Ziele zu haben und nach Möglichkeit diese Ziele zu erreichen, gehört zu einer Lebensbiographie in unserer Zeit und Kultur fast zwingend dazu.
Die Frage, was man denn mal erreichen oder werden will, hörten wir oft schon als Kinder, damit war klar, dass man etwas erreichen musste. Für Kinder wirkt das allerdings oft weder bedrohlich noch belastend, denn ihnen steht die Welt offen. Zumindest aus ihrer Perspektive, denn da sind Optionen wie Superheld und Prinzessin durchaus noch im Spiel, ein paar Jahre später werden die Vorstellungen der Kinder bereits ‚realistischer‘, wie es heißt.
Mit Polizist, Tierarzt, Pilot, Lehrer, Arzt, Feuerwehrmann, Astronaut, Profi-Fußballer, Prinzessin und Schauspieler als Top 10 sind immer noch Vertreter darunter, die später ausfallen, aber der Beruf ist ja auch nicht alles im Leben. Wir sehen jedoch, dass Kinder Beruf und Spaß durch Berufung oder ihre Träume noch ungehemmt kombinieren.
Ziele erreichen nach Drehbuch
Nach Drehbuch sieht es so aus, dass wir alle Ziele haben und welche zu haben mit einer hohen intrinsischen Motivation einhergeht. Wenn wir von unseren Zielen abweichen, helfen uns Hilfsmittel wie Affirmationen, um diesen doch wieder nachzugehen und so bilden die Affirmationen und die intrinsische Motivation ein starkes Team, das uns den gewünschten Erfolg bringt, letztlich unsere Ziele zu erreichen. Das macht uns stolz und froh und motiviert uns für neue Ziele.
Es gibt durchaus Lebenssituationen und Biographieabschnitte in denen es so laufen kann. Etwa bei Sportlern. Viele Kinder beginnen mit einem Sport, weil sie ihn leidenschaftlich gerne machen. Wenn sie Talent haben, Anerkennung bekommen, kleine Erfolge erzielen und gefördert werden, kann daraus durchaus eine beglückende Karriere werden.
Aber nicht nur im Sport. Ich traf eine sehr intelligente Krankenschwester und fragte sie, ob sie eigentlich nie Ärztin werden wollte. Sie verneinte und sagte, es sei schon von Kindesbeinen an immer ihr Wunsch gewesen Krankenschwester zu werden, sie wirkte in diesem Beruf auch wirklich engagiert und angekommen und hatte ihr berufliches Ziel erreicht.
Seine Ziele zu erreichen ist jedoch nicht nur auf den Beruf beschränkt, man hat ja gewöhnlich auch noch andere Wünsche und Träume. Man möchte in aller Regel gesund sein und bleiben, hat oft den Wunsch nach einer Partnerschaft und will etwas erleben.
Die Ziele der Gesellschaft
Da ist es dann gut, wenn man Ziele zu erreichen versucht, die den Zielen der Gesellschaft weitgehend entsprechen. Man wird damit zwar in gewisser Weise in eine etwas konventionelle Lebensweise eingefädelt, auf der anderen Seite spürt man keinen gesellschaftlichen Gegenwind und erhält höchst wahrscheinlich sogar Zuspruch von denen, die im Grunde ebenso denken und leben.
Vielleicht mag das etwas bieder und unsexy erscheinen, auf der anderen Seite ist es solide und die Chancen Krankenschwester zu werden sind sicher aussichtsreicher als die, Prinzessin zu werden. Die Gesellschaft liebt zwar einerseits ihre erfolgreichen Ausbrecher, weil diese als Stellvertreter unsere eigenen Träume leben – man könnte jederzeit auch, wenn man nur wollte – doch auf der anderen Seite ist man etwas hämisch froh, wenn diese Ausbrecher dann scheitern. Die leicht hämische Freude wird durch übergroßes Verständnis kaschiert, man ist sofort bereit zu helfen und Verständnis zu haben, wenn einer es anders man wollte, aber leider, leider (hä, hä) gescheitert ist. Dann kann man die gefallenen Engel noch fragen, wie es denn so war, hat ein wenig Insiderwissen und befriedigten Voyeurismus und die Gewissheit selbst doch aufs richtige Pferd gesetzt zu haben.
Die neue Variante der Konventionalität wagt den kühnen Versuch, das vermeintlich Beste aus beiden Welten zu kombinieren. Man meint, anders als alle zu sein, genau wie alle anderen auch. Damit das einfacher geht, greift man gerne auf bestimmte Insignien der Andersartigkeit zurück, die immer auffallend ähnlich sind, damit auch alle meine Andersartigkeit erkennen. Es ist normal ganz anders zu sein und irgendwie sogar gefordert. Doch es bleibt der Verdacht, dass man genau das im Grunde sehr artig gelernt hat, denn es ist ja der Zeitgeist und irgendwie ist man noch immer das Kind seiner Eltern, die diesen Zeitgeist repräsentierten.
