Es war ein ganz normales Gespräch, welches du mit einem Freund führen wolltest. Du hast offen deine Bedürfnisse und Gefühle kommuniziert. Doch alles, was du sagtest, prallte bei deinem Gesprächspartner ab. Stattdessen fühltest du dich die ganze Zeit über irgendwie angegriffen, obwohl die Worte deines Gegenübers im Grunde zurückhaltend wirkten – und die Verärgerung bei dir nahm zu. Du fragst dich wieso? Dein Gegenüber blieb die gesamte Zeit beherrscht, aber kühl, und du hattest Mühe, deinen Ärger zurückzuhalten. Sobald die ersten Rauchwolken verflogen sind, fragst du dich, was im Laufe des Gespräches eigentlich passiert ist. Du bist doch sonst jemand, der ruhig bleibt. Warum bist du bei diesem einen Gespräch so ärgerlich geworden, obwohl es gar nicht deine Art ist? Es könnte daran liegen, dass dein Gesprächspartner – egal ob Freund, Ehepartner oder Kollege – ein passiv-aggressives Verhalten an den Tag gelegt hat.
Wir haben sechs Anzeichen zusammengetragen, woran du passiv-aggressives Verhalten erkennst.
Passiv-aggressives Verhalten: die Ursachen
Passiv-aggressives Verhalten findet sich in Zusammenhang mit anderen typischen, teils unschönen Verhaltensweisen. So kann es vorkommen, dass eine Charakterstruktur wie (verdeckter) Narzissmus mit passiv-aggressivem Verhalten einhergeht. Auch sehr misstrauische Personen können unterschwellig aggressiv sein, ebenso Personen, die häufig jammern und sich oft zurückgesetzt fühlen. Sie neigen dazu, zynisch zu sein, und schalten, wenn sie sich vermeintlich angegriffen fühlen, auf stur.
Darüber hinaus können Depressionen, Angststörungen oder ein geringes Selbstwertgefühl mit passiv-aggressivem Verhalten einhergehen.
Menschen, welche ein solches Verhalten an den Tag legen, eint eines: Es sind Menschen, die nicht in sich ruhen. Sie haben Schwierigkeiten, einen Zugang zu ihren Bedürfnissen zu finden beziehungsweise erlauben sich selbst diesen offenen Umgang mit der eigenen Person nicht.
Furcht drückt sich gewöhnlich in zwei Weisen aus: durch Aggression oder durch Unterwerfung.
Paolo Coelho
Zu liebevoll oder zu abgestraft?
Passiv-aggressives Verhalten ist eine Form von Machtausdruck und Manipulation. Ein rigides Elternhaus kann der Grund für die Entwicklung eines solchen Verhaltens sein. Weil der Ausdruck offener Emotionen abgestraft wurde, entwickelten die Heranwachsenden eine verdeckte Aggression. Auch ein übermäßig positiv emotional aufgeladenes Elternhaus könnte ursächlich sein, in welchem negative Emotionen durch eine indirekte Norm gedeckelt wurden.
Sechs Anzeichen für passiv-aggressives Verhalten
Wir haben sechs Punkte zusammengetragen, an denen du passiv-aggressives Verhalten erkennst. Im Allgemeinen wirken die Personen höflich und beherrscht, selbst noch im Streit.
Schaut man aber hinter die Fassade, zeigt sich, dass sie allein durch den Wunsch eines offenen Gespräches sich in die Ecke gedrängt fühlen und ihre Stacheln ausfahren. Es ist ein Ausdruck versteckten Ärgers, der in widersprüchlichem Verhalten verpackt ist und dich völlig überraschend, sozusagen aus dem Kalten, trifft. Verlass dich auf deine Intuition. Oftmals spürt der Bauch, dass irgendetwas in dieser Diskussion nicht stimmt.
1. Bissiger Humor und Erniedrigung
Eine scharfe, verbale Spitze süffisant und von oben herab verpackt, kann äußerst verletzend sein. Bsp.: »Das ist aber sehr nobel von dir« (kombiniert mit einem scharfzüngigen Unterton). Dein Gegenüber macht sich dann nicht nur über deine offene Formulierung der Bedürfnisse lustig, sondern er erhebt sich auch über dich. Das ist keine Kommunikation auf Augenhöhe.
2. Leugnen und Gegenfragen
Den anderen auflaufen lassen, indem man sich unwissend stellt, ist ebenso ein Zeichen für verdeckte Provokation. Beispielsweise durch Gegenfragen: »Ach? Habe ich das?« Diese Gegenfrage bleibt dann im Raum stehen, eine Antwort bleibt dir der verdeckt-aggressive Part nach wie vor schuldig.
3. Rationalisieren und Allgemein bleiben
Während du ein persönliches, euch betreffendes Gespräch ansteuerst, wirst du mit allgemeinen, unterkühlten Aussagen abgespeist. Bsp.: »Wir beide wissen genau, wie es war.« Wie es aber war bzw. wie genau seine Sicht der Dinge ist, lässt der passiv-aggressive Part erneut offen. Er möchte sich sozusagen nicht festnageln lassen und stiftet stattdessen lieber Verