Viele von uns hinterfragen alles und zweifeln ständig an sich. Wir durchdenken und „zerdenken“ bestimmte Dinge. Außerdem vergleichen wir uns mit anderen. Manches Mal schneiden wir dabei schlechter ab und fühlen uns klein. Manches Mal fühlen wir uns besser als andere, weil wir glauben, die tatsächliche Wahrheit gepachtet zu haben. Negative Denkmuster bemerken wir kaum, weil wir es gewohnt sind, in der Art zu denken. Wir glauben, dass jeder so denkt, wie wir es tun. Und es gibt sicherlich einen Großteil der Menschen mit diesen Gedankenstrukturen. Aber wie heißt es so schön? Nur weil es viele machen, ist es nicht automatisch richtig. Es bedeutet auch nicht, dass man mit einem solchen Denken erfolgreich im Leben sein wird. Im Gegenteil: Negative Denkmuster sind ein Hemmschuh auf dem Weg des eigenen Vorankommens.
Negative Denkmuster sind veränderbar
Die negativen Denkmuster sind erfahrungsbasiert. Sie wurden im Laufe des Lebens angeeignet. Wir haben sie erlernt – folglich sind sie veränderbar. Doch um negative Denkmuster ändern zu können, muss man sie zunächst erst einmal identifizieren. Schadhafte Gedanken müssen explizit benannt werden, damit sie zukünftig vom Denkenden erkannt werden. Wie ein nützlicher Sidekick – das sind die hilfreichen Begleiter der Hauptfiguren in Geschichten – lernen wir mehr und mehr, unser Denken parallel zu überwachen. Immer schneller fallen dann die negativen Gedankengänge auf. Nur dadurch lassen sie sich aufbrechen und verändern.
Dysfunktionale Denkmuster: subklinisch-klinisch
Kognitive Verzerrungen wurden 1967 von dem amerikanischen Psychiater und Psychotherapeuten Aaron T. Beck, einem Pionier der kognitiven Verhaltenstherapie, beschrieben. In starker Ausprägung stehen sie in Zusammenhang mit verschiedenen klinischen Störungsbildern wie beispielsweise Depressionen, Angsterkrankungen, Anorexia nervosa etc.
Aber: Dysfunktionale Gedankenstrukturen sind nicht zwingend im klinischen Bereich anzuordnen. Nicht jeder wird in jeder Situation dysfunktionale Gedankengänge in der Häufigkeit und Stärke aufweisen, wie es in der nachfolgenden Auflistung den Anschein machen könnte. Es gibt Abstufungen und auch bewusste Korrekturen, die man selbst vornimmt.
Wie so oft in der Psychologie befinden wir uns auch bei den dysfunktionalen Denkmustern auf einem Kontinuum. Bis zu einem gewissen Punkt kommt es sicherlich bei fast allen Menschen vor, hin und wieder in dieses pessimistische Denken zu verfallen. Es kommt immer auf die Häufigkeit und die Gewichtung eines solchen Denkens an. Wie oft verfalle ich in die negativen Denkmuster? Sind diese bei mir die vorrangigen Denkstrukturen? Wie sehr lasse ich zu, dass diese Gedanken mein Mindset/Wohlbefinden/Vorankommen bestimmen? Vermutlich werden sich bei einigen von uns lediglich ab und zu einzelne Anleihen aus den negativen Denkmustern finden lassen. Sollten diese stärker ausgeprägt sein, können die dysfunktionalen Kognitionen für den einzelnen einen Anlass bieten, eine Kognitive Verhaltenstherapie in Angriff zu nehmen.
Negative Denkmuster: Welche gibt es?
Schauen wir uns in Anlehnung an das Buch Design Your Mind! Denkfallen entlarven und überwinden, geschrieben von dem Wirtschaftspsychologen Martin Sauerland von der Universität Koblenz-Landau, einige der typischen negativen Denkmuster an.
Schwarz-Weiß-Denken
Das Schwarz-Weiß-Denken, im psychologischen Kontext auch dichotomes Denken genannt, bezeichnet ein Denken, welches durch extreme Einordnungen charakterisiert ist und bei dem differenzierende Abstufungen fehlen. Entweder ist es so – oder so. Graustufen gibt es nicht, sie werden meist in die schwarze Kategorie eingeordnet.
