Nicht jeden küsst die Muse einfach so. Und selbst wenn manche Menschen die Muse küsst, so tut sie es nicht ständig. Auf den Kuss einer imaginären Frau zu warten, scheint folglich wenig hilfreich zu sein, möchte man seine Kreativität auf lange Sicht zuverlässig steigern. Nicht wenige talentierte Kunstschaffende fragen sich zwischen zwei Nebenjobs zum Lebensunterhalt und der spärlich belegten Butterbrotscheibe zum Abendessen: Wie wird man ein erfolgreicher Künstler? Und wie steigere ich meine Kreativität, um zuverlässig schöpferisch tätig zu sein, damit ich überhaupt regelmäßig davon leben kann? Das habe ich mich auch gefragt und bin dabei auf interessante Statements und eine inspirierende Dokumentation gestoßen.
Was es bedeutet, kreativ zu sein
Kreativität bedeutet im eigentlichen Sinne: Schaffenskraft. Der Kreative ist schöpferisch tätig. Er erschafft etwas Neues beziehungsweise Originelles. So lautet die klassische »Definition« von Kreativität.
Wie viele von uns wissen, bedeutet Kreativität auch Arbeit. Vor allem, wenn man das Ziel verfolgt, irgendwann von seiner Kunst leben zu können. Wer ein erfolgreicher Künstler werden möchte, der muss beharrlich arbeiten. Dieser schöpferische Prozess führt hin und wieder gehörig zur Erschöpfung. Jeder kreativ tätige Mensch kennt solche Phasen, an denen der Zustand im Kopf einer staubigen verlassenen Westernstadt in einem Italo-Western gleicht, in welcher zwischen dem Saloon und dem Büro des Sheriffs einzig ein verdorrter Strauch über die sandige Straße fegt. Diesen Strauch nennt man übrigens Ruthenisches Salzkraut und er steht bekanntermaßen symbolisch für die Analogie einer zurückgelassenen Wild West-Stadt.
Ich hätte so tun können, als wäre mir diese Bezeichnung des Ruthenischen Salzkrautes geläufig. Ich hätte das Kraut ganz beiläufig in einem Satz einfließen lassen und hätte mich für mein Fun Fact-Wissen bestaunen lassen können. Doch Ehrlichkeit währt am längsten. Stattdessen musste ich googeln, wie man dieses Gewächs nennt. Denn Kreativität bedeutet sicherlich auch Demut. Ein aufstrebender Künstler kommt im Wertekosmos des einundzwanzigsten Jahrhunderts, geprägt durch Authentizität und Menschlichkeit, gewiss besser an, wenn er sich nicht über andere erhebt. Es ist vermutlich so, dass wirklich erfolgreiche Kunst den Menschen beim Menschen abholt.
Kreativität ist ein fortlaufender Prozess, der vor allem die Auseinandersetzung mit sich selbst, dem eigenen Ego, den eigenen gesellschaftlich geformten Gedankenkonstrukten – und nicht zuletzt mit dem eigenen Schweinehund – bedeutet. Denn um seine Kreativität steigern zu können, damit man seine Chancen erhöht, ein erfolgreicher Künstler zu werden, benötigt man vor allem eines: Disziplin.
Wie wird man ein erfolgreicher Künstler? Vermutlich …
Anders als man durch die herkömmliche Umschreibung von Kreativität annehmen könnte, bedeutet Kreativität nicht, dass man etwas vollkommen Neues erschafft. Ich glaube sogar, dass das nahezu unmöglich ist. Rein theoretisch wäre es bestimmt ein spannendes Projekt. Eine Kunst zu erschaffen, die vergangene Kunst und Erkenntnisse zwingend ausschließt. Doch allein durch die Gegenüberstellung, die für den Ausschluss notwendig wäre, setzt man ja bereits indirekt an der bestehenden Kunst an. Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass man als Künstler stets an etwas Bestehendem ansetzt. Es scheint mir wie ein Teppich der schöpferischen Intelligenz zu sein, welcher über die Jahrhunderte gewoben wurde, der immer neue Blüten treibt und an dem man mit seiner eigenen Idee einen weiteren Teil anknüpft. Für einen Künstler, der in die Auseinandersetzung mit sich selbst geht, stellt sich also die Frage: Wie könnte man die Schöpfung anderer talentierter und erfolgreicher Menschen für sein eigenes Werk adaptieren? Was kann man sich dankbar abschauen, weiterentwickeln und zu eigen machen?
In der Dokumentation »Das kreative Gehirn« (derzeit auf Netflix: The Creative Brain) geht der US-amerikanische Neurowissenschaftler und Schriftsteller Dr. David Eagleman dem kreativen Prozess verschiedener Künstler und Wissenschaftler nach und versucht wichtige Punkte der Schaffenskraft zu extrahieren, welche auf dem Weg zu einer erfolgreichen, sich finanziell tragenden Kunst hilfreich sein könnten.
