzuleiten.
Quellen:
- Andreas Marneros, Handbuch der unipolaren und bipolaren Erkrankungen, Thieme, Stuttgart (2004)
- n-tv Ticker
- Wikipedia: Depression
- Wikipedia: Serotonin