Euromünzen

Können wir die Bedeutung des Geldes reduzieren? © Adrian Korte under cc

Wir müssen nicht verzichten. Wenn es ein Narrativ, eine Erzählung gibt, hinter der wir uns versammeln können, dann ist es vielleicht das.

Immer wieder hören oder ahnen wir, dass es so nicht weiter gehen kann. Neu ist die Rede davon, dass wir den Gürtel nun enger schnallen müssen nicht. Aber müssen wir das überhaupt?

Wachstum (fast) überall

Dass wir verzichten müssen, ist der Elefant im Raum. Die einen sehnen diesen Verzicht herbei, um vielleicht doch noch die Kurve zu kriegen, bei den diversen Problemen von Klima über Müll, bis zu einer Ausbeutung der Ressourcen, die anderen verweigern jede Form des Verzichtsgedankens, indem sie auf andere verweisen, die anfangen oder mitmachen sollten (aber das Gegenteil tun), auf große Reste von Ressourcen und technische Lösungen, von denen man hofft und denkt, dass sie gefunden werden. Jeder meint, die besseren Quellen, Daten und Argumente auf seiner Seite zu haben, was normal ist, sonst wäre man nicht von dem überzeugt, was man denkt.

Einer der leicht zu verstehenden Grundgedanken derjenigen, die für einen Verzicht argumentieren, ist, dass unendliches Wachstum auf einer endlichen Erde nicht funktioniert. Alles wächst und das auch noch rasend schnell. Vertieft man sich ein wenig in diese Darstellung, bekommt man ein Gefühl dafür.

Um 1600 lag die Weltbevölkerung bei etwa 500 Millionen Menschen. 200 Jahre später, um 1800, bei 1.000 Millionen. Ungefähr 125 Jahre später, 1927 bei 2.000 Millionen. Weitere 50 Jahre später, 1974, sind es 4.000 Millionen Menschen und im nächsten Jahr, 2023, wird das Knacken der 8.000 Millionen Marke erwartet.[1]

Die Menge an Tieren, die wir essen, an Autos, die wir fahren, an Reisen, die wir tätigen, an weltweitem Transport wächst mit. Die Menge an Energie, die wir verbrauchen ist gewaltig und wächst, die Menge an Geld wächst und noch stärker die Menge an virtuellem Geld aus Spekulationsprodukten des Finanzsystems und zudem wächst die Menge an Schulden. Es wächst die Zahl der Internetkonsumenten, der verschickten Datenmengen, der Smartphones und ein Ende ist nicht absehbar.

Kunststück, sagen die einen, da die inzwischen annähernd die gesamte Lebensweise von unserem Wirtschaftssystem dominiert ist, das in Wahrheit viel mehr ist als nur ein Wirtschaftssystem, weil es nämlich längst und überall unseren Alltag bestimmt und außerdem einem dem System inhärenten Wachstumszwang unterliegt.

Aber nicht alles wächst. Die Menge an Regenwald, die Vielfalt der biologischen Arten schrumpft, aber nicht nur das. Die Hirngröße des Menschen hat seit der Steinzeit abgenommen und auch der Intelligenzquotient in einigen Ländern sinkt, in einigen entwickelten Ländern auch die Lebenserwartung.

Es ist vorbei

Das seien gewisse Turbulenzen, aber kein genereller Trend, hört man. Doch die Turbulenzen gehören längst dazu. Das Sinken der Lebenserwartung in den USA, das sei doch nur der Opioidkrise geschuldet. Neuerdings führt Corona zu einer Übersterblichkeit, diese befeuert ebenfalls eine Abnahme der Lebenserwartung. Aber wenn das alles vorbei ist … ja, was eigentlich? Kommt dann die ersehnte Normalität zurück?

Man weiß es nicht, aber das Durchbrechen des Gewohnten könnte die neue Normalität sein. Was ist es dann? Eine Naturkatastrophe, ein großer Stromausfall aufgrund einer Cyberattacke oder werden auf einmal die Antibiotika schneller unbrauchbar als man meint? Der Phantasie sind auch hier keine Grenzen gesetzt.

Was uns die Klimakrise-, einige sprechen lieber von einer Katastrophe noch bringen wird, wissen wir nicht. Probleme, die direkt vor unserer Tür stehen, gibt es reichlich. Der Wunsch die Uhr wieder auf vorher zu drehen ist menschlichen verständlich, aber es ist vorbei.

