Das Angsterleben ist im Ursprung eine Warnreaktion des Gehirns vor möglichen Gefahren. Ohne das Angstgefühl würden wir nachts durch tiefdunkle Wälder spazieren oder mit einer Giftschlange kämpfen wollen. Auch wenn wir nicht unbedingt nachts durch einen Park spazieren würden, leben wir in einem halbwegs zivilisierten, sicheren Land. Die meisten von uns gehen nach der Arbeit nach Hause und suchen des Nächtens die sichere Zuflucht im trauten Heim. Dennoch spüren einige von uns übermäßig viele Ängste. Die Betroffenen fragen sich: Habe ich eine Angststörung? Welche ersten Anzeichen deuten darauf hin, dass man ein überdurchschnittliches Angsterleben haben könnte?

Mögliche Anzeichen: Habe ich eine Angststörung?

Häufiges Angsterleben hat zum einen starke Auswirkungen auf unseren Körper. Wir fühlen uns erschöpft, müde, fahrig und ausgelaugt. Ständig in körperlicher Alarmbereitschaft zu sein, wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit aus. Unsere physischen und psychischen Kapazitäten schwinden zusehends. Nicht nur wir selbst werden von einem häufigen Angsterleben beeinträchtigt, es hat auch Auswirkungen auf unser Leben sowie unsere Sozialität. Vielleicht ziehen wir uns mehr und mehr zurück, können im Umgang mit den Kindern nicht mehr entspannt reagieren und an zärtliche Stunden mit dem Partner ist gar nicht mehr zu denken. Die Ängste, die man spürt, können sehr spezifisch sein oder aber sehr allgemein. Welche Anzeichen gibt es, die auf eine Angststörung oder zumindest auf ein vermehrtes Angsterleben schließen könnten?

Starkes Antizipieren von Situationen

Feuerzeug Flamme Hand

Wenn du katastrophisierst, dann machst du gedanklich aus jeder kleinen Flamme einen Flächenbrand. © Airi’s PAPA under cc

Selbst wenn du nur einkaufen gehst, du malst dir vorab gedanklich aus, was alles geschehen könnte. Du spielst die Abläufe im Kopf durch und denkst über mögliche Schwierigkeiten nach, die entstehen könnten. Du überlegst, wie du auf die verschiedenen möglichen Ereignisse, die eintreten könnten, reagieren würdest. Oft steigerst du dich gedanklich in mögliche Komplikationen hinein und neigst zum Katastrophisieren.

Du bist stark kontrollierend

Ständig bist du am Grübeln und Ausloten von möglichen Situationen oder Geschehnissen. Du fragst andere aus, möchtest dich lieber einmal mehr als zu wenig rückversichern. Du kannst das Leben nicht auf dich zukommen lassen. Am liebsten ist dir, du hättest über alles die Kontrolle.
Eventuell ist deine Angst bereits in zwanghaftem Verhalten oder Zwangsgedanken gemündet. Du kontrollierst mehrfach den Herd, ehe du aus dem Haus gehst. Oder du praktizierst bestimmte Gedankenabfolgen oder Verhaltensrituale in immer gleicher Form, weil du andernfalls glaubst, etwas könnte schiefgehen.

Vor Situationen herumdrücken

Am liebsten wäre es dir, du könntest zu Hause bleiben. Das Leben da draußen ist dir viel zu wild und unvorhersehbar. Vielleicht hast du sogar einen Partner, der dir bereits viele Draußen-Erledigungen abnimmt und den du oft darum bittest. Manches Mal verdrehst du womöglich ein bisschen die Tatsachen, damit jemand anderes Sachen für dich erledigt, oder du erfindest Ausreden, um nicht zu einem bestimmten Event zu müssen. Deine dahinterstehende Motivation ist weniger die Unlust, sondern es geschieht aus der Angst heraus.

Du fühlst dich unwohl

Maedchen Pony Augen Pflanzen

Wenn du ständig grübelst und das Schlimmste antizipierst, fragst du dich: Habe ich eine Angststörung? © Francesca Dioni under cc

Bei Betroffenen, die sich fragen, ob sie eine Angststörung haben könnten, liegt ein überdurchschnittliches persönliches Unwohlsein in unbekannten Situationen bzw. gegenüber Veränderungen vor. Du fühlst dich unwohl in deiner Haut und kannst dich draußen oder generell in sozialen Situationen schlechter entspannen. Du bist wie angeknipst und angestrengt, stets wachsam, weil du fürchtest, dass jederzeit die große Katastrophe eintreten könnte. Neben deinem vermehrten Angsterleben geht dein Herzschlag schneller, du gerätst ins Schwitzen, hast kalte oder feuchte Hände. Womöglich erlebst du sogar panikartige Gefühle oder Panikattacken.

