Eine Beziehung beenden trotz Trennungsschmerz bedeutet für viele, im Nachhinein manchmal Zweifel an der eigenen Entscheidung zu spüren. War die Trennung zu voreilig? Allerdings deuten wir oft die aufkommenden Zweifel und Trauergefühle nach dem Schluss machen fehl. Diese Empfindungen lassen uns glauben, dass es die falsche Entscheidung (siehe Teil 1) gewesen sein könnte, sich von dem anderen zu trennen. Tatsächlich steht unser diffuses Gefühlsleben bei einer Trennung jedoch lediglich für die inneren Konflikte in uns, die bereits in der Kindheit und Jugend entstanden sind. Es ist gar nicht so sehr die Entscheidung zur Trennung, die uns im Anschluss zu schaffen macht, sondern, dass wir nicht gelernt haben, zu unseren Bedürfnissen und Entscheidungen zu stehen.
Unkenntnis der Gefühle beim Schluss machen
Beim Erleben einer psychischen Krise – denn nichts anderes ist eine Trennung – können oftmals Traumata aus der Vergangenheit reaktiviert werden. Fehlerhafte Annahmen über sich selbst und Fehlprägungen, die man zeitlebens mit sich trug, bringen uns in einen inneren Konflikt. In den Momenten, in denen wir uns als verantwortungsvolle Erwachsene fühlen, denken wir, dass es besser war, sich von dem anderen zu trennen. Die Freunde, Beziehungsratgeber, Webseiten und Internetforen bestärken uns in dem Entschluss. Etwa, weil man monatelang in einer Affäre verblieb, die nie zu einer Beziehung wurde. Zum Beispiel, weil der andere bereits gebunden war. Keine Beziehung wollte. Oder sein Verhalten schlichtweg nicht zu unserem Wohlergehen beigetragen hat. Welche Gründe es auch immer gegeben hat, wir wissen, dass diese Affäre/Beziehung/Freundschaft Plus unserem Selbstwert nicht zuträglich war.
Doch wehe man sitzt abends auf dem Sofa. Ganz allein ohne den Zuspruch der Freunde fühlt es sich mitunter recht einsam an. Der prüfende Blick gilt dem Handy, in der Hoffnung, der Ex-Partner könnte vielleicht doch eine flehende Nachricht verfasst haben mit der Bitte, zu ihm zurückzukehren. Wir spüren eine Trauer in uns, vielleicht sogar Weinkrämpfe. Das ist ganz normal. Was wir empfinden, ist ein Abschiedsschmerz. Nicht wenige denken in solchen Momenten: „Wenn es mir so weh tut, dann sollte ich vielleicht doch in der Beziehung verbleiben, weil ich ihn so sehr liebe.“ Nur selten wird einem bewusst, dass das eine mit dem anderen gar nichts mehr zu tun hat.
Beziehung beenden trotz Trennungsschmerz: Verhalten von Empfindung abkoppeln
Wir haben geliebt. Und tun es noch. Es gab in der Beziehung schöne Momente und weniger schöne. Dafür können wir dankbar sein. Das Gefühl der Liebe oder Trauer sollte aber nicht automatisch unsere weiteren Handlungen bestimmen.
- Man darf Liebe für jemanden empfinden, der weniger für einen fühlt beziehungsweise einem nicht gut tut.
- Man darf auch Trauer für jemanden empfinden, eben weil derjenige weniger für einen fühlt beziehungsweise nicht gut tut.
- Und man darf sich von dieser Person verabschieden, weil ein emotionales oder ganz allgemein zwischenmenschliches Ungleichgewicht in der Dyade besteht, was zu Lasten des Liebenden geht.
Das bedeutet im Kern: Selbstfürsorge.
Nur indem man die Gefühle nicht als Signalgeber für die Wichtigkeit der Wiederaufnahme der Beziehung fehlinterpretiert, sondern vielmehr abkoppelt und als gegeben hinnimmt, kann man konsequent eine Beziehung beenden trotz Trennungsschmerz. Erst dann wirst du inneren Frieden spüren, weil du mit dir und deinen Werten in Einklang lebst. Der Trennungsschmerz wird vergehen, auch wenn es für dich zu diesem Zeitpunkt unvorstellbar erscheint und du denkst, dass du der einzige Mensch bist, bei dem das nicht so sein wird. Doch. Es wird. Verlass dich drauf. Und die Liebe? Die Liebe bleibt vermutlich immer irgendwie bestehen. Wenn man einen Menschen geliebt hat, so wird dieser sicherlich immer einen besonderen Platz im Herzen haben. Aber was ist so schlimm daran? Genau das bedeutet: L(i)eben.