Ohnehin erleben wir gerade in einer Wende, in der ein alter Lebensstil uns abhanden kommt. Das sorgt für Trauer und Wut auf der einen Seite, andere sehen dies als großen Gewinn und wieder andere wissen noch nicht genau, was sie davon halten sollen.

Effizienz oder Suffizienz? Eine weitere Position

Wir müssen nicht verzichten. Das ist die Position des Effizienzlagers. Letzten Endes wird es der technische Fortschritt sein, der uns retten wird. Vor allem, wenn man ihn nicht über die Maßen behindert. Sprunginnovationen sind hier das Stichwort. Große technische Innovationssprünge, die einen Unterschied machen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wir haben in der Geschichte der Menschheit viele Sprunginnovationen erlebt, die jüngste ist vielleicht die mRNA Technik in der Medizin, doch das Endergebnis steht noch aus, wie wir alle wissen und erleiden. Ansonsten war es das Internet. Davor schon jede Menge: Buchdruck, Papier, Nagel, Abwassersystem, Flugzeug, Radio und Personal Computer, um nur einige zu nennen.

Dass Suffizienzlager hat zwei wesentliche Kritikpunkte. Zum einen: Es ist wahr, dass es andauernd viele kleine Verbesserungen gibt und diese sind zwar einzeln vielleicht unbedeutend, doch in der Summe machen sie einen Unterschied. Der wird allerdings durch Reboundeffekte aufgefressen. Heißt, zig Millionen Glühbirnen, die keine 40 oder 100 Watt mehr brauchen, sondern 7, machen etwas aus, aber weil die Leute wissen, dass es ja jetzt viel weniger ’schlimm‘ ist, das Licht brennen zu lassen, wird es viel länger angelassen. Oder eben andere an sich sparsamere Geräte, so dass am Ende noch mehr verbraucht wird. Zudem kann man echte Sprunginnovationen eben nicht bestellen, man kann sie nicht sicher einpreisen. Was, wenn man nichts findet, das das Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre holt?

Deshalb müssen wir verzichten, sagt das Suffizienzlager. Wir müssen anders leben, ganz anders, sparsamer und das auch noch schnell. Ein sozialer Wandel muss her. Das wiederum findet das Effizienzlager naiv, denn wo soll der soziale Wandel auf einmal herkommen? Die aktuellen Probleme sind alle seit Jahrzehnten bekannt, kaum einer war bereit sein Verhalten umzustellen und Corona zeigt uns, dass selbst dort, wo die einen eine Notlage sehen, die anderen eher gegen die Schutzmaßnahmen demonstrieren. Warum sollte es bei anderen Themen anders sein?

Wir müssen nicht verzichten. Das ist auch meine Meinung. Aber die Herleitung ist etwas anders, als die des Effizienzlagers. Denn unser realistisches Ziel sollte nicht Verzicht sein, sondern ein besseres Leben. Zum einen aus psychologischen Gründen. Wer das Gefühl hat, dass ihm etwas genommen wird, der wird konservativ, der empfindend Veränderungen als Bedrohung. Wir sind, hoffentlich, am Ende eines Jahrzehnte langen Prozesses der schleichenden Abwärtsentwicklung. Aber das soll nicht nur ein gute Laune Argument sein, denn dass wir nicht verzichten sollten und müssen, meine ich ernst.

Ich würde dem nur die Analyse voran stellen, die fragt, wie es uns wirklich geht. Ich hege eine gewisse Skepsis gegen oberflächliche Umfragen zum Glück. Wer will sich schon als unglücklich outen? Die Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme hat mit ihrem Vater Gernot Böhme ein Buch darüber geschrieben: Über das Unbehagen im Wohlstand. In einem Interview mit den beiden lesen wir von dem Mangel im Überfluss und wie wir versuchen, unsere innere Leere zu stopfen.

Ein Luxusproblem? Nicht unbedingt. Es ist nicht wie frieren oder Hunger, aber unser Argument ist ja, dass wir besser leben wollen und aktuell beruhigen wir uns damit, dass es woanders noch schlimmer ist. Das kann und soll nicht unser Anspruch sein. Wir wollen besser leben, ernsthaft besser und glücklicher leben, als heute.

