Gesprayter Schrtiftzug vegan auf Holzbank

Steht der Westen für kurze, neue Trends oder lanfgristige Überzeugungen? © Crystal under cc

Im Angesicht von Problemen und Diskussionen und süffisanten Formulierungen, wie ‚der Wertewesten‘ stellt sich die Frage: Wofür steht der Westen?

Die Probleme liegen auf der Hand. Aktuell die austrudelnde Corona Pandemie, der Krieg, die Klimaziele, die Inflation, die generelle Frage nach Wohlstand und immer wieder nach unseren Werten, aktuell bei der Diskussion im die Fußball WM in Katar und die Rede von der Freiheit. Wie kann man den Westen kritisieren, ohne gleich das Kind mit dem Bad auszuschütten? Um zu klären, ob das möglich ist muss man erst mal auf eines schauen:

Was ist der Westen?

Die Frage ist ja erst mal nicht, ob man den Westen feiern oder verurteilen sollte, sondern was ihn überhaupt ausmacht. Bei Wiki finden wir:

„Während der Begriff ursprünglich die westeuropäische Kultur bezeichnete, wird er heute meistens auf gemeinsame Werte der Nationen in Europa und Nordamerika bezogen, die Bürger- und Menschenrechte garantieren, nach westlichen Werten wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit, Individualismus und Toleranz leben und die liberale Demokratie praktizieren. Oftmals wird auch der Staat Israel hinzugerechnet. Die Gesellschaftssysteme der westlichen Welt beruhen auf dem Wirtschaftssystem der Marktwirtschaft mit freier Lohnarbeit und sind historisch vom Christentum, später jedoch maßgeblich von der Aufklärung geprägt. Dazu gehören auch die sprachlich und kulturell eng verwandten früheren Kolonien wie Lateinamerika oder Australien, deren ethnische Identität und dominierende Kultur von Europa abgeleitet wurden.“[1]

Das ist gut beschrieben, aber man kann sich sogleich fragen, ob denn wirklich überall in den genannten Regionen die gleichen Werte in derselben Intensität gelebt werden. Man kommt schnell zu der Antwort, dass das nicht der Fall ist. Auf der anderen Seite unterliegt dem Westen auch immer ein dynamischer Aspekt, der von der Idee des Fortschritts geprägt ist und das heißt, dass man auch unterwegs zu einer immer volleren Entfaltung dieser Werte sein kann.

Aber von dieser Bewegung hin zu den zitierten Prinzipien gibt es auch immer wieder Absetzungsbewegungen und so konnte Habermas schon 2004 ein Buch mit dem Titel Der gespaltene Westen schreiben, in dem er den Riss, der durch die westliche Wertehemissphäre geht, skizzierte. Habermas sagt darin, dass die USA in der Folge der Terrorangriffe auf das World Trade Center ihre moralische Leitbildfunktion verloren hätten. Fundamentalere Kritiker würden sagen, dass dies schon viel eher der Fall war oder sie diese niemals inne gehabt hätten. Ein anderer Punkt, den auch Habermas aufzeigt, ist die Frage der Religion.

Es gibt Teile des Westens die sehr religiös sind, während andere immer atheistischer oder säkularer werden und in den letzten Jahren kann man eine neue Form der Religiosität erkennen, die den Westen erfasst, ein Aufkommen moderner, evangelikaler Positionen, die auch mit autoritären Positionen besser kompatibel sind, als man sich das wünschen könnte. Gleichzeitig verliert das klassische Christentum in Teilen Europas mehr und mehr an Bedeutung.

Vorwurf und Antwort in Skizzen

Der Vorwurf

Der Westen trägt seine Werte gerne demonstrativ vor sich her und interpretiert diese dabei so weitreichend, dass von ihnen kaum noch etwas zu erkennen ist, wobei es im Kern um reine Interessenwahrung im Sinne der Machtpolitik geht, die hinter dem Wertevorhang verschleiert ist. Dabei zeigt der Westen gerne mit dem Finger auf anderen Staaten oder Systeme und übersieht, das dabei drei Finger auf ihn selbst deuten, sprich, man wirft anderen vor, was man zeitgleich selbst praktiziert oder (historisch gesehen) eben noch praktizierte.

