„Du hast nur Liebeskummer.“ Nur? Gerade für Menschen, die mit Verlustangst kämpfen, ist eine Trennung eine Konfrontation mit ihren größten Ängsten. Doch wie wird man dieser Angst Herr? Wie überwinde ich meine Verlustangst? Wir geben einzelne Anregungen aus psychologischer Sicht.
Trennung = traumatische Erfahrung
Der Blick der Gesellschaft auf „Liebeskummer“ wird häufig von einer Abschwächung begleitet. Liebeskummer haben Teenager. Der Verarbeitung einer Trennung oder Scheidung gesteht man zumeist mehr Leid zu. Aber auch dieses Leid sollte zeitnah vorüber sein, so die allgemeingültige Annahme.
In unseren Köpfen ist nicht verankert, dass eine Trennung durchaus eine traumatische Erfahrung sein kann. Eine Erfahrung, die uns fürs Leben prägt. Immerhin geht es um einen Verlust. Ein geliebter Mensch verschwindet von Jetzt auf Gleich aus unserem Leben. Nichts ist mehr so, wie es war. Der Alltag ist ein komplett anderer. Sind Kinder oder eine finanzielle Abhängigkeit mit im Spiel, ist sogar die Existenzgrundlage gefährdet. Die gemeinsamen Lebensziele, die man sich mit dem anderen vorgestellt hat, sind dahin. Wer Liebeskummer hat, der wird zuallererst seinen vergangenen schönen Beziehungserfahrungen, der Gegenwart und der Zukunft beraubt. Kurzum: Wir fallen in ein tiefes Loch.
Jede Trennung bestätigt Verlustangst

Nach einer Trennung fühlt man sich zunächst erst einmal wie weggeworfen. Der Schock sitzt tief. © Martin Abegglen under cc
Wie bereits im ersten Teil dieser Artikelreihe aufgemacht, bestätigt jede weitere, negative Erfahrung mit einer Partnerschaft die eigene Verlustangst. Das bedeutet, wir sprechen hier von mehreren traumatischen Erfahrungen und einem Manifestieren in den Gedanken und Emotionen der Verlassenen. Manche Menschen mögen Verluste besser verarbeiten als andere. Darin liegt keine Wertung. Lediglich unterschiedliche Erfahrungen und eine andere Basis, die man in der Kindheit mitbekommen hat.
Doch wie kann ich stärker werden und wie überwinde ich meine Verlustangst?
Psychologen-Tipps: Wie überwinde ich meine Verlustangst?
Es gibt Ansatzpunkte im Denken und Handeln, welche die Verlustangst abschwächen und ein Stück weit überwinden können. Aber bitte gib dich keiner Illusion hin. Es erfordert viel Übung, Tage mit Rückschlägen nebst Rückfall in alte Denkmuster, nur um einen „immer besseren“ Umgang mit der Verlustangst erzielen zu können. Richte den Fokus selbst auf kleine Erfolge. Allein, dass du dich dafür entscheidest, deine Verlustangst zu überwinden, ist ein Ja zu dir und ein Nein zu Personen/Beziehungen, die dir schaden.
Gefühle gehen vorüber
Bei einer empfundenen Freude wissen wir, dass diese nur begrenzt anhalten wird und vorübergeht. Interessanterweise nehmen wir demgegenüber bei negativen Gefühlen an, diesen hilflos und unbegrenzt ausgeliefert zu sein. Selbst wenn wir natürlich rein vom Kopf her wissen, dass „die Zeit alle Wunden heilt“, gehen wir vom emotionalen Standpunkt eher davon aus, dass nach einer Trennung ein ewiges Dunkel auf uns wartet. Wir haben keine Vorstellung von dem Ende dieser Phase. Möglicherweise liegt das daran, dass man noch nie zuvor in seinem Erwachsenenleben alleine war, sondern stets in einer Partnerschaft. Folglich können wir uns nicht vorstellen, wie es danach weitergehen soll.
Die Imagination, bei der Gefühle wie auf einer Wolke vorbeiziehen, ohne dass man in irgendeine Aktion gehen muss, kann aus therapeutischer Sicht hilfreich sein. Gefühle müssen nicht ausagiert werden, damit sie weggehen. Wir müssen dem/der Ex nicht schreiben, um unserer Wut/Verzweiflung/Trauer Ausdruck zu verleihen. Wir müssen uns nicht in die nächste Affäre stürzen. Gefühle gehen vorbei, wir sind ihnen nicht hilflos ausgeliefert und, so sehr es uns schmerzt, sie sind letztendlich aushaltbar.
Ein bisschen wie ein kalter Entzug
Gerade nach toxischen Partnerschaften, die von beständigen Aufs und Abs geprägt waren und einer gefühlsmäßigen Achterbahnfahrt gleichen, ist es schwer, emotional wieder auf eine ruhigere Baseline zu kommen. Die früheren Annäherungen mit dem anderen verschafften ein regelrechtes Hochgefühl. Die Abwertungen und Distanzierungen seitens des anderen stürzten uns in eine tiefe Trauer. Die Verarbeitungsmuster im Gehirn ähneln einer Art Sog wie bei einer Droge. Folglich müssen wir nach einer Trennung in den Entzug. Aber auch der geht vorüber. Und bedenke: Eine große Rückfallgefahr besteht auch, wenn wir uns gut und stark fühlen. Dann glauben wir nämlich, dass wir eine On-Off-Partnerschaft oder Affäre oder Freundschaft Plus schon irgendwie hinbekommen werden.
Konzentriere dich auf dich