Viele Menschen tun schon sehr viel

Pflanzen und das Bewusstsein sollen wachsen und sie entfalten. © Sharon Mollerus under cc

Das heißt nicht, dass man sich die Scheuklappen aufsetzt und die letzten Jahre irgendwie noch durchzieht, auch wenn man irgendwo ahnt, dass es eigentlich nicht okay ist. Was uns fehlt, sind oft positive Visionen, Utopien, Bilder, Ideen und Geschichten von einer besseren Welt. Wir kennen das gar nicht mehr. Die hat das Effizienzlager im Angebot, die Rede von den Sprunginnovationen bedeutet eben, dass es Erfindungen gibt, die einen Unterschied machen.

So wie Menschen konservativ werden, wenn sie merken, dass es den Bach runter geht, so werden sie kreativ und innovativ, wenn sie merken, dass es bergauf geht. Allein das macht die Menschen schon kreativ, allein das macht schon Spaß. Selbst, die, die einfach mitmachen, spielen lieber in einem Winnerteam, als immer wieder zu hören, dass es ja so schlimm nun auch noch nicht ist.

Hier reicht eine Erzählung, ein Narrativ, aber es muss ernst gemeint sein, nicht einfach eine gute Story aus einer Werbeabteilung, von der man meint, dass sie ankommt. Die einen müssen dran glauben und die anderen dran glauben können. Menschen, die Sprunginnovationen auf die Straße bringen wollen muss man nicht begeistern, die brennen von sich aus. Die Tüftelei ist einfach ihr Leben. Sie tun das, weil es ihnen Spaß macht. Es reicht, sie nicht über die Maßen zu behindern.

Bürokratieabbau wäre ein Stichwort. Wir haben inzwischen Systeme, die Menschen systematisch ausbremsen und frustrieren und die ineffektiv sind. Es darf kein Tabu sein, den bürokratischen Wasserkopf deutlich zu reduzieren. Der Verlust von Arbeitsplätzen kann kein Argument mehr sein, denn Menschen, die wirklich etwas bewegen wollen, werden gerade überall gesucht.

Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen und zu hören, wie viele Menschen schon in Eigenregie etwas tun. Sie fangen bei sich an, wenn sie ein eigenes Haus haben, einen Garten, ihren Teil zu einem gelingenden Ganzen beizutragen. Sie engagieren sich sozial, helfen ihren Mitmenschen. Sie tun das, weil sie kreativ sein wollen, weil es ihnen Spaß macht und weil sie nicht nur verstanden haben, dass es nicht um die Frage geht, ob es mir oder den anderen gut geht, sondern sie leben die Idee, dass es ihnen gut geht, weil sie etwas dazu beitragen, dass es der Welt gut geht.

Aber es ist nicht nur soziales Engagement im engen Sinne gemeint, sondern es gibt gerade im Effizienzlager viele einsame Tüftler, die sich vielleicht gar nicht so gerne mit vielen anderen Menschen abgeben, die aber die Welt besser machen wollen. Sie wollen nicht nur zu Hause sitzen und die Modelleisenbahn fahren lassen, sondern ihre Ideen in die Welt bringen.

Wachstum im Bewusstsein

Wir müssen nicht verzichten. Wir brauchen Wachstum im Bewusstsein, aber die Frage des Effizienzlagers, wo das denn nun auf einmal herkommen soll, muss beantwortet werden. Der eine Punkt ist, dass immer mehr Menschen die Komplexität und das Ineinandergreifen der Probleme, vor denen wir stehen, sehen und begreifen. Die Antworten können nicht in dicke Überschriften und griffige Slogans gepackt werden, da diese immer nur unterkomplex sein können.

Dennoch können sich diese Menschen durch die Sprunginnovation Internet, trotz all seiner Risiken und Nebenwirkungen, finden. Sie können ihre Ideen austauschen und bereits dieser Austausch kann weiteren Menschen die Augen öffnen, indem sie sich in manchen dieser Ideen wiederfinden und diese einfach bekannt und diskutiert werden. Es ist ein großes Glücksgefühl zu erleben, wie sich innerlich vieles wie von selbst ordnet, wenn man irgendwie einen Schlüssel zu diesen Bereichen gefunden hat.

Der andere Aspekt der motivierend wirkt, ist die reale Not. Warum soll man sich nicht selbst organisieren und im Alter oder auch eher schon, so leben, wie man es will? Warum nicht glücklicher wohnen? Keine Kinder, die sich kümmern, Krise in der Pflege, geringe Rente, wenig Geld, wenn gute Projekte entstehen, in denen Menschen einander gegenseitig weiter helfen, gewinnen wir alle.

