Abgeschieden vom Trubel der Welt. Manche kommen dadurch zu sich. Das ist auch archetypisch erklärbar. © Pixelteufel under cc

Ein neues, integrales Denken und Handeln kann in einer seiner vielen Formen versuchen Bausteine der früheren Entwicklung mit in eine neue Sicht und Praxis einzubauen.

Die Frage ob und warum wir das überhaupt tun sollten, findet zwei Antworten. Zum einen sind wir am Ende einer bestimmten Art der Weltinterpretation, die, wie wir noch sehen werden, nicht an sich falsch, sondern nur überdehnt ist. Das kann bei allen anderen Sichtweisen auch der Fall sein, weshalb es wichtig ist, das Beste aus allen Welten zu verbinden und den Unsinn und die Übertreibungen zurück zu weisen. Dann gibt es noch einen Punkt:

Wir können archetypische Themen nicht aus der Welt drängen I

Zumindest dann nicht, wenn an der archetypischen Sichtweise etwas dran ist. Doch genau das ist unser Ansatz nach dem wir heute leben. Wir wollen durch Verbesserungen und Fortschritt bestimmte Aspekte der Welt weg haben, die unserer Meinung nach nicht sein sollten. Seuchen, Krebs, Herz- und Keislauferkrankungen, Tod, psychisches Leid, Armut, Hunger, Diskriminierung, Rassismus, Unvernunft und Aggression. Durchaus verständliche Wünsche.

Nach großartigen Fortschritten, hat sich nun aber immer mehr Ernüchterung eingestellt. Häufig bringen Verbesserungen in einem Bereich nach einiger Zeit oder parallel Rückschritte in einem anderen mit sich. Wir leiden an Krebs und Demenz, weil wir älter werden. Wäre es nicht toll, man könnte das biologische Altern und den Tod verhindern? Vielleicht, aber was machen wir mit dem Problem der Überbevölkerung? Man könnte sagen, es darf sich eben nicht mehr jeder mehr fortpflanzen, aber wem erlauben und wem verbieten wir es? Nur den Reichen, Schönen, Gesunden oder Privilegierten? Das wäre ungerecht bis faschistisch.

Schauen wir auf unseren Fortschritt durch die Industrialisierung, so sind die Folgeprobleme heute Dauerthema. Zu viel Kohlendioxid Ausstoß, Müll in jeder Form, Zerstörung der Umwelt, Verkehrskollaps, Lärm- und Lichtverschmutzung und so weiter.

Das Internet ist längst Teil des Lebens geworden, samt großer Gefahren. Cyberterror, -mobbing, -erpressung und -kriminalität, samt der Gefahr politischer Einflussnahme und dem Anheizen der Stimmung, um Klicks zu generieren.

Das Motiv hinter vielem ist jedoch nicht gewesen, die Welt schlechter zu machen. Die Absicht war nicht böse oder kriminell, sondern man will, was man seit langem will, Verbesserung durch Fortschritt. Die Idee dahinter ist immer ähnlich, man meint, manche Dinge gehörten nicht in die Welt und seien einfach ein Fehler und müssten weg.

Eine archetypische Sicht versucht nun das Prinzip hinter dem Phänomen, dem Ereignis, dem Konkreten zu finden und fragt, was sich hier ausdrückt.

Gibt es eine verbindende Idee hinter oder in den Dingen?

Bereits hier ist es schwer Verständnis zu erwecken. Denn eine ‚Idee dahinter‘ würde zurecht die Frage aufwerfen, wie die Idee oder der Ideengeber denn mit der Welt, wie wir sie erleben verbunden ist. Also sagt man, dass sich die Idee durch die und in der Form ausdrückt. Die Idee des Architekten ist das Bauwerk, was da steht. Es ist ein materieller Ausdruck einer Idee. Ein leckeres Essen ist ebenfalls Ausdruck einer Idee. Aber auch ein Auto, ein Roman, ein Amt oder ein Freistoßtor. Das hier jemand mit einer Absicht am Werk war, ist klar.

Die Streitfrage ist nun, ob sich auch in mehr oder weniger natürlichen Ereignissen eine Idee ausdrückt. Die Antwort der letzten 250 Jahre ist ein klares Nein. Alles Zufallsereignisse ohne jeden Sinn. Krebs ist in Kopierfehler, Armut ist Pech und noch das Wirken der Evolution ist bestenfalls nützlich um das Überleben zu sichern. Ist man konsequent muss man jedoch auch dies noch streichen, denn den rein zufälligen Abläufen der Natur wohnt keinerlei Notwendigkeit inne. So ‚will‘ die Evolution auch nicht, dass jemand überlebt, sondern durch ungehindertes Wachstum werden die Lebensräume und Ressourcen irgendwann eng, es kommt zur Konkurrenz und dadurch werden neue Nischen gesucht und gefunden. Entweder in dem man den Ort verlässt oder sich verändert, das allerdings nicht in einem bewussten Akt, sondern durch zufällige Abweichungen bei der Reproduktion von Organismen oder Verhaltensweisen, die mal besser und mal schlechter zum Umfeld passen. Was im Moment gut passt wird beibehalten, der Rest wird vergessen oder geht ein.