Du hast starke Selbstzweifel

Fast immer geht ein verminderter Selbstwert mit einem höheren Angsterleben einher. Du glaubst, nicht gut genug zu sein, in Leistungssituationen schlechter bestehen zu können. Solltest du dennoch gut abschneiden, denkst du dir, dass andere dein Können überbewerten und du irgendwann auffliegst.

Du empfindest mehr Scham bei Fehlern

Es könnte sein, dass du schneller rot wirst als andere, weil dein Schamgefühl sehr stark ausgeprägt ist. Du glaubst, die Welt geht unter und alle finden dich furchtbar peinlich, sobald dir ein Fehler unterläuft. Folglich gehst du davon aus, dass man fortan deine Integrität in Frage stellen wird und du es – direkt formuliert – auf ewig versaut hast.

Du hast Angst, dich im Gespräch zu blamieren

Du hast nicht nur Vortragsangst. Nein, du fürchtest sogar, du könntest dich in einem normalen Gespräch lächerlich machen, indem du etwas Falsches sagst. Der andere könnte dich mit einem verächtlichen Blick abstrafen und glauben, du wärst nicht mehr ganz bei Trost.

Du versuchst, dich vor der Arbeit zu drücken

Wenn du ein starkes Angsterleben hast, gehörst du zumeist nicht zu den Menschen, die locker und enthusiastisch an Arbeitsaufgaben herangehen. Im Gegenteil, vielleicht drückst du dich herum oder schiebst die Erledigung vor dir her. Es kostet dich viel Mühe und eigene Überredungskunst, schwierigere oder unbekannte Arbeitsaufgaben zu erledigen. Sie stellen für dich keine Herausforderung dar, sondern sind purer Stress. Vielleicht führt es sogar dazu, dass du deine dir zugewiesenen Aufgaben nicht schaffst und du unter dem sogenannten Prokrastinieren leidest.
Die katastrophisierenden Gedanken dahingehend, dass du deine Aufgabe nicht schaffen könntest, erschweren dir deine Konzentration. Du brauchst länger als andere, um dich selbst zu beruhigen und rein inhaltlich bei deiner Aufgabe anzukommen.

Du bist ungern allein

Haende Mann Frau Steppmantel

Meistens bist du ungern allein und fühlst dich mit dem Partner bei allem sicherer. © Wyatt Fisher under cc

Wenn du ungern allein bist, heißt das nicht, dass du super gern ausgehst. Im Gegenteil. Aber allein zu Hause bist du ebenfalls nicht so gern. Am liebsten sollte dein Partner, deine Eltern oder dein/e beste/r Freund/in bei dir sein. Noch besser wäre es, wenn diese dich sogar bei bestimmten Draußen-Aktivitäten begleiten würden. Für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes passiert.
Du hast Angst davor, dein Partner oder andere Menschen in deinem Umfeld könnten dich verlassen. Ängste, die wiederkehrend sind und für die es nicht zwingend einen Auslöser geben muss.

Du hast Angst vor Erkrankungen

Gehörst du zu den Menschen, die nur von anderen bestimmte Erkrankungen hören müssen und schon glaubst du, selbst diese Symptome zu haben? Jemand klagt über Zahnschmerzen und schon pocht dir ein Zahn. Jemand berichtet über einen entdeckten Knoten in der Brust und du tastest intensiver deine Brust ab und du fürchtest vielleicht sogar, einen Knoten entdeckt zu haben. Doktor Google ist dein Freund. Du googelst mögliche Symptome von möglichen Erkrankungen und versteigst dich in deinen Mutmaßungen und Ängsten. Vermutlich versetzt du sogar dein Umfeld in Aufruhr damit.

Du hinterfragst alles

Du bist relativ misstrauisch und hinterfragst alles und jeden. Hat dir der Arzt auch wirklich die Wahrheit gesagt? Immerhin hat er so komisch geschaut und auch eine kurze Pause beim Reden eingelegt.
Mögen die anderen dich wirklich?
Bin ich gut gekleidet?
Habe ich Burger-Sauce am Mundwinkel?
Sicherlich meint mein bester Freund es nicht ernst und er möchte mich nur aufbauen. Eigentlich habe ich mich gänzlich unpassend verhalten.
So oder so ähnlich könnten deine Einschätzungen von deinem persönlichen Auftreten und dein Hinterfragen von Situationen und Menschen lauten.

Habe ich eine Angststörung? Der klinische Ausblick

Habe ich eine Angststörung? Wenn du mehrere der eben genannten Aspekte bejahen kannst, solltest du dich stärker mit dem Thema und der für dich damit verbundenen Einschränkung im Erleben und Verhalten auseinandersetzen. Wie man starke Ängste klinisch angehen kann, findest du hier: Therapie gegen Angst – Über die Schrecken des Alltags (3).