Auf einmal hat man wieder etwas wofür man leben will, man kann und darf gestalten, sich einbringen und verpflichten und erleben, dass das keine Plage ist, sondern ein Weg zum persönlichen Glück. Wir müssen nicht verzichten, weil das was uns leiten sollte, die Suche nach dem eigenen Glück ist. Mit der ernst gemeinten Option es auch zu finden. Glück und ein gutes Leben bedeutet für jeden etwas anderes, aber das ist kein Problem, denn wir leben ja von der möglichst wenig eingeschränkten Kreativität der Einzelnen.

Die Sache mit dem Geld müssen wir allerdings noch genauer betrachten, weil der reale Mangel an Geld viele Menschen empfinden lässt, dass sie sehr wohl auf eine ganze Menge in ihrem Leben verzichten müssen.

Geld: Das soziale Schmerzmittel

In Es ist nicht so wie Du denkst, eine Folge zum Thema Glück, greifen wir auf die Gedanken von Bas Kast zurück, der in einem Buch ausführt, dass Geld den Schmerz sozialer Ausgrenzung messbar mindert. Weil das so ist, bringt Geld Menschen oft dazu, sich unsozial zu verhalten. Man ist nicht nur freundlich, weil man eben ein netter Mensch ist, sondern wer sich unsozial verhält, kann kaum darauf bauen, dass man ihm, wenn er mal Hilfe braucht, sogleich begeistert helfen wird.

Wer genügen Geld hat, kann sich allerdings Handwerker und Dienstleister jeder Art kaufen, er braucht nicht freundlich zu sein und sein Geld sorgt obendrein dafür, dass der Schmerz der sozialen Ausgrenzung abgemildert wird.

Der andere Punkt ist, dass wir alle zwei Ideen anhängen, wenn es um Geld geht: Erstens, dass es Geld schon ewig gibt und zweitens, dass Geld ein bequemes Tauschmittel ist, mit dem Wert gegen Wert getauscht wird. Bequem, weil es umständlich ist, ein Schwein gegen 500 Kilo Tomaten zu tauschen. Eske Bockelmann wendet sich in seinem Buch Das Geld: Was es ist, das uns beherrscht, gegen beide Ideen. Erstens, gab es, obwohl es Münzen und Märkte gab, sehr lange Zeit kein Geld und das heißt, dass zweitens, nicht Wert gegen Wert getauscht wurde.

Besonders den letzten Punkt, dass der Tausch Wert gegen Wert keine größere Rolle spielte, können wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen, weil wir die Gegenwart, in der wir das so erleben, in die Vergangenheit projizieren und uns fragen, wie es denn sonst gelaufen sein soll. Bevor wir die Frage beantworten, können wir uns ja mal vor Augen führen, ob wir heute überhaupt noch Wert gegen Wert tauschen. Pflegekräfte bekommen zu wenig und trotz hoher Motivation sagen sich immer mehr: Dann eben nicht und kündigen. Das ist nicht ohne, weil wir schneller als uns lieb sein kann, mit dem Medizinsystem in Kontakt kommen können, wir erleben es gerade. Wir erleben auch, dass wir Termine für einen Handwerker gar nicht mehr bekommen. Von wegen Arbeit fehlt, es fehlen Arbeitskräfte, in der Gastronomie, im Transportwesen und so weiter.

Wie war es früher? Es wurde versucht irgendein Ausgleich herzustellen, mit dem beide Seiten leben konnten, oft waren Gaben etwas Symbolisches, sie gingen nur einige Zeit in den Besitz eines Einzelnen über und es war wichtig, dass die Dinge auch weitergegeben wurden. Es gab eher eine Art Pool von wechselseitiger Unterstützung und es wurde geschaut, dass keiner zurück gelassen wurde.

Gerade in einer Zeit, wo vielen Geld fehlen wird, können solche Ideen wieder aufblühen. Es geht nicht um utopischen Jubel, sondern einfach darum, dass so ein System funktionieren kann und über viele Weltreiche hinweg funktioniert hat. Niemand kann einen zwingen, das nicht wieder auf kleinster Ebene einzuführen. Umso mehr, wenn jeder macht, was er gerne macht und man sich von der etwas kleinkarierten Idee, ob nun ein Gedicht oder Lied auch ein halbes Brot wert ist, verabschieden kann. Man hilft einander dort wo Hilfe gebraucht wird und so, wie man es am besten kann.

