Der Wunsch nach dem Tod weiterleben zu können ist sicher sehr alt. Er ist, auch das weiß man schon lange, zutiefst mit dem Menschsein verbunden.
Den Tieren, so nimmt man an, fehlt das Bewusstsein über ihre Sterblichkeit und die Götter sind unsterblich, falls es welche gibt. Wie viel Tiere über sich und den Tod wissen, ist unklar, klar ist aber, dass man in der Bewusstseinsfalle des Todes sitzt, wenn man um die eigene Sterblichkeit weiß. Ab diesem Moment ist der Tod unser ständiger Begleiter durchs Leben und muss als fundamentale Bedrohung des Lebens dann auch wieder verdrängt werden. Das gelingt in der Regel mehr oder weniger gut, so dass wir schockiert sind, wenn der Tod dann doch jemanden ‚zu früh‘, wie es dann oft heißt, holt.
Versuche des Weiterlebens
Der Tod ist der Höhepunkt des Kontrollverlustes. Aus diesem Grund steht das Erbe schon seit längerer Zeit im Verdacht, den eigenen Einfluss über den Tod hinaus ausdehnen zu wollen. Natürlich ist es ein schrecklicher Gedanke, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Welt, die man erlebt, mit dem eigenen Tod eventuell untergeht, gerade auch das, was einem lieb und teuer war. Deshalb soll es in meinem Sinne weiter gehen, man formuliert den letzten Willen, das Testament und verteilt sein Erbe. So, dass wenigstens etwas von mir bleibt.
Waren es früher Gebrauchsgegenstände oder etwas emotional Bedeutsames, ist es heute eher Geld und das Kaffeeservice und vielleicht in Video von und mit den Kindern oder Enkeln, falls vorhanden. Im Gedenken der Hinterbliebenen lebt man weiter, wie in Wenn junge Eltern sterben ausgeführt.
Biologie
Womit wir bei der nächsten Form des Weiterlebens sind, den Nachkommen. Die Hälfte der Gene die man weitergibt, stammen von einem selbst, diese werden mit jeder folgenden Generation verbreitet aber auch halbiert. 25%, 12,5% und 6,75% in der vierten Generation. Klingt auch nicht beeindruckend. Auf der anderen Seite kommt man ja auch nicht aus dem genetischen Nichts, sondern hat auch da meistens zwei familiäre Umfelder, die eigenen Konturen treten also gewissermaßen aus einer Genwolke hervor, bevor sie sich in dieser auch wieder auflösen. Was wiederum heißt, dass sehr ähnliche Gene wie meine auch dann weitergegeben werden, wenn sich irgendwer aus meiner Familie fortpflanzt.
Kunst und Kulturleistungen
Wenn wir uns anschauen, was die Idee hinter Erbe und Biologie ist, so geht es in beiden Fällen darum, dass Informationen von mir weiter geführt werden und in der Welt bestehen bleiben. Etwas ähnliches geschieht, wenn man sich als Künstler in der Welt verewigt. Bestimmte Kunstwerke, Riffs, Rhythmen, Meme, Speisen, Rituale oder Gesten kennen sehr viele Menschen. Manche sind fest mit ihrem Schöpfer verbunden, wie die Mona Lisa mit Leonardo da Vinci, bei andere tritt die Person hinter die Geste zurück, oder wer weiß, wer zuerst den Zeigefinger vertikal über die leicht gespitzten Lippen legte um zu signalisieren: Psssst.
Der Künstler kann, gelingt ihm so etwas wie das Smoke on the water Riff, tiefer in der Welt verankert bleiben, als er es mit Nachkommen tun könnte.
Technologie
Es gibt diverse Versuche der Technologie dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Kryotechnik, also Einfrieren, in der Hoffnung, dass man irgendwann wieder belebt werden kann, ist eine davon, der Versuch unser Bewusstsein und unsere Körperdaten auf einen Supercomputer hochzuladen, der dann eine Supersimulation anlaufen lässt, bei der wir den Unterschied zwischen Realität und Simulation nicht mehr bemerken, ist eine weitere Vorstellung. Der Beginn wird immer wieder vertagt, man gibt die Hoffnung jedoch nicht auf, allgemein sind viele jedoch der Auffassung, dass diese Versuche auf einem naiven Konzept von Körperlichkeit beruhen.
Ein weiterer Versuch ist der Ansatz mittels Genschere den Tod oder die für die Alterung verantwortlichen Gene abzuschalten. Das würde das Problem der Überbevölkerung natürlich vergrößern und würde man es nur den Reichen zukommen lassen, das der Ungerechtigkeit, von der Frage ob dieser Traum nicht ein unausgesetzter Alptraum wäre, mal ganz abgesehen.
Die technologischen haben mit den religiösen Ansätzen, auf die wir gleich eingehen, eine große Gemeinsamkeit. Denn Erbe, bleibendes Kunstwerk oder was auch immer, eines bleibt: Man will ja als erlebendes Ganzes weiterleben und das geht nicht, auch wenn man einen jährlichen Gedenktag bis in alle Ewigkeit zugesprochen bekäme. Man würde in Erinnerung bleiben, wäre selbst aber tot.
Religion
Bei den Religionen ist das anders, da bleibt man als erlebendes Ganzes erhalten. Vielleicht etwas geläutert und verjüngt, aber im Großen und Ganzen doch so, wie man ist. Beim Computer-Upload und der Genveränderung ist es ebenso, man bleibt als der Mensch, der man ist erhalten.
Entweder man geht ein ins Paradies oder kommt im Buddhismus, Jainismus und Hinduismus (und einigen anderen Glaubensrichtungen) immer wieder auf die Erde, mal eher als unpersönliches karmisches Bündel, mal als Seelenkern, bis man dereinst in einer Form der Einheit aufgeht.
All diese Versuche einer Einschätzung, wie plausibel, realistisch oder nicht sie sein mögen, kreisen im Zentrum um eine oft ausgelassene oder ungefragte Frage: