Während der Schwangerschaft kommt es bei vielen Frauen zu Veränderungen ihrer psychischen Verfassung oder ihrer Persönlichkeit. Diese sollten keinesfalls nur als schwangerschaftsbedingte Stimmungsschwankungen abgetan oder ignoriert werden. Denn zum einen stellen sie für die Schwangere selbst oft eine erhebliche Belastung dar, und zum anderen können sie einen negativen Einfluss auf das ungeborene Kind haben. Was sind die Ursachen dieser Veränderung und welche Prozesse laufen dabei im Gehirn ab?
Verändert eine Schwangerschaft den Charakter – und wie ist das möglich?
Viele Schwangere bemerken an sich selbst während der Schwangerschaft nicht nur physische, sondern auch psychische Veränderungen. Auch Familienangehörigen, engen Freunden und Kollegen bleiben diese oftmals nicht verborgen. Fast schon legendär sind die als Indiz für eine Schwangerschaft im Frühstadium geltenden Veränderungen des Geschmackssinnes und der plötzlich auftretende Appetit auf bestimmte Speisen, zum Teil mit ungewöhnlichen Kombinationen verschiedener Aromen.
Stimmungsschwankungen und psychische Krankheiten
Mitunter kommt es zu Phasen mit besonders guter, heiterer Stimmung, für die vordergründig kein Anlass erkennbar ist. Allerdings spielt auch das Gegenteil eine erhebliche Rolle: So leiden bis zu 20 Prozent der Schwangeren an Depressionen. Von Angststörungen ist sogar jede vierte Schwangere betroffen, und bei 24 Prozent von ihnen treten somatoforme oder dissoziative Störungen auf.
Darüber hinaus kommt es bei einigen Frauen zu psychischen Auffälligkeiten, die jedoch nicht immer als pathologisch klassifiziert werden und von denen die Betreffenden häufig auch nicht berichten, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft Arzttermine wahrnehmen.
Schwangerschaftshormone als Ursache
Eine wesentliche Ursache für solche Veränderungen sind Umstellungen des Hormonhaushalts während der Schwangerschaft. Ein Beispiel dafür ist das humane Choriongonadotropin (hCG), ein Hormon, welches während der Schwangerschaft in einem bestimmten Teil der Plazenta gebildet wird. Es spielt eine wichtige Rolle beim Beginn und beim Ende einer Schwangerschaft und wird für laborchemische Schwangerschaftsbestimmungen verwendet. Anhand von hCG-Normwerte für Blut und Urin lässt sich feststellen, ob Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf vorliegen. Seiner Wirkung werden die häufig auftretenden Veränderungen des Geschmacks- und Geruchssinnes sowie die Schwangerschaftsübelkeit zugeschrieben. Diese, oft wie eine Überempfindlichkeit anmutenden Phänomene haben übrigens durchaus eine wichtige Funktion, denn sie tragen dazu bei, die Schwangere und damit zugleich auch ihr ungeborenes Kind vor schlechter oder möglicherweise verdorbener Nahrung zu schützen.
Was verändert sich im Gehirn von Schwangeren?

Auch das Gehirn von Schwangeren unterliegt Veränderungen © Bild von mohamed Hassan auf Pixabay
Neben dem Hormonhaushalt des Körpers ist auch das Gehirn während einer Schwangerschaft von Veränderungen betroffen. So berichtete beispielsweise das Ärzteblatt über eine in Nature Neuroscience veröffentlichte Studie, die sich mit Veränderungen in den für soziale Kognition relevanten Hirnarealen beschäftigte.
Während beispielsweise der massive Anstieg des Progesteronspiegels und die regelrechte Überflutung einer Schwangeren mit Östrogenen sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Blutvolumen, die Herzleistung, die Resorption von Nährstoffen sowie den Stoffwechsel bereits relativ gut erforscht wurden, seien die Auswirkungen der Hormone auf das menschliche Gehirn bislang nur relativ wenig beachtet worden.
Vor diesem Hintergrund untersuchte ein Team der Universität Barcelona um Elseline Hoekzema 25 Frauen mit Kinderwunsch und führte bei ihnen jeweils vor der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes Kernspintomographien durch. Als Vergleichsgruppe wurden zudem 19 erstmalige Väter untersucht, außerdem auch 20 Frauen sowie 17 Männer ohne Kinder. Bei einer computerbasierten Analyse der kernspintomographischen Aufnahmen zeigte sich, dass es während der Schwangerschaft zu einer leichten Abnahme des Hirnvolumens in Teilen des präfrontalen sowie des temporalen Cortex kam. Diese Bereiche sind für soziale kognitive Leistungen zuständig.
Bei den verschiedenen Kontrollgruppen, bei denen es nicht zu hormonalen Veränderungen kam, waren auch keine Volumenabnahmen zu verzeichnen. Die Volumenabnahme gehe jedoch nicht mit einem Verlust von Hirnzellen einher. Auch wenn die genauen morphologischen Grundlagen des leichten Volumenrückgangs in der Studie nicht geklärt werden konnten, sei es wahrscheinlicher, dass es zu einer hormonell bedingten Reorganisation der Nervenverbindungen gekommen sei. Dafür spreche, dass die Hirnveränderungen nicht mit einem Verlust kognitiver Fähigkeiten verbunden seien.
Negative Gefühle in der Schwangerschaft
Welche Auswirkungen hat der seelische/psychische Zustand der Schwangeren auf die Persönlichkeit des Kindes?

Ein ausgewogenes Stresslevel hat nicht nur positive Effekte auf die Mutter sondern auch das Kind © Bild von Tawny van Breda auf Pixabay
Persönlichkeitsveränderungen während der Schwangerschaft haben also offenbar natürliche Ursachen und sind insofern kein Grund zur Beunruhigung. Allerdings sollten sie ernst genommen und gegebenenfalls auch mit geeigneten Therapieverfahren behandelt werden, wenn sie zu stärkeren Beeinträchtigungen des Wohlbefindens der Schwangeren und zu Stress führen. Denn Stress der Mutter während der Schwangerschaft kann nicht nur für diese selbst, sondern auch für ihr ungeborenes Kind negative Auswirkungen haben.
So fanden sich beispielsweise in mehreren Studien Anhaltspunkte dafür, dass viele Mütter von sogenannten Schreibabys während der Schwangerschaft bestimmten Stressfaktoren ausgesetzt waren. Zudem ergaben sich im Rahmen einer an der Universität München durchgeführten Untersuchung Hinweise darauf, dass die Verhaltensregulation eines Kindes durch pränatalen Stress beeinflusst werden kann. Frauen, die während der Schwangerschaft stärkerem Stress ausgesetzt waren, beschrieben ihre Kinder als schwieriger, motorisch aktiver, irritierbarer, negativer im Affekt und leichter erregbar als Frauen mit geringerer Stressbelastung während der Schwangerschaft.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Maßnahmen zur Reduzierung oder Überwindung von Stress und negativen Gefühlen in der Schwangerschaft nicht nur das aktuelle Wohlbefinden der Schwangeren verbessern, sondern zugleich auch einen positiven Einfluss auf das ungeborene Kind und dessen früheste Lebensphase haben können.