Im ersten Teil unserer Reihe Raus aus der Denkfalle haben wir bereits einige schadhafte Denkmuster aufgelistet. Reden wir nicht lange herum, sondern gehen stattdessen zügig über zu den weiteren Beispielen für Destruktives Denken.
Destruktives Denken: Rede dir mal lieber nichts ein!
Wie bereits im ersten Teil listen wir auch im zweiten die negativen Denkmuster in Anlehnung an das Buch Design your mind – Denkfallen entlarven und überwinden, geschrieben von dem Wirtschaftspsychologen Martin Sauerland von der Universität Koblenz-Landau, auf. Ebenfalls lassen wir wieder einige Beispiele für kognitive Verzerrungen in Anlehnung an Aaron T. Beck, dem amerikanischen Psychiater und Psychotherapeuten und Vertreter der Kognitiven Verhaltenstherapie, mit einfließen. Here we go!
Übertriebener Perfektionismus

Optimale Leistung anstatt übertriebenes Perfektionsstreben. Die Natur macht es vor. © sagesolar under cc
Perfektionistische Menschen bringen die Anerkennung durch andere – nach der wir uns letztendlich alle sehnen – mit ihrer Leistungsfähigkeit in Verbindung. Sie fürchten die soziale Anbindung zu verlieren oder innerhalb eines bestimmten Kontextes herabgestuft zu werden, sobald sie die in ihren Augen erforderliche Leistung nicht erbringen. Das Streben nach Perfektion führt dazu, dass man Angst hat, Fehler zu machen oder zu versagen. Oftmals sind Perfektionisten nach einem Misserfolg so beschämt und selbstunsicher, dass sie es mental schwer schaffen, in konstruktiver Art mit dem negativen Feedback umzugehen. Sie sind eher damit beschäftigt, die unangenehmen Emotionen aufgrund des Feedbacks „abzupuffern“ oder sie versinken in Scham und Fatalismus oder sie verdrängen und schmähen die Richtigkeit der Kritik. Demzufolge ist Perfektionismus mit den dazugehörigen Arten destruktiven Denkens ein Hemmschuh beim Vorankommen im Leben, weil er das Potenzial für die Weiterentwicklung aufgrund einer konstruktiven Fehlerrückmeldung mindern kann.
Beispiele:
- „Ich habe neunundzwanzig von dreißig Punkten. Wir ärgerlich! Ich hätte mehr schaffen können, wenn die Zeit nicht so knapp angesetzt gewesen wäre.“
- „Ich hätte das Buch dazu auch noch lesen sollen, dann hätte ich auch diese Frage in der Prüfung beantworten können. So bin ich wieder nur Mittelmaß.“
Übergeneralisierung und Etikettierung
Auf der Basis einer einzeln gemachten Erfahrung beziehungsweise von wenigen Erfahrungen wird als destruktives Denken bei der Übergeneralisierung eine allgemeine Regel aufgestellt. Es wird geschlussfolgert, dass etwas immer so ist. Quasi werden voreilige Schlussfolgerungen getroffen. Wie auch andere negative Denkmuster ist das Übergeneralisieren mit Demotivation, Desillusionierung sowie vermehrter Ängstlichkeit verbunden.
Beispiele:
- „Das ist bereits meine dritte schlechte Note in Biologie. Ich kann Biologie einfach nicht.“
- „Das ist schon die dritte Absage. Meine Erfahrungen reichen für den Arbeitsmarkt nicht aus.“
Ferner neigen Menschen mit destruktivem Denken oft dazu, zu etikettieren, das heißt, sie benennen etwas verallgemeinernd, ohne die Graustufen zu sehen.
Beispiele:
- „Ich bin ein schlechter Mensch.“
- „Sie hat ADHS und ist deshalb ruhelos.“
Auch bei der Übergeneralisierung und Etikettierung sollte nicht unerwähnt bleiben, dass diese Denkweisen in abgestufter Form ursprünglich durchaus einen Nutzen haben. Schließlich helfen uns die Fähigkeiten zur Generalisierung und zur Etikettierung die Phänomene der Welt einzuordnen, zu kategorisieren, zu benennen, um uns im Leben zurechtfinden zu können. Dadurch können wir beispielsweise giftige von ungiftigen Pflanzen und gefährliche Tiere von harmlosen Tieren unterscheiden, eben weil wir Kategorisierungen und Labelungen vornehmen.