Die Antwort

Selbstkritik und Aufarbeitung eigener Fehler gehören zum Selbstbild und zur Praxis des Westens. Man ist vielleicht nicht perfekt, aber unterwegs zum Besseren und dies ist ein steter Prozess des Fortschritts, der Reflexion, der Einsicht, Offenheit für den kritischen Dialog und der Nachbesserung.

Der Vorwurf

Auch dies ist eine Variante des Eurozentrismus in dem sich der Westen einmal mehr als Maßstab für alle Teile der Welt absolut setzt. Was wir jetzt gerade als gut und richtig erachten soll immer noch Vorbild für alle sein, man ist und bleibt der Idee verhaftet, dass die anderen einfach noch nicht so weit sind.

Das ist die vielleicht gezähmte und etwas eingehegte, im Kern aber ungebrochene Idee, die auch hinter den Gedanken des Kolonialismus und der Missionierung in der europäischen Geschichte stand, damals vielleicht mehr der religiösen, heute mehr der aufklärerischen Traditionslinie folgend.

Die Antwort

Man sieht im Westen mehr und mehr die Richtigkeit dieser Kritik ein, sieht auch den Eurozentrismus kritisch und versucht sich neuen, bzw. alten Ideen und Lebenspraktiken aus anderen Teilen der Welt stärker zu öffnen und diese Sichtweisen und auch ihre jeweilige Kritik am Westen und seiner Geschichte zu integrieren.

Dabei nimmt der Westen für sich in Anspruch in Fragen der Selbstkritik und Integration weiter zu sein, als andere Ansätze, Lebensformen und politische Systeme im größeren Stil. Andere Teile der Welt sind mit der kritischen Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte mitunter tatsächlich noch nicht so weit.

Der Vorwurf

An der Stelle kann man die Frage stellen, ob denn eine selbstkritische Aufarbeitung in allen Fällen wünschenswert ist, oder ob nicht ein gewisser Traditionalismus, der an Werten festhält nicht auf ein möglicher Ansatz ist.

Dieser Vorwurf kann von innen und außen kommen, es gibt auch Kritik am Westen, aus der westlichen Sicht selbst. Diese sieht den Westen als zunehmend orientierungslos, langsam und zaghaft an, mit der fehlenden Fähigkeit sich gegen Ansätze zu schützen, die die pluralistische Einstellung zerstören wollen.

Manche sagen, dass der Pluralismus und Multikulturalismus zu weit gehen und die Perspektiven von Randgruppen immer mehr den Diskurs prägen, Moral und Ethik in einen Moralismus übergehen und die verbindenden Kräfte des Westens eher durch zu viel als zu wenig Toleranz zerstört werden. Dies dürfe man aber nicht kritisieren, da man sonst sofort diskreditiert ist, so dass manche meinen, die Demokratie sei keine mehr.

Die Antwort

Die Antwort kann hier lauten, dass die Möglichkeit seine kritische Einstellung zu äußern eben hier sehr wohl möglich ist, während diese in anderen Systemen massiv unterdrückt wird. Vieles von dem, über was man angeblich nicht diskutieren darf, ist nahezu mediales Dauerthema, wie man leicht feststellen kann, wenn man die Suchmaschine bestätigt.

Der Westen kann auch auf eine de facto Überlegenheit seines Ansatzes in Bezug auf wichtige Parameter wie Wohlstand, Bildung, Lebenserwartung und dergleichen verweisen, allerdings …

Der Vorwurf

… kann sich hieran der Vorwurf anschließen, diese Überlegenheit käme vor allem dadurch zustande, dass man andere Regionen klein hält und ausbeutet, früher mit Waffengewalt, heute durch das überall installierte Wirtschaftssystem, das von Kapitalismusgegnern heftig kritisiert wird. Zudem kann man sagen, dass die Lebensweise der Mittelschicht, die vor allem im Westen existiert und zuerst ausgebildet wurde, im Bezug auf das Klima, Müllproduktion, Ressourcenverbrauch, Zerstörung der Biodiversität und vieles mehr, einige kritische Marken gerissen hat, so dass eine aufkommende Mittelschicht in vielen anderen Teilen der Welt, insbesondere wohl China, Indien und Brasilien eine gewaltige Belastung für die Selbstregulationsmechanismen der Erde darstellen würde.