Soziale Rollen zu vergeben

Glühbirne

Elektrisches Licht war eine echte Sprunginnovation. © Theo Crazzolara under cc

Es ist vielleicht eine der schmerzhaftesten Aussagen über einen Menschen, dass man ihm sagt, er sei im Grunde überflüssig. Niemand braucht dich und es wäre besser, du wärst nicht hier. Etwas technischer ausgedrückt, es fehlt an sozialen Rollen. Gunnar Heinsohn hat diesen Punkt in Söhne und Weltmacht stark gemacht, in dem er erklärte, dass es in Gesellschaften mit begrenzten sozialen Rollenangeboten und im Vergleich dazu mit überzähligen jungen Männern zu einem Konflikt um diese knappen Rollen kam. Um Brot wird gebettelt, um Posten geschossen, sagt Heinsohn.

Menschen wollen nicht einfach nur überleben, sondern im Leben auch, in doppelter Bedeutung des Wortes, eine Rolle spielen. Die Situation bei uns in Europa und noch spezieller in Deutschland ist, dass wir wenige Kinder haben, die immer mehr alte Menschen versorgen müssen. Nebenher noch eigene Kinder zur Welt bringen sollen, Karriere machen, für die eigene Rente vorsorgen, ach ja und noch eben die Welt retten. Das Modell Sparkonto ist out, also geht man in Fondpakete, das klappt schon, gesetzt, die Wirtschaft bricht nicht ein, was einem im Angesicht von Pandemie, Klimawandel und so weiter leider niemand sagen kann.

Vielleicht, neben der ungleichen Verteilung des Geldes in der Gesellschaft, ein Argument für eine andere Säule im Lebensansatz. Wenn in einer Gemeinschaft jeder ausreichend von dem bekommt, was er wichtig findet und braucht und dazu eben nicht nur die Grundbedürfnisse gehören, die man zum Überleben braucht, wie wäre das? Wenn man sich einbringt, wenn ein anderer aus der Gemeinschaft etwas braucht? Weil man Klempner ist, Bäcker oder Arzt. Wie sich jemand einbringt, ist eigentlich egal, dass er oder sie es tut, ist entscheidender.

Wir ziehen in unserer Gesellschaft einen Strich mit dem viele nicht gut klar kommen. Man wird von einem Tag auf den anderen Rentner. Für manche kommt dieser Tag zu spät, für andere zu früh. Auf einmal sitzt man zu Hause und wird im Grunde, gesellschaftlich gesehen, nicht mehr gebraucht. Man kann noch ein wenig Geld verjubeln und damit die Wirtschaft ankurbeln, aber ansonsten? Wohl dem, der Freunde und Hobbys hat, nicht wenige haben diese für ihren Beruf vernachlässigt. Es erschüttert mich immer wieder, wenn ich als höchstes Lebensziel alter Menschen höre, dass sie niemandem zur Last fallen wollen. Das kann man eigentlich nicht mehr unterbieten, denn in einigen Fällen heißt das, dass Menschen die Botschaft, dass sie, nun, da sie kein Geld mehr verdienen, im Grunde überflüssig sind, verinnerlicht haben. Es wird auch andere Motive geben, aber nicht selten auch das.

Kann man mehr verzichten, als durch so eine Aussage? Dabei liegt es an uns und wir haben ein überreiches Angebot an sozialen Rollen und wer nicht mehr 100% leisten kann oder will, kann immer noch 80, 60 oder 40% leisten. Oder etwas ganz anderes machen und da sehr gut und hilfreich sein. Es gibt Szenarien in denen man sich mindestens vorstellen kann, dass solche Projekte gelingen können, aber wir können da auch kühner denken. Es könnte eine neue Währung oder erst mal die Wiedereingliederung anderer Werte als des Geldwerts sein.

Wir müssen nicht verzichten, sondern dürfen und müssen mehr fordern

Machen wir uns ehrlich. Wir tun, was wir tun, für uns, für uns Menschen. Auch wenn wir für Klima- und Umweltschutz sind, so geht es nicht um die Natur, denn sie braucht unsere Rücksichtnahme nicht. Es kann passieren was will, bevor in Milliarden Jahren die Sonne zum roten Riesen wird und hier alles wegbruzzelt oder ein fetter Meteor und trifft, wird der Natur nichts geschehen, die lebt weiter. Wer in Gefahr ist, sind wir. Fridays for Future haben Sorge um ihre Zukunft, mit durchaus plausiblen Argumenten.