Steht die Verallgemeinerung allerdings nicht in einem sachlichen Verhältnis, sondern schwebt wie ein selbstrichtendes Damoklesschwert stets über der Bewertung des Daseins, kann sie schadhaft für Psyche und Selbstbewusstsein sein.
Übertreibung versus Untertreibung
Beim sogenannten Maximieren beziehungsweise Minimieren werden Ereignisse übertrieben beziehungsweise untertrieben. In der Regel zeigt sich diese Form des destruktiven Denkens in der Übertreibung von Negativem und der Abschwächung von Positivem, das einem widerfährt.
Beispiele:
- „Er spielt schon wieder Lotto. Und Fußballwetten macht er zur EM und WM auch immer. Er ist glückspielsüchtig.“
- „Ach, das war doch bloß Glück, dass ich den Auftrag an Land gezogen habe. Die hätten jede andere Firma auch damit beauftragen können.“
Katastrophisieren

Beim Katastrophisieren verdüstern sich die Gedanken. Man glaubt, die Chancen für das eigene Bestehen im Leben stünden schlecht. © Tomáš Koválik under cc
Destruktives Denken wie das Katastrophisieren geht mit einer Übertreibung bis ins Worst Case-Szenario einher. Mögliche negative Konsequenzen werden stark überbewertet. Der Teufel wird an die Wand gemalt, alles im Denken steuert auf einen dramatischen Höhepunkt zu nebst emotionalem Aufgewühlt sein.
Beispiel:
- „Schon die dritte Aufgabe, die ich in der Klausur falsch habe. Ich werde durchfallen! Und niemals dieses Studium abschließen können! Dann finde ich keinen Job!“
Unfaire soziale Vergleiche
Unfaire soziale Vergleiche erfolgen zumeist in zwei Richtungen. Einerseits kann im Vergleich zu Personen, welche man beispielsweise aufgrund ihrer Bildung, ihres Aussehens oder ihres sozialen Status schlechter bewertet, eine deutliche EigenAUFwertung erfolgen. Andererseits kann im Vergleich zu Personen, welche man beispielsweise aufgrund ihrer Bildung, ihres Aussehens oder ihres sozialen Status besser bewertet, eine deutliche EigenABwertung erfolgen. Sowohl die Auf- als auch die Abwertungen stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Vergleichbarkeit.
Beispiele:
- „Schau dir die mal an! Wie die aussieht! Bei der Figur würde ich so etwas nicht tragen.“
- „Ich werde nie so gut sein wie XY-Prominent. Sie kann einfach alles!“
versus
Bereits den Kindern wird in vielen Familien ein wertvolles pädagogisches Konzept beigebracht: sich nicht zu vergleichen. Übertriebene Vergleiche führen zu kognitiven Verzerrungen, arrogantem Verhalten oder Minderwertigkeitskomplexen und unschönen emotionalen Effekten. Dabei aus den Augen verliert man das Wesentliche, sich nämlich bestmöglich auf sich selbst, sein Vorankommen und Wohlbefinden zu konzentrieren sowie schlichtweg ein guter – nicht wertender – Mensch zu sein. Das heißt jedoch nicht, dass man sich nicht auch bei anderen Personen etwas abschauen kann, was einem gut gefällt.
Selektive Wahrnehmung und Abstraktion
Bei diesen Formen des destruktiven Denkens werden nur einzelne Sachverhalte wahrgenommen und erinnert und zwar genau die, die der eigenen Meinung zuträglich sind. Es wird so attribuiert und geschlussfolgert, dass es den eigenen Vorurteilen, Einstellungen oder dem eigenen Bild von sich selbst entspricht.
Beispiel:
- „Er meldet sich kaum noch bei mir. Er liebt mich nicht.“ – „Aber du hast doch gesagt, dass er sich neulich bei dir entschuldigt hat, weil er gerade an seiner Doktorarbeit schreibt.“ – „Trotzdem, er liebt mich nicht. Neulich war er zum Beispiel mit einem Kollegen einen Kaffee trinken. Und mir sagt er, er hätte keine Zeit!“
Mind-Reading, Wahrsagen und ungeprüfte Projektionen
Beim Mind-Reading glaubt man, zu wissen, was die andere Person denkt. Selbst wenn das Gegenüber verneinen würde, kommt man zu dem Urteil, dass er vermutlich lügt, verdrängt oder leugnet. Man selbst hat auf jeden Fall recht. Das Mind-Reading kann unter Umständen soweit gehen, dass der Denkende glaubt, das Verhalten eines anderen oder das Ergebnis einer bestimmten Situation vorhersagen zu können. Wir wären überrascht, wenn wir wüssten, wie häufig wir uns in unseren Annahmen täuschen.