Ängste und Unwohlsein nach der Trennung
Schauen wir uns die Landkarte deiner Emotionen genauer an, die dich beim Schluss machen begleiten können. Da ist sicherlich Liebeskummer. Und was noch?
Du verspürst Angst und Unwohlsein
Was wäre, wenn du dich falsch entschieden hättest? Wenn der andere dein Herzensmensch ist und du nur noch hättest etwas warten müssen, bis er sich für euch entscheidet? Du kennst die Antwort bereits, tief in deinem Inneren. Die vergangenen On-Offs in eurem Miteinander haben es gezeigt. Es gab vermutlich viele Versprechungen, aber geändert hat sich auf längere Zeit nichts.
Neue Situationen machen den meisten von uns Angst. Für sich selbst einzustehen, kann ungewohnt sein. Die ersten Schritte zur Selbstaufrichtung mögen sich fremd anfühlen und doch sind sie notwendig. Womöglich bist du im Allgemeinen ein ängstlicher Charakter. Eventuell hat man dir in deiner Kindheit immer Zweifel und Ängste eingeredet, wann immer du mutig neue Gefilde beschreiten wolltest. Und nun übernimmt deine innere Stimme die Meinung deiner Bezugspersonen aus der Vergangenheit:
- Bist du dir wirklich sicher, dass du ein Auslandsjahr machen möchtest? Und dann so ganz allein …
- Na, wenn du meinst, dass du es dir leisten kannst, einfach so dein Studium zu wechseln.
- Vorsicht! Gehe nicht in die Pfütze! Deine Schuhe werden nass! Siehst du, das hast du nun davon. Immer musst du dich selbst in solche Situationen bringen! Warum kannst du nicht hören?!
Mach die Stimme deiner Eltern etc. nicht zu deiner inneren Stimme. Koppele sie ab und vertraue deiner Wahrnehmung.
Du hast Angst zu verletzen und Schuldgefühle
Schon im ersten Teil der Artikelreihe sprachen wir über die widersprüchlichen Empfindungen, da man beim Beziehung beenden trotz Trennungsschmerz durchaus auch Schuldgefühle empfinden kann. Widersprüchlich ist es deshalb, weil zum Beispiel der andere in einer Affäre weniger empfindet als du und keine Beziehung mit dir möchte. Trotzdem fühlst du dich in gewisser Weise für sein Wohlergehen verantwortlich.
Auch ein übertriebenes Verantwortungsgefühl beruht auf Fehlprägungen aus unserer Kindheit, etwa weil uns suggeriert wurde, dass wir mit unserem Verhalten das Gefühlsleben der Bezugspersonen vollständig beeinflussen könnten:
- Ich bin jetzt traurig, weil du dein Gemüse nicht aufessen wolltest.
- Das hast du dir selbst zuzuschreiben, dass ich den Kinderzirkus jetzt abgesagt habe, weil du böse zu mir warst und ich jetzt keine Lust mehr habe.
- Du hast gesagt, du möchtest momentan mehr Zeit bei Papa verbringen. Ich habe mich immer um dich gekümmert und bin furchtbar traurig, dass du das gesagt hast. Das kannst du nicht mehr gutmachen.
Verstehst du? In diesen und ähnlich gearteten Aussagen deiner Bezugspersonen steckt eine große Verletztheit, aber auch eine große Unreife. Erwachsene sollten sich Kindern gegenüber nicht so benehmen. Dahinter stehen eine geringe Frustrationstoleranz, wenig Ausgeglichenheit und ein Projizieren der eigenen Unzufriedenheit auf das Kind. Wenn Erwachsene nicht die Verantwortung für ihr Gefühlsleben und sich selbst übernehmen, werden viele Kinder für sie in diese Rolle schlüpfen. Das Resultat des Rollenwechsels ist zumeist bei Mädchen ein übertriebenes Verantwortungsgefühl und übermäßige Schuldgefühle, welche die Kinder demzufolge entwickeln.
Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Du für dich. Deine Eltern und Geschwister für sich. Dein Ex für sich.