Der sexuell perverse Westen

Regenbogenflagge mit Aufschrift: All are welcome

Sind im Westen alle willkommen? © Jennifer Boyer under cc

Man könnte die Vorwürfe immer feiner verästeln und an ihnen ist sicher etwas dran, doch auch die Antworten sind nicht von der Hand zu weisen, jede Seite sieht ihre Argumente als die besseren an. Wir werden einige später näher betrachten.

Auffallend ist, dass sich die Kritik am Westen immer wieder auch an dem Umgang mit Sexualität entlädt. Von innen und neuerdings auch von außen. Hier gibt es vor allem den Vorwurf, der Westen würde zu liberal mit der Homosexualität oder der LGBTIQ Szene und Pornografie umgehen.

Generell ist es so, dass Homosexualität in urbanen und subkulturellen Inseln im Westen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt wurde, sowohl in den USA, als auch in Deutschland.[2][3] Offiziell wurde die Homosexualität in den USA zuerst 1962 in Illinois erlaubt, in anderen Bundesstaaten konnte sie bis 2003 bestraft werden.[2]

In Deutschland wurden Homosexuelle in der Nazizeit strafrechtlich verfolgt, in der Bundesrepublik ist die Homosexualität seit 1969 straffrei, der DDR war man da deutlich schneller.[4]

„Anfang 2017 wurden die Ergebnisse einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) aus 2016 bekannt. Demnach sind 95 Prozent der Befragten der Meinung, dass es gut ist, Homosexuelle gesetzlich vor Diskriminierung zu schützen. 80,6 Prozent sind außerdem der Meinung, dass Lesben und Schwule auch heute noch unter Herabwürdigung und Ungleichbehandlung zu leiden haben.“[5]

Dass Homosexuelle im Westen übermäßig protegiert werden, kann man nicht behaupten, sie werden nur nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Die Homosexualität wird von nahezu allen Weltreligionen kritisch bis ablehnend gesehen und so haben es Homosexuelle im ländlichen, konservativen und religiösen Milieu allgemein schwerer als in den urbanen Regionen und in Teilen der Künstler- und Kreativenszene, die auch die erwähnten subkulturellen Inseln des frühen 20. Jahrhunderts darstellten.

Auffällig ist jedoch, dass der sexuelle Missbrauch in der katholischen Kirche, die sich extrem schwer damit tut Homosexualität anzuerkennen, verglichen mit den Zahlen sonstiger Missbrauchssituation sehr hoch im Bereich von männlichen Kindern und Jugendlichen ist. Zugleich werden die Zahlen des Missbrauchs in der Kirche stark in den Fokus gerückt, die bei weitem meisten Fälle treten im familiären Bekanntenkreis auf, gefolgt von der eigenen Familie.

Es existiert der Vorwurf, es sei ein bewusstes politisches Programm des Westens, andere Nationen oder Regionen mit ihrem Werterelativismus oder einer zu ausgedehnten Toleranz zu infizieren, die auch die Sexualität einschließt und sich dabei moralisch überlegen zu gebärden. Aus einer liberalen Position kann man argumentieren, der Westen solle demütiger sein, weil auch er keineswegs über eine lange Tradition in Sachen Gleichberechtigung verfügt, der Weg von einer Aufhebung des Verbots zur wirklichen Akzeptanz ist weit und keineswegs beendet.

Aus einer konservativen Position heraus könnte man argumentieren, der Westen hätten keine ausreichenden gesellschaftlichen Schutzmechanismen und ließe sich inzwischen, durch eine falsch verstandene Toleranz von jeder Minderheitengruppe auf der Nase herum tanzen. Die Frage ist, wo Konservativismus in Autoritarismus übergeht.

Schaut man sich die Punkte der F-Skala zur autoritären Persönlichkeit an, dann findet man, dass manche der Kritikpunkte am Westen von einer solchen Einstellung herrühren. Darauf gehen wir später noch ein.

Es wird immer wieder – zuletzt auch von einem unserer Gastautoren – eine Nähe von Pornografie, die durch das Internet praktisch jedem (dessen Staat über die betreffende Infrastruktur verfügt) und immer zur Verfügung steht und Narzissmus gezogen und auch zur Kinderpornografie, die immer mehr von Kindern und Jugendlichen selbst konsumiert und verbreitet wird. Je nach Quelle ist es unterschiedlich wo in der Welt die meisten Internetpornos konsumiert werden, aber Deutschland ist immer weit vorne mit dabei. Siehe hier, hier und hier.