Beispiele:
- „Es ist ein absoluter Fauxpas, der mir da passiert ist! Wie peinlich!“ versus „Mir kann das überhaupt nichts anhaben, da stehe ich total drüber.“
- „Ich bin so schlecht in allem, was ich tue.“ versus „Ich bin so gut! Ich begreife wirklich mehr als andere.“
- „Oh, Mann, ich liebe ihn! Er ist so toll!“ versus „Ich hasse ihn. Er ist ein Arsch.“
Konjunktivitis und Hypothesen aufstellen
Das sogenannte kontrafaktische Denken – also das Denken entgegen der real vorliegenden Gegebenheiten – beinhaltet Antizipationen über nicht eingetretene Ereignisse. Es werden wünschenswerte Alternativen zum tatsächlich eingetretenen Ergebnis vorgestellt. Der Konjunktiv wird von diesen Denkern gern verwendet. Wir wünschen uns etwas, bereuen etwas oder machen bestimmte Umstände für den Ausgang einer Situation verantwortlich. Vor allem dient das kontrafaktische Denken dazu, die Kontrolle in einer nichtkontrollierbaren Welt mit allen möglichen Ergebnisoptionen zu behalten. Sprich: Wie hätte es anders ausgehen können, wenn mein Verhalten oder die Umstände anders gewesen wären?
Beispiele:
- „Wenn ich damals Aktien gekauft hätte, dann hätte ich heute keine Geldprobleme.“
- „Der andere hätte sich besser zusammenreißen müssen, dann wäre es nicht dazu gekommen, dass ich so reagiere.“
Das kontrafaktische Denken ist nicht per se schlecht. Es kann der Motivation dienen und ist womöglich ein Antrieb, zukünftig in anderer Art zu verfahren. Zieht man daraus jedoch keine Verhaltensänderungen, bleibt das kontrafaktische Denken ein Hemmschuh für das eigene Vorankommen im Leben. Es kann das Wohlbefinden negativ beeinflussen und verhindern, die Realität bis zur Gänze zu akzeptieren.
Gedankliches Wiederkäuen
Kühe ruminieren. Das heißt: Sie käuen wieder. In der Psychologie bezieht sich der Begriff auf das gedankliche Wiederkäuen, das ewige Grübeln über bestimmte Ereignisse, Konstellationen und Verhaltensweisen, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Man grübelt über Dinge, die in der Vergangenheit schief gelaufen sind und legt zumeist die Betonung auf die eigenen Schwächen. Beim Grübeln befindet man sich gedanklich zu großen Teilen im Bereich der Spekulation. Viele Variablen sind schlichtweg unbekannt wie beispielsweise die Einstellungen anderer Personen zur eigenen Person oder der mögliche Ausgang eines in der Zukunft liegenden Szenarios. Wir wissen es einfach nicht. Dennoch grübeln wir.
Beispiele:
- „Liebt er/sie mich, obwohl das Verhalten so abweisend mir gegenüber ist?“
- „Hält mein Vorgesetzter mich für eine gute Mitarbeiterin? Immerhin hat er neulich zu mir gesagt, ich solle mich besser konzentrieren.“
Das Gedankenkarussell beim Grübeln führt zu einer geringeren kognitiven Leistungsfähigkeit, weil man nun mal abgelenkt ist. Grübeln ist oft mit Selbstzweifeln verbunden, genauso wie mit Scham- und Schuldgefühlen, Verletztheit, Fatalismus, passiver Opferhaltung, Gefühlen der Ablehnung und Verärgerung. Zu guter Letzt kann das Grübeln unsere sozialen Beziehungen beeinflussen, weil wir uns einbilden zu wissen, wie (negativ) andere von uns denken.
Weitere negative Denkmuster führen wir im nächsten Teil unserer Reihe „Raus aus der Denkfalle“ auf: Destruktives Denken schadet dem Selbstwert – Raus aus der Denkfalle (2).