Eigene Ziele erkennen
Was will ich eigentlich? Was erwarte ich vom Leben? Einerseits eine Frage, die jeder nur für sich selbst beantworten kann, andererseits ist die Antwort oft schwieriger, als man meinen sollte. Klar, man will Glück, Gesundheit, Erfolg und Geld aber wie soll das nun inhaltlich genauer aussehen? Erwarte ich, dass Glück und Erfolg einfach so kommen? Die sehr nahen Ziele kann man oft auch noch formulieren. Was man heute gerne machen würde oder am Wochenende, aber Ziele für die mittlere Distanz sind nicht immer klar.
Vielleicht muss das auch nicht sein. Die berühmt-berüchtigte: ‚Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?‘ Frage, kann manchmal auch zu optimistisch und durchgetaktet sein. Das mag nicht jeder, manche träumen sich eher so ins und durchs Leben und wollen nicht für alles einen Business-Plan erstellen. Aber um Ziele zu erreichen, muss man erst mal welche haben.
Wie viel will ich wirklich investieren? Wie sieht die optimale Work-Life-Balance aus, für mich? Was interessiert mich eigentlich im Leben so sehr, dass ich es unbedingt herausfinden oder erleben möchte? Vielleicht ist ein biederes Leben mit Familie, Kind, Haus, Garten und Hund ja spießig, aber mein Traum. Vielleicht weiß ich aber noch nicht, wo ich mich festlegen will und probiere lieber ein paar Jahre alles mögliche aus, schließlich ist man nur einmal jung.
Eigene Ziele können und werden nie ganz aus mir selbst kommen, schließlich lebt jeder Mensch zu einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten familiären, kulturellen und geographischen Umgebung, die ihn formt, aber das ist auch nicht weiter schlimm. Wir müssen die Welt nicht neu erfinden, können Vorschläge aufgreifen und müssen zwangsläufig auf unsere kulturellen Wurzeln zurückgreifen. Was aber auch nicht schlimm ist, denn die eigenen Ziele sind einfach die, die man als solche unterschreiben, zu denen man ‚Ja‘ sagen kann. Finden muss man sie allerdings trotzdem selbst.
Eigene Ziele erreichen
Seine Ziele zu erreichen, das klingt natürlich erst mal gut, wer will das nicht? Manchmal hat es einen Haken. Am besten kann man das erneut bei Sportlern sehen. Sie starten früh, entsprechend erreichen einige ihre Ziele auch recht früh. Man kann mit 20 oder 30 Olympiasiegerin, Fußballweltmeister oder Superstar sein. Man hat sein großes Ziel dann tatsächlich erreicht, auf das man sehr lange hingearbeitet und dem man große Teile seiner Jugend geopfert hat. Irgendwann ist man 27 und am Ziel der Träume und dann?
Fallen manche in ein Loch, weil sie alles erreicht haben. Manche werden Wiederholungstäter, gewinnen fünf mal Wimbledon oder was auch immer, aber irgendwann ist Schluss und dann muss man sicher wieder neu motivieren und das schafft nicht jeder, aus verschiedenen Gründen. Es sind nicht wenige Fälle bekannt, in denen Sportler, aber auch andere Stars aus der Showbranche scheiterten, oft auch weil sie ihr größtes Ziel erreicht haben und sie sich nun auch einmal leer und ziellos fühlten. Das, was der Alltag dann bietet, ist oft nur ein Schatten dessen, was man erreicht hat. Das kann bis zum depressiven Loch führen, heute würde man es wohl Anpassungsstörung nennen.
Es gibt viele Ziele die so ein ‚einmal Phänomen‘ sind. Einmal in diese Stadt, jenen Menschen treffen oder eine Safari machen, auch danach kann eine gewisse Ernüchterung eintreten, weil der Traum weg ist. Aber es gibt auch andere Ziele. Wenn man seinem Traumberuf nachgeht, hat man im guten Fall Jahrzehnte eine Quelle der Freude, dasselbe, wenn es mit der Partnerschaft stimmt, da kommt dann eines zum anderen und die positiven Ereignisse addieren sich zu einem insgesamt lohnenden und guten Leben.
Vielleicht ist es sogar ganz gut, wenn sich nicht alle Träume erfüllen, so dass man noch immer ein Ziel für die Zukunft hat. Schlacht ist natürlich in vielen Fällen, wenn es einem komplett verwehrt ist seine Ziele zu erreichen, weil irgendwie immer etwas dazwischen kommt.
Schicksalsschläge
Unerwartete Krankheiten oder Unglücksfälle im Leben hindern uns manchmal daran, unsere Ziele zu erreichen. Das kann ein heilsamer Schock sein, weil man das, was im Leben zählt und wichtig ist vielleicht vollkommen neu bewertet. Es kommt stark darauf an, wie man das selbst bewertet. Für manche ist ihr Leben ab diesem Moment, nach all der Verzweiflung nur noch ein Leben zweiter Klasse, für andere kann so ein Ereignis ein Aufwachen sein, ein echter Start in ein völlig neues Leben, das sich gar nicht über den Mangel definiert.