Auch das Zuschreiben der eigenen Wünsche, Ängste und inneren Konflikte auf andere Personen geht in diese Richtung des destruktiven Denkens, bei dem man das Innenleben des Gegenübers antizipiert.
Beispiele:
- „Ich habe sie angesehen und genau gewusst, was sie dachte. Das konnte sie auch nicht durch ihr falsches Lächeln verschleiern.“
- „Pass auf, jetzt wird er zu ihr gehen und dann werden sie wieder lästern.“
- „Wenn du jetzt in der Erziehung nachgibst, wird sie dir in der Pubertät auf der Nase herumtanzen. Glaube es mir!“
Man müsste, man sollte …

Destruktives Denken ist eine Form des Denkens, bei der man beispielsweise sich selbst unter Druck setzt. © Edna Winti under cc
Wer in diesen Phrasen denkt, der hat bestimmte Normen und Verhaltensregeln zu moralischen und perfektionistischen Standards hochstilisiert und daraus Selbstregeln für sich abgeleitet. Diesen Selbstregeln kann eigentlich kein Mensch genügen, demzufolge sie bei dem Denker zu dem Gefühl führen, nicht genügen zu können und kein guter Mensch zu sein. Folglich geht dies zu Lasten des Selbstwertes.
Beispiele:
- „Man müsste viel öfter in die Kirche gehen. Ich bin ein schlechter Christ.“
- „Ich sollte viel mehr reden. Schon wieder war ich schüchtern.“
- „Ich könnte noch härter arbeiten, sonst komme ich beruflich niemals voran.“
Durch Müsste und Sollte entsteht noch mehr Druck auf die eigene Person, was wiederum zu Überforderung führen kann. Man befasst sich mit den selbstwertschädigenden Gedanken auf der Metaebene, anstatt sich darum zu kümmern, wie man psychisch wieder ins Gleichgewicht kommen oder mehr Zeit für wichtige Dinge erübrigen kann.
Personalisierung
Bei der Personalisierung wird vieles auf die eigene Person bezogen. Im Grunde ist es eine Überschätzung der Bedeutung von sich selbst. Menschen mit diesen verzerrten Denkmustern glauben, die Ursache für bestimmte Ereignisse zu sein sowie das Verhalten anderer beeinflussen zu können. Demzufolge fühlen sie sich für viel zu viel verantwortlich.
Beispiele:
- „Sie saßen zwei Reihen im Bus hinter mir und haben über mich gelacht.“
- „Es ist meine Schuld, dass er fremdgegangen ist.“
Die Personalisierung im Denken kann sogar so weit reichen, dass man annimmt, bestraft zu werden (von Gott, dem Schicksal oder einem anderen Menschen), weil sich etwas Negatives im Leben ereignet.
Emotionale Beweisführung
Bei der emotionalen Beweisführung geht der Denkende beispielsweise davon aus, dass er etwas Fehlerhaftes getan haben muss, weil er sich schlecht fühlt. Auch andere Emotionen sind möglich, die zu verzerrten Schlussfolgerungen führen können.
Beispiel:
- „Aber wenn mich angeblich keine Schuld trifft, wieso fühle ich mich dann so schlecht?“
Tipp: Destruktives Denken schnell erkennen
Eine Möglichkeit, die eigenen negativen Denkmuster auf die Schnelle zu entlarven, um unverzüglich gegensteuern zu können, wäre in Anlehnung an Faßbinder et al. (2015) sie anhand bestimmter Signalwörter zu erkennen. Folgende Signalwörter stehen oft für destruktives Denken:
- muss, müsste, hätte, könnte, sollte …
- furchtbar, schrecklich, das Schlimmste …
- nie, niemals, nie mehr, immer, völlig …
- keiner, niemand, alle, jeder …
Destruktives Denken ist schlecht für den Selbstwert und das eigene emotionale Erleben. Viele der aufgezeigten negativen Denkmuster gehen ineinander über und sind nicht zwingend klar voneinander abgegrenzt, wie die Beispiele zeigen. Auch hat die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich ein Gefühl dafür vermitteln, wie oft wir eigentlich in destruktivem Denken und kognitiven Verzerrungen verharren, anstatt für ein positives, nicht wertendes Mindset zu sorgen.