Die Sexualität mit einem narzisstischen Partner beziehungsweise einer narzisstischen Partnerin wirkt manchmal sagenumwoben und geheimnisvoll. Die »Wolf im Schafspelz«-Attitüde, die das Charismatische vieler narzisstischer Männer ausmacht, geht durchaus mit einer gewissen Attraktivität einher. Bei narzisstischen Frauen wirkt das extreme Selbstbewusstsein, mit dem sie oft beim Sex auftreten, und die Tatsache, dass es augenscheinlich viele Nebenbuhler gibt, durchaus attraktiv auf viele Männer. Seit jeher ist es wohl so, dass Frauen wie Männer eine gewisse Unnahbarkeit und das Spiel mit dem Feuer sexuell anziehend finden.
Lassen wir in diesem Artikel Partner:innen von Narzisst:innen und auch narzisstische Personen selbst zu Wort kommen, die sich dazu bereit erklärt haben, über ihre intimen Erfahrungen und Ansichten zu berichten. Vielen Dank dafür! An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass die narzisstische Charakteristik der Menschen in diesem Artikel von diesen selbst beziehungsweise von ihren Partner:innen als eine Charaktereigenschaft verstanden wird (wie beispielsweise Schüchternheit) und damit nicht zwangsläufig eine klinische Ausprägung einhergeht.
Narzisstische Sexualität: Die Sicht von Narzisst:innen
Wie sich die Sexualität mit einem narzisstischen Partner/einer narzisstischen Partnerin de facto häufig gestaltet, haben wir in unserer Artikelserie zu Narzissmus und Sexualität aufgemacht. Da es in diesem Artikel um subjektive Erfahrungen geht, beginnen wir gleich mit der Sichtweise von eher narzisstisch motivierten Menschen in Bezug auf die Sexualität.
Innerhalb des psychologischen Beratungskontextes äußerte sich ein Mann hinsichtlich seiner Sexualität.
Da ist eine wie die andere …
Für ihn sei es relativ gleich, mit welcher attraktiven Frau er sich in einer Partnerschaft befände, so sagte er. Für ihn sei eine wie die andere. Er sagt:
»Vor allem bin ich deshalb immer wieder in Partnerschaften, weil ich so einen regelmäßig unkomplizierten Zugang zu Sex habe. Sonst bräuchte ich eigentlich keine Partnerschaft.«
Es wäre zu einfach geschlussfolgert, würde man jedem narzisstisch geprägten Charakter diese Eindimensionalität in einer Partnerschaft unterstellen. So wie bei jedem anderen Menschen auch haben die meisten sicherlich facettenreichere Motive, um sich für eine Partnerschaft zu entscheiden. Dennoch wird anhand der Aussage deutlich, wie sehr Narzisst:innen die Loyalität im Umgang mit anderen Menschen fehlt und dass ihre Verbundenheit mit den Partner:innen nur soweit reicht, wie es ihnen zuträglich erscheint. Offenbar betrachten viele ihr Gegenüber vorrangig als eine Option.
Männer umschwärmen mich …
»Männer umschwärmen mich, das war schon immer so. Und ich weiß es für mich zu nutzen.«
Eine narzisstisch orientierte Frau erinnert mitunter an eine Bienenkönigin. Durch ihr gepflegtes Äußeres und ihr oft selbstbewusstes Auftreten besitzt sie nicht selten eine hohe Attraktivität. Zeigt sie sich dann noch hin und wieder verletzlich und tränenreich, ist es meisten um die Herzen der Männer geschehen. Sie sind hoffnungslos verloren.
Ein Partner von einer stark selbstzentrierten Frau erzählte:
»Ich durfte nicht oft mit ihr schlafen, aber das machte es so interessant. Meistens ließ sie sich von mir ewig lang verwöhnen und wenn sie gekommen war, brach sie den Sex ab. Sie hatte Schwierigkeiten, zum Orgasmus zu kommen. Aber mir gefiel es auf eine besondere Art, so benutzt zu werden. Sie hat oft Streit gesucht und machte immer wieder Schluss. Meine Freunde sagen mir: ›Lass sie ziehen, sie tut dir nicht gut.‹ Aber ich kann nicht anders. Mal wieder warte ich, dass sie zurückkommt.«
Narzisstische Sexualität als Grenzübertritt mit Kick
Viele Partner:innen von Narzisst:innen schwärmen trotz der Verletzungen, die ihnen in einer Partnerschaft zugeführt wurden, gerade anfangs häufig von einer aufregenden Sexualität mit einem narzisstischen Partner/einer narzisstischen Partnerin. Oft geht sie jedoch sukzessive über die eigenen Grenzen hinaus und endet nicht selten mit einem bösen Erwachen.