Es gibt psychische Krankheiten, die verhindern, dass man seine Ziele erreicht. Depressionen können dazu gehören, einerseits, weil man nicht mehr die Energie hat, die man vielleicht braucht um bestimmte Ziele zu erreichen, aber es kann auch sein, dass man ein Gefühl der Schuld hat, so dass man meint, es nicht verdient zu haben seine Ziele zu erreichen, weil man irgendwie ein schlechter Mensch ist.
Im Falle narzisstischer Pathologien kann das Problem bestehen, dass man ein erreichtes Ziel, auch wenn es länger emotional satt machen könnte, sogleich selbst entwertet, wenn man es erreicht hat. Das mehr oder weniger lange anhaltende Wohlgefühl stellt sich in diesen Fällen erst gar nicht ein. Es gibt seltene sadomasoschistisch gefärbte Pathologien der Selbstsabotage, in denen man seinen gesellschaftlichen Aufstieg verhindert, indem man zwar seine Leistung bringt, aber sich so unmöglich verhält, dass eine Beförderung ausgeschlossen ist.
Gier und Genügsamkeit
Wenn man Ziele erreicht, so hält die Befriedigung darüber in der Regel eine gewisse Zeit an, um dann wieder zu verschwinden. Neue Bedürfnisse tauchen auf, neue Ziele wollen erreicht werden. Das ist kein Charakterfehler sondern entspricht unserer psychischen Natur. Bedürfnisse entfalten sich nach und nach. Man ist also nicht unbedingt gierig, wenn man immer neue Wünsche hat. Dadurch bleibt man motiviert und neue Ziele tauchen auf.
Die Frage ist, kann man das, was man bislang erreicht hat würdigen? Nimmt man sich die Zeit, die Phase des Glücks, wenn man bestimmte Ziele erreicht hat, auch zu genießen? Wenn nicht, bekommt das tatsächlich einen gierigen oder gehetzten Charakter, der einem selbst nicht gut tut.
Diejenigen, die wissen, was sie haben und sich im Leben angekommen fühlen, darf man zu den glücklichsten Menschen rechnen und oft führen sie ein sehr genügsames Leben. Das bekommen auch andere mit und beneiden sie. So will man auch sein, aber das ist nichts, was man mal eben so anknipsen kann. Das neue Ziel ist dann, keine Ziele mehr zu haben. Ist etwas paradox, es kann aber klappen, dass man den Modus des Hamsterrades irgendwann mal als Ganzes hinterfragt.
Es gibt bekannte Märchen, wie das vom Fischer und seiner Frau, das dieses Motiv aufgreift. Aber von dort stolpert man oft gleich in die nächste Paradoxie.
Warum wir das letzte, erlösende Ziel nicht erreichen wollen
Die Lösung der Misere ist im Grunde einfach und wurde auch schon oft genug formuliert: ‚Sei zufrieden mit dem, was du hast, dann hast du alles, was du brauchst.‘ Das ist vollkommen richtig, der kleine Haken ist allerdings auch hierbei, dass man das auch bei Einsicht in die Richtigkeit nicht einfach umsetzen kann. Wenn man nun mal unzufrieden ist und nichts ausreicht um das zu lindern, dann ist man höchstens neidisch auf die, die zufrieden sind und der eigene Schmerz wird noch vergrößert.
Man könnte also den klugen Schritt machen und sich fragen, was man denn tun kann, um von einer eventuellen Getriebenheit weg zu kommen, die Antwort darauf ist im Grunde sehr alt, aber radikal. Es ist in letzter Konsequenz das Ich, das sich quer stellt und manches unbedingt haben will, anderes aber auf keinen Fall. Das ist die Einsicht östlicher Weisheitslehren seit ewiger Zeit. Es ist zugegeben etwas schwierig zu verstehen, wie man denn sein Ich überwindet, aber andererseits gibt es bei uns seit vielleicht 50 Jahren ein anhaltendes Interesse, man sollte meinen, dass doch immer wieder Menschen verstehen, wo das Problem liegt.
Wenn man keine Ziele mehr hat und nichts mehr erwartet, ist man bei der Überwindung des Ich auf einem guten Weg und man kann eben auch nicht mehr enttäuscht werden. Das muss nicht abwinkend und resignierend geschehen. Doch bei vielen, die sich damit befassen und annähernd verstehen, worum es geht, tritt ein seltsamer Effekt auf, sie wollen den letzten Schritt dann doch nicht gehen. So schlecht ist es mit dem Ich ja doch nicht und wer weiß, ob das alles stimmt und wenn dann vielleicht im übernächsten Leben.
Man möchte die Medizin in der Schublade haben, aber sie noch nicht nehmen. Wenn die Schmerzen zu großen werden, probiert man vielleicht mal ein wenig, aber wenn sie dann wieder erträglich sind, hebt man sie sich für später mal auf.