Ja, du darfst ohne schlechtes Gewissen glücklich sein!
Obwohl es vor allem Ungeübten schwerfällt, Grenzen zu setzen und dazu zu stehen, bemerkt man bei einer vorgenommenen Grenzziehung sehr schnell die positiven Effekte für sich selbst.
Du bist in Einklang mit dir
Sobald du Grenzen setzt und dich aus einer beispielsweise toxischen Konstellation befreist, fühlst du, dass du dich wieder im Gleichgewicht befindest. Deine Einstellungen, dein Wertesystem, deine Selbstwahrnehmung, das heißt, so wie du dich als Person siehst, sind in Übereinstimmung mit deinem Verhalten und deinen Vorstellungen vom Leben. Dafür hast du gesorgt, weil du für dich eingestanden hast.
Du spürst Ruhe und Zufriedenheit
Natürlich ist es schmerzvoll, sich von einer Person zu trennen, die man liebt. Vielleicht gab es schon „Rückfälle“, immer dann, wenn wir uns doch wieder in die Arme des anderen flüchteten. Doch sobald wir drin lagen, bemerkten wir, dass die anfängliche Euphorie der Versöhnung ein fauler Kompromiss war.
Selbst wenn wir uns einreden können, dass doch im Grunde alles in Ordnung sei („Eine Affäre wäre doch genau das richtige, eine Beziehung brauche ich nicht.“) und wir Ausreden für das Verhalten des anderen erfinden: Unserer Gefühlswelt können wir nichts vormachen. Relativ schnell ist man nach der Wiederaufnahme einer kaputten Beziehung erneut innerlich aufgewühlt. Angespannt. Wachsam und verletzlich wie ein Reh. Stets auf die Zwischentöne beim anderen lauschend, ob er vielleicht doch noch zweifeln könnte, fremdgeht und eigentlich keine Beziehung möchte. Wir sind nahe am Wasser gebaut, ständig in Habachtstellung und weniger motiviert, unser eigenes Leben zu leben, geschweige denn, es genießen zu können.
So schwer es auch ist, Grenzen zu setzen, einen Schlussstrich zu ziehen und zu seinem Entschluss zu stehen: Die Unruhe und Unzufriedenheit, die man im Falle eines Verbleibs in einer kaputten Beziehung verspürt, sind ein schlechter Tausch – im Gegensatz zu der harmonischen Ruhe, die sich nach der Trennung allmählich und leise einstellt.
Wenn du erwägst, zurückzugehen, denke genau daran, wie zweifelnd und unwohl du dich bald wieder in deiner Beziehung fühlen würdest.
Du spürst innere Stärke und Freiheit
In einer Beziehung oder Affäre, die nicht deinen Werten und Erwartungen entspricht, geht es dir häufiger schlecht als gut. Sobald du eine Selbstaufrichtung vornimmst, dauert es nicht lang bis zur Wahrnehmung deiner inneren Stärke. Anfänglich wirst du dich vielleicht noch verloren fühlen. Du hast die düstere Ahnung, dein Leben würde ohne den anderen nie wieder schön werden können. Solche Gedanken sind völlig normal. Es braucht Zeit, bis wir uns umgewöhnen. Stück für Stück stellen sich die innere Stärke, mehr Selbstbewusstsein und ein Gefühl der Befreiung ein.
Nach dem Beziehung beenden trotz Trennungsschmerz wirst du sukzessive in dein neues Leben hineinwachsen. Im Rahmen meiner psychologischen Arbeit traf ich viele Menschen, die felsenfest davon überzeugt waren, sie könnten ohne den anderen nicht leben. Wie sich zeigte, brauchte es nur etwas Zeit. Sie alle konnten es. Aber es benötigt eine Weile, bis eine neue emotionale Baseline der inneren Harmonie entsteht. Mit jedem Tag ohne den anderen wirst du dir selbst genügen. Schaffe dir Ablenkung, suche dir neue Inhalte und Träume in deinem Leben, und denke daran: Der Trennungsschmerz und dein Liebesgefühl stehen nicht für die Qualität der vergangenen Beziehung. Beides darf in der Trennungszeit sein und wird sich abmildern. Hab keine Angst vor deinen Gefühlen, durchlebe sie und lasse sie los. Sollten die Grübeleien über den Ex allzu stark werden, empfehle ich die Methode des Gedankenstopps.