Am Ende hat er mich ausgespuckt und abgelegt …
Eine Frau berichtet:
»Ich lernte ihn im Internet kennen. Er war ein beruflich erfolgreicher Mann und immer viel unterwegs. Er löste in mir etwas aus, was noch kein Mann in mir ausgelöst hatte. Aber er blieb immer irgendwie distanziert dabei, ich kam nicht wirklich an ihn heran. Trotzdem ließ ich mich auf ihn ein. Ich machte sexuell Dinge, die ich nie zuvor gemacht hatte und die ich niemals wieder tun würde. Vieles davon war auch meine eigene Schuld, das weiß ich. Aber er versicherte mir, wir wären in einer Beziehung, also öffnete ich mich ihm immer mehr. Er zog mich an sich, gab vor, mich zu lieben, überschüttete mich mit Komplimenten und als ich ihn nicht mehr ausreichend kickte, hat er mich ausgespuckt und abgelegt. Ich weiß bis heute nicht, was genau mir da eigentlich passiert ist. Inzwischen habe ich mitbekommen, dass er einen ganzen Harem an Frauen hat und sogar verheiratet ist.«
Hypersexualität und gefakte Moral
Narzisstische Menschen sind nicht selten hypersexuell. Sobald sie bestimmte Schlüsselreize erblicken, sind sie bereits stimuliert. Selbst in den normalen Erzählungen, die sie im Alltag zum Besten geben, legen viele ungewöhnlich oft und unangemessen die Betonung auf das Sexuelle.
Ständig bewertet er Frauen sexuell
Eine Frau, die sich in einer langjährigen Ehe mit einem narzisstischen Mann befindet, spricht offen über ihre Beobachtungen:
»Jedes Mal auf Familienfeiern erzählt mein Mann Geschichten aus seiner Jugend. Es sind immer wieder dieselben Geschichten. Wie er und ein paar Freunde mit Frauen nackt baden gegangen sind. Dass die Frauen juchzten und lachten dabei. Und dass es zwischen einigen zu mehr kam und dass er das dann hinter den Büschen gehört und auch zum Teil gesehen hätte. So erzählt er das und schmückt es weiter aus. Dabei ist ihm völlig egal, ob Kinder auf der Feier anwesend sind oder ob es die Anwesenden unangenehm berühren könnte. Er tut so, als wäre das, was er erzählt, etwas völlig Normales. Am Ende rechtfertigt er damit eigentlich bloß seine sexuellen Fantasien. Es geilt ihn auf und er stellt es so dar, als wäre es etwas ganz Unschuldiges.
Was er auch ständig macht, ist, dass er Frauen anhand ihrer Brüste oder ihrer Hintern beschreibt. Sie hat einen üppigen Vorbau, sagt er meistens, und dann zeigt er es vor und wertet es gleichzeitig ab. Oder aber er nimmt Bezug auf weibliche Prominente, die sich schlüpfrig darstellen und im Bikini durch die Medien hüpfen, weil sie nichts anderes können. Das ist seine Ausdrucksweise, nicht meine. Jedes Mal auf Familienfeiern sind das immer seine Themen, es sind immer dieselben Frauen, auf die er Bezug nimmt und die er bewertet. Andere Frauen sind dagegen solide und schlicht gekleidet, sie hätten es nicht nötig, ihre Brüste vorzuzeigen. Offiziell tut er so, dass er von den soliden Frauen mehr angetan ist, aber anhand seiner widersprüchlichen Erzählungen merkt man, wie sehr ihn die freizügigen Frauen eigentlich aufgeilen. Es ist widerlich. Oder aber er mokiert sich über eine Nachbarin von uns, die viel zu kurze Röcke trägt. Andererseits prangert er Frauen an, die heutzutage einen einfachen Dutt tragen und ihr Haar nicht mehr ordentlich frisieren. Die Frauen sähen aus wie damals seine Oma. Er bewertet ständig.«
Ist Sexualität mit einem narzisstischen Partner immer abwertend?
Vor allem bei Partnerinnen von narzisstischen Männern hört man oft heraus, dass sie beim Sex in irgendeiner Weise abgewertet werden. Im nächsten Teil zu unserer Serie »Im Bett mit Narzissten« gehen wir anhand von Erfahrungsberichten nach, inwiefern die Sexualität mit einem narzisstischen Partner/einer narzisstischen Partnerin mit einer Abwertung einhergeht: Narzisstische Sexualität – Im Bett mit Narzissten (2).