Wie überwinde ich meine Verlustangst? Die Überwindung erscheint einem fast übermächtig, ist aber anhand vieler kleiner Schritte machbar. © Pascal Maramis under cc
Nimm es als Challenge an, nach einer Trennung wirklich mal eine Zeitlang alleine zu bleiben. Was du anfangs für unmöglich hältst und dich glauben macht, du würdest nie wieder glücklich sein können, wird dir von Tag zu Tag besser gelingen. Das heißt nicht, dass es keine gefühlsintensiven Rückschläge geben wird, aber mit jeder vorübergehenden Trauer erfährst du, dass sie handle-bar ist. Folglich wird die Bewertung deines Gehirns zukünftig eine andere sein. Das Alleinsein und die Gefühle von Verlassenwerden und Leere kommen dir weniger übermächtig vor (als du es vielleicht in der Kindheit empfunden hast). Du merkst, dass du es aushalten kannst und das Leben dennoch weitergeht. Wenn du dich fragst: „Wie überwinde ich meine Verlustangst?“, so ist die Umbewertung im Gehirn ein wesentlicher Schritt.
Etabliere eigene Tagesinhalte
Um deine Verlustangst zu überwinden, brauchst du generell einen Alltag, der weniger auf Partner*innen ausgerichtet ist. Tue dir Gutes. Treffe dich mit Freunden, habe Spaß bei der Arbeit, einem Hobby, gehe in Selbsthilfegruppen, mache Yoga, meditiere usw. Verlustängstliche Menschen sind stark auf das Leben der Partner*innen konzentriert. Indem du deine Tagesinhalte auf dich und dein Leben ausrichtest – und außerdem mit deinen Gedanken in deinem Leben bleibst –, ist eine mögliche Trennung oder die Angst vor dem Verlust von Partner*innen weniger lebensbestimmend.
Darüber hinaus wird es dir zukünftig leichter fallen, Grenzen zu setzen und dir eine negative Behandlung in Beziehungen nicht mehr gefallen zu lassen.
Begrenze die Grübeleien
Jede erneute Grübelei über etwas, das man sowieso nicht ändern kann, ist eine Ausweitung negativer Gedankenpfade, die Verlustangst befeuern. Deshalb: Begrenze die Grübelzeiten zeitlich. Hinterfrage während dieser deine negativen Glaubenssätze, die dir in deiner Kindheit von deinen Eltern mitgegeben wurden (Bsp. „Ich schaffe es nicht allein im Leben.“) und lasse die Last der Glaubenssätze bei deinen Eltern. Sie betreffen dich nicht. Es sind lediglich die elterlichen Ängste und Annahmen über die Welt, die dir als Kind suggeriert wurden. Ersetze die negativen Annahmen bewusst durch positive. Programmiere dein Gehirn quasi um (Bsp. „Ich werde es im Leben schaffen. Selbst wenn ich noch einiges lernen muss, werde ich es schaffen.“). Es kann auch helfen zu schauen, was du schon alles erreicht hast, und jenes aufzuschreiben. So blickst du als Erwachsener auf deine kindlichen Prägungen und Ansichten.
Bringe es zu Papier

Indem man Grübeleien zu Papier bringt, hat man im Kopf Platz für Neues. © Caleb Roenigk under cc
Nahezu jeder Psychologe wird dir sagen, dass du deine Gedanken, Ängste, deine Annahmen und Spekulationen, das, was du deinem/r Ex sagen möchtest etc., aufschreiben sollst. Der Trick daran ist, dass es dadurch aus dem Kopf raus ist. Dein Gehirn muss sich nicht mehr an diese Gedanken klammern, um sie nicht zu vergessen. Es weiß, dass die Dinge auf einem Blatt Papier stehen, ähnlich wie bei einem Einkaufszettel.
Auch deine Erfolge und Entwicklungen kannst du so notieren. In Form einer Dankbarkeitsliste richtest du erneut deine Gedanken auf Zuversicht, Konzentration auf dein Leben und Positivem aus.
Praktiziere Gedankenstopps
Driftest du mit deinen Gedanken wieder in eine schadhafte Richtung ab, praktiziere Gedankenstopps. So lässt du nach und nach dysfunktionale Gedächtnispfade zuwuchern und stärkst neue, dir zugewandte und wohlwollende Pfade durch die Änderung in deiner Bewertung. Es mag mühsam erscheinen, aber so kannst du deine Verlustangst abmildern.
Loslassen statt Kontrolle
Wie du deine Verlustangst überwinden kannst, hängt auch von dem Praktizieren des Loslassens ab. Finde dich mit dem Gedanken ab, dass du das Verhalten des anderen oder den Ausgang einer Beziehung nicht kontrollieren kannst. Alles kommt, wie es kommt. Sicherlich ist es heftig, so etwas zu hören, dennoch sollte es ausgesprochen werden. Egal, wie stark du grübelst, vielleicht auch manipulierst, um etwas herauszubekommen, weinst oder wütest: Die wirkliche Wahrheit wirst du sowieso nie erfahren. Du verschwendest nur Zeit und Energie, die du in dein eigenes Leben investieren kannst. Du solltest nicht das Leben des anderen leben, sondern deins. So wirst du am Ende des Lebens zufrieden zurückblicken können.
Deine Aufgabe ist es, an deiner Stärkung zu arbeiten. Nur dadurch kannst du bestmöglich und gefestigt auf bevorstehende Ereignisse reagieren. Der Rest liegt absolut nicht in deiner Macht.
Fazit: Wie überwinde ich meine Verlustangst? Die zusammenfassende Antwort, an der du dich orientieren kannst, lautet: Stärke dich, indem du im Hier und Jetzt lebst und denkst. Du kannst weder die Zukunft, noch dein Umfeld beeinflussen. Du kannst dich lediglich bestmöglich dafür rüsten.