Dass sie überhaupt Gegenwind bekommen, liegt daran, dass einige sehr viele Zeit und Mühe in ihren Wohlstand investiert haben und ein gewisses Recht spüren, nun wenigstens einige Jahre ihres Lebens genießen zu können. Ich bin unbedingt für das Recht auf ein gutes Leben und Genuss. Aber Genuss heißt differenzieren zu lernen, seinen Geschmack auszubilden, Qualität zu erkennen[. Doch wir dürfen auch Menschen, die keinen differenzierten Geschmack haben, dies nicht vorwerfen. Jeder ist, wie er nun mal ist und niemand ist in allen Bereichen differenziert. So gut wie alle wollen aber glücklich sein.

Wenn ich aus unseren Artikeln zum Thema Glück die Essenz ziehe, dann staffeln sich die Zutaten aus Befragung und Forschung entlang der Maslowschen Bedürfnisspyramide.
Schutz und Sicherheit sind primär. Nicht zu vergessen, dass bereits Affen die Nähe, Beziehungen noch dem Futter vorziehen. Auch für uns Menschen sind Beziehungen ein Grundpfeiler zum Glück. Je länger und tiefer die Beziehungen sind, umso zuverlässiger ist man glücklich, eine große Anzahl braucht man nicht.

Nahrung, Schutz, eine gewisser Wohlstand und Gesundheit gehören zu den wichtigen Faktoren auf der grundlegenden Ebene. Erstaunlicherweise ist Anpassung ein starker Indikator für das Glück[link], was erklärbarer wird, wenn man die Rückseite der Medaille anschaut, da geht es nämlich um Anerkennung. Nur einige Asper, HiPos (Menschen, die Sprunginnovationen in die Welt setzen oder setzen könnten), Genies und Exzentriker genügen sich in einem gewissen Rahmen selbst, fühlen sich aber oft stark mit ihrer Tätigkeit verbunden und gehen in ihr auf. Auch das ist ein Austausch mit Welt. Überschneidungen zwischen den genannten Gruppen sind möglich. Das passt sehr gut zum nächsten großen Pfeiler des Glücks, dem Sinn. Wenn man das eigene Leben und Schaffen als sinnvoll empfindet, ist man zutiefst motiviert und glücklich. Der letzte Glückspfeiler ist eine fundamentale moralische Instanz, man will die Welt oder Menschheit irgendwie weiter bringen. Neugier und Optimismus sind ebenfalls wichtige Zutaten.

Wenn jeder das tut, was er gut kann und/oder gerne macht, fühlt er sich angekommen und die Wahrscheinlichkeit, dass man Anerkennung erfährt, wird sehr viel größer. Jeder könnte sich ein Stück Welt nehmen, für das er oder sie gerne Verantwortung übernehmen möchte. Für alte Menschen, Kinder, Kranke, einen Baum, eine Straßenecke, Musik, Essen, Literatur, Sport, die Ausdifferenzierung von Geschmack, die Versorgung mit Energie, Philosophierunden, Meditationsangebote, Rituale, Tiere, Wasser … wo auch immer die Neigung einen hin zieht.

Wenn die Verpflichtungen zu groß sind, wählt man eben eine oder zwei Nummern kleiner. Das sind soziale Rollen, wir haben reichlich davon zu vergeben, man übernimmt Verantwortung, geht Verpflichtungen ein und erhält Anerkennung. Ein wichtiger Faktor zum eigenen Glück. Wenn die erwähnten Faktoren erfüllt sind, ist das Leben reicher, glücklicher und erfüllter. Man braucht viel weniger auf Ersatzbefriedigungen umzusteigen. Man hat viel weniger Angst, dass einem das letzte bisschen, was man noch zu haben glaubt, genommen wird. Man krampft nicht rum und hält fest, sondern wird wieder (oder zum ersten Mal) neugierig, offen und kreativ. Das alles ist nicht weit weg. Wir müssen nicht verzichten. Im Gegenteil.

Quellen:

  • [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Weltbev%C3%B6lkerung