Inmitten dieser Idee aus blindem Zufall und Anpassung an Nischen ist nun ein Lebewesen entstanden, das völlig anders tickt, der Mensch. Wir brauchen Sinn, ein Ziel, Geschichten, Orientierung. Aber nicht nur irgendeine, sondern eine, die wir ernst nehmen, an die wir wirklich glauben, von der wir zutiefst überzeugt sind. Im Herzen unseres Weltbildes steht aber die Idee, dass all diese Geschichten im Grunde beliebig bis unsinnig sind, da Welt eben ein Konglomerat zufälliger Veränderungen und der Anpassung an diese ist. Es sind gewissermaßen zufällig Wesen entstanden, für die der Zufall nichts ist.

Man könnte daraus eine liberale Praxis stricken und pragmatisch sagen: Ach glauben sie doch einfach irgendwas, es ist vollkommen egal. Aber so geht es nicht. Die nachweisbare Wirkung, die von unseren Überzeugungen ausgeht, stellt sich vor allem dann ein, wenn man wirklich überzeugt ist. Wer sich ja nach Bedarf täglich an eine andere Überzeugung anpasst, ist nicht besonders pfiffig, sondern einfach von gar nichts überzeugt. Tiefe Überzeugungen kann man nicht über Nacht wechseln.

Exemplarisch konnte man das in der Esoterik-Szene betrachten, in der sich viele ihre schützenden Götter, Wesenheiten, Totems und Tiere je nach Bedarf aus allen Glaubensformen zusammenstellten. Die heilende Wirkung des Glaubens liegt allerdings darin, sich in den Dienst einer größeren Idee zu stellen und nicht, alle Welt auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden.

Ebenso sonderbar ist die Bewegung vom anderen Ufer, messianisch auftretende Atheisten oder Anhänger der Skeptikerbewegung, die quasireligiös genau jene Szientismus verkünden, der heute auch dort auf der Stelle tritt, wo weit weniger Eifer im Spiel ist. Sinnlosigkeit als Element persönlicher Sinngebung, immerhin originell.

Aber gibt es nun eine Idee hinter allem was passiert?

Ideen hinter der Krankheit

Die Psychosomatik beschäftigt sich damit, welche Ideen in einer bestimmten Krankheit zum Ausdruck kommen. Sie geht davon aus, dass sich als Symptom etwas ausdrückt, was ungelebt und unbeachtet ist, aber eben auch zu diesem Menschen gehört. Insofern bringt das Symptom die Welt schon in Ordnung, aber das wird als leidvoll erlebt.

Eine archetypische Betrachtung der Welt sieht nahezu jedes Ereignis als psychosomatisch an, im Sinne des Ausdrucks einer Idee. Betrachten wir nicht eine bestimmte Krankheit, sondern das Gesamtphänomen Krankheit selbst, so zwingt uns Krankheit so gut wie immer dazu, auf dem eigenen Ideenweg oder Lebensweg innezuhalten oder ihn sogar zu verlassen. Alles lief rund, bis dann dummerweise die Krankheit kam. Aus naturalistischer und funktionalistischer Sicht ist Krankheit ein Zufall, der die eine mehr und den anderen weniger trifft, eine Störung der Normalität. Erneut muss man sich anpassen, so gut es geht oder hat eben ganz einfach Pech gehabt, mehr gibt es dazu nicht zu sagen, ein Sinn dahinter existiert nicht.

Aus archetypischer Sicht reißt Krankheit uns aus der Verwirklichung unserer Ideen, es grenzt sie ein und bremst sie aus. Wenn das kein reiner Zufall ist, hat man eventuell einen Fuß in der Tür. Denn dann müsste man annehmen, dass das so sein soll und das wirft zum einen die Frage auf, warum das so ist, den Fuß hat man aber drin, weil es dann auch eine Art Vorbeugung gibt. Denn nun ist ist das Weltgeschehen kein an sich blinder Prozess, kein Ozean der Sinnlosigkeit, mit einer kleinen Insel von Wesen, die zufällig Sinn brauchen um halbwegs leben zu können, sondern alles ist ein lebendiger, sinnvoller und dialogischer Prozess. Diese Sicht bringt einige Menschen in Aufruhr, weil das nach unserem Weltbild nicht sein kann und fremd erscheint.