Wofür steht der Westen? Auf der einen Seite wollen wir die Freiheit und Gleichberechtigung von Frauen und fordern diese ein, wenn es um Diskussionen von Verschleierung oder Kopftuch geht, aber die Frage, wie der Westen mit Frauen umgeht, wenn diese auf Sexobjekte reduziert werden und in erschreckend hohem Ausmaß Gewalt erleben müssen wollen wir nicht so gerne hören. Doppelmoral?

Die Verfügbarkeit von Pornos zu jeder Zeit ist kein Zeichen einer sexuellen Befreiung und Offenheit, sondern eher die Reduzierung der Liebe auf einen Pol, den von Lust und Leidenschaft. Liebe wird aber als die Integration von sexueller Leidenschaft und Zärtlichkeit und Sorge angesehen. Im konventionellen Film ist gewöhnlich die Sexualität zugunsten der trauten, asexuellen Zweisamkeit unterdrückt, im Porno spielt die Beziehung und Begegnung auf Augenhöhe keinerlei Rolle. Welche Seite der Liebe unterdrückt ist dabei eher nebensächlich, beide Einseitigkeiten verhindern die Ausbildung des ganzen Spektrums.

Was ist eigentlich normale Sexualität und wer sagt das?

Eine eigene Diskussion, die hier zu kurz kommen muss, aber sie sollte dennoch angerissen werden. Wer hat das Recht, wem zu sagen, was richtig und was falsch in der Sexualität ist? Man kann sicher sagen, dass hier objektive wissenschaftliche Kriterien besser sind, als politische Vorurteile, aber auch die Wissenschaft steht unter dem Einfluss gesellschaftlicher Entwicklungen, besonders eine Wissenschaft des Menschen, wie die Psychologie es ist.

Allgemein kann man dennoch sagen, dass eine stabile Beziehung auf Augenhöhe, in der es gelingt Leidenschaft, Respekt und Sorge zu integrieren als normale Sexualität gelten kann, was zugleich die Sexualität mit Schutzbefohlenen ausschließt, da diese abhängig sind. Bei uns stehen diesen Formen der Sexualität unter Strafe.

Auch wenn die psychologische Erforschung der Sexualität und Aggression und ihrer Bedeutung für Psyche und Gesellschaft durch Sigmund Freud im Westen begonnen wurde, so stellt der Psychoanalytiker Otto Kernberg doch fest, dass es weiterhin gerade im Westen konventionelle Mythen gibt:

„Hier betrete ich ein schwieriges Terrain. Oft ist zu hören, vor allem in konservativen psychoanalytischen Kreisen, dass die harten Zeiten, die die Psychoanalyse gerade durchmacht, damit zu tun haben, dass Freuds Entdeckungen für die konventionellen Ansichten der Menschen nach wie vor eine große Bedrohung darstellen. Ich glaube, dass die Sichtweise die ernsthaften Schwierigkeiten unterschätzt, in die sich die Psychoanalyse selbst gebracht hat; sie hat ihren Ruf als isolationistisch, elitär und voreingenommen gegenüber empirischer Forschung kritiklos hingenommen, ja zuweilen selbst befeuert. Doch ist die eingangs zitierte Sichtweise – ein hartnäckiges Festhalten der westlichen Welt an einigen konventionellen Mythen – durchaus zutreffend. Das betrifft

  • den Mythos von der sexuellen Unschuld des Kindes,
  • den Mythos, dass der Mensch von Grund auf gut ist, sowie
  • den Mythos, dass bei einer menschlichen Begegnung zumindest eine der beiden Parteien der anderen zu helfen bemüht ist.

Max Gitelson fasste dies in einfachen Worten zusammen: „Es gibt viele Menschen, die an die Psychoanalyse glauben, außer wenn es um Sex, Aggression und Übertragung geht.“[6]

Wenn Kernberg den Mythos von der sexuellen Unschuld des Kindes anspricht, so heißt das, dass es falsch ist, dass Kinder asexuelle Wesen sind, aber es heißt zugleich in keinem Fall, dass sie in irgend einer Weise sexuell zur Verfügung stehen dürfen. Sexuelle Übergriffe von Erwachsenen auf Kinder sorgen im Gegenteil dafür, dass es zu schweren Irritationen in ihrer Entwicklung kommt, mit oft tiefgreifenden Störungen, auch wenn die Täter ‚ganz lieb‘ waren und es in ihrem Selbstbild nicht böse meinten.