Es gibt keine wirkliche Originalität. Kreativität heißt nicht, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, sondern an bestehende Dinge anzuknüpfen.
In Anlehnung an The Creative Brain
Weitere interessante Gedanken habe ich in dieser Dokumentation unter anderem von den Kunstschaffenden wie dem Musiker Nick Cave, dem Novellisten Michael Chabon oder dem Game of Thrones-Drehbuchautor D. B. Weiss gehört. Nachfolgend liste ich diejenigen auf, welche mich besonders zum Nachdenken anregten:
Erfolgreiche Kunst: nicht zu langweilig und nicht zu verrückt
Da Kreativität zwischen dem bereits Bekannten und dem Neuen entsteht, muss ein Künstler bereit sein, seine eigenen sowie gesellschaftliche und soziale Grenzen aufzuweichen. Aus allen Möglichkeiten, die er hat, um etwas Neues zu kreieren, kann er versuchen zu erspüren, was vom Publikum angenommen werden könnte. Aus der Bandbreite aller Möglichkeiten, die sich ihm schöpferisch offenbaren, muss der Künstler sondieren und herausfinden, was für das Publikum funktionieren könnte. Auf der anderen Seite geht es natürlich auch darum, etwas Spezielles an der eigenen Kunst herauszuarbeiten. Etwas, wofür die eigene Kunst steht, ohne sich selbst in Schubladen einzuengen.
Das Werk des Künstlers darf nicht zu langweilig sein, sonst zieht die Welt an ihm vorbei. Es darf jedoch auch nicht zu verrückt sein, sonst folgt dem Künstler niemand. Die Kunst, von der Kunst leben zu können, bedeutet folglich: einen Mittelweg finden.
In Anlehnung an The Creative Brain
Künstlerische Freiheit versus der imaginäre Austausch mit dem Publikum
Natürlich werden viele Kunstschaffende nun aufhorchen und sagen: Ich möchte meine Kunst nicht begrenzen. Ich publiziere, zeichne, komponiere das, was mir gefällt und von Herzen kommt. Der Rest ergibt sich von allein. Kunst lässt sich nicht planen und der Erfolg einer Kunst sowieso nicht.
Korrekt! Dieser Ansatzpunkt ist ein durchaus bewährter und er hat seine Existenzberechtigung. Kunst muss im Fluss geschehen und sollte sich nicht durch Beschränkungen von außen definieren lassen. Dem kann ich nicht widersprechen.
Und dennoch obliegt jedem Künstler die Wahl, ob er im Laufe seines Schaffensprozesses in den imaginären Austausch mit dem Publikum gehen möchte, um zu prüfen, was von den Menschen angenommen werden könnte. Auf diese Weise lässt sich eventuell die Wahrscheinlichkeit, ein erfolgreicher Künstler zu werden, erhöhen. Doch Obacht! Der gedankliche Vorab-Diskurs mit dem Publikum sollte nicht so weit gehen, dass er den eigenen Schöpfungsprozess hemmt. Er soll ihn lediglich in die richtigen Bahnen lenken.
Für erfolgreiche Kunst: Lote deine Schamgrenze aus
Ich glaube, wie oben erwähnt, dass erfolgreiche Kunst die Menschen bei sich selbst abholen sollte. Welche Ängste, Sorgen und Nöte teilen die meisten von uns? Wie lassen sich diese in der Kunst darstellen und welche gedanklichen Ansatzpunkte könnten kunstvoll offenbart Lösungen dafür anregen? Ein erfolgreicher Künstler befasst sich mit den Themen in seiner Kunst, die auch andere Menschen gedanklich beschäftigen. In der besagten Dokumentation spricht Nick Cave die Schamgrenze als eine für den Künstler interessante Grenze an. Etwas auszusprechen, bei dem man sich wirklich unwohl fühlt. Bei dem man denkt: Oh, nein, das kann ich nicht sagen! Lässt man beispielsweise seine Protagonisten jene schambehafteten Situationen durchleben, bei denen andere gedanklich schon weit vorher abbiegen würden, weil es zu peinlich wäre, könnte dies der richtige Weg hin zu einer erfolgreichen Kunst sein. Verarbeitet man in der Kunst etwas, bei dem man sich unwohl fühlt, dann kann dies eine Bestätigung dafür sein, dass man mit seinem Werk in eine neue aufregende Richtung geht. Kreativität lotet Grenzen aus.
Im zweiten Teil unserer Reihe zur Steigerung der eigenen Kreativität gehen wir den Aspekten auf den Grund, die uns dabei helfen könnten, unsere Kreativität in einen fortlaufenden Arbeitsprozess zu integrieren, um auch langfristig ein erfolgreicher Künstler werden zu können: Wie steigere ich meine Kreativität? – Kreativität steigern (2).