„In ihrem grundlegenden Werk „Kreativität und Perversion“ (1984) beschreibt Chasseguet-Smirgel die „perverse“ Lösung von Kindheitserlebnissen, die die traumatischen Implikationen, die Teil der gewöhnlichen menschlichen Entwicklung sind, in hohem Maße potenzieren. Ausgehend von der ödipalen Situation als universalem menschlichen Konflikt beschreibt Chasseguet-Smirgel zunächst das narzisstische Trauma des Kindes, von den intimen Beziehungen der Eltern ausgeschlossen zu sein und nicht in der Lage zu sein, mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil um den andersgeschlechtlichen Elternteil zu rivalisieren. Dieses Trauma wird durch die universale Verführbarkeit verstärkt, deren Ursprung in den unbewussten erotischen Strömungen liegt, die das Kind mit dem andersgeschlechtlichen Elternteil verbinden, sowie der Kastrationsangst als archaischer Ausdrucksform der unbewusst gefürchteten Bestrafung für die ödipalen Wünsche, zu denen Inzest und Mord gehören. Die außergewöhnlich starke Wirkung dieser Traumata im Falle schwerer Entwicklungspathologien mündet, so Chasseguet-Smirgel, in die „perverse Lösung“:

  • Verleugnung des Geschlechtsunterschiedes, um die Kastrationsangst abzuwehren;
  • Verleugnung des Altersunterschieds, um Inzest zu legitimieren; und
  • Verleugnung der privilegierten Funktionen der Genitalien.

Diese abwehrbedingte Verzerrungen führen dazu, dass nunmehr alle körperlichen Aspekte gleich sind: Es gibt keine Alters-, Geschlechts- und Organunterschiede. Diese universale Gleichwertigkeit zerstört jedes Gesetz und jede Ordnung, sie leistet einer mit Sexualität verdichteten Aggression sowie einer „analen“ Verwandlung der Objektbeziehungen Vorschub, in dem Sinne, dass die Beziehung zu einem Objekt eine völlig undifferenzierte, entwertende und ausstoßende Qualität enthält.“[7]

Beide Zitate müssen zusammen gesehen werden, das erst gibt uns ein Verständnis für das ganze Bild. Es ist die relativistische und manchmal auch falsch verstandene, pluralistische Auflösung aller Grenzen, die hier ein Problem darstellt. Das wird in linksliberalen Kreisen nicht gerne gehört, aber auch in konservativen Kreisen existiert das Problem und es täte uns gut, zu erforschen, wie ein Ausweg aussieht, der die Stärken und Schwächen beider Seiten benennt.

Toleranz kann jedoch auch eine beschönigende Bezeichnung für kaltes Desinteresse sein. Doppelmoral und Moralismus, eine betonte Übermoralisierung, gerne für eine kurze Zeit und in einem sehr eingeschränkten Gebiet, deren Interesse dann auch schnell wieder nachlässt, sind weitere Vorwürfe. Wofür steht der Westen? Wir gehen den Spuren nach und schauen, ob man eine Antwort finden kann, indem man die einzelnen Themen, auch die oft verdrängte Sexualität, aus verschiedenen Blickwinkeln immer wieder ein wenig anders betrachtet. Im besten Fall finden wir eine Deutung, die konstruktiv in die Zukunft weist.

Quellen:

  • [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Westliche_Welt
  • [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Homosexualit%C3%A4t_in_den_Vereinigten_Staaten
  • [3] Florian Illies, Liebe in Zeiten des Hasses, S.Fischer 2021
  • [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_in_Deutschland
  • [5] https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_in_Deutschland#Gesellschaftliche_Situation
  • [6] Otto F. Kernberg, Liebe und Aggression, Schattauer 2014, S. 301
  • [7] Otto F. Kernberg, Liebe und Aggression – Ein unzertrennliche Beziehung, Schattauer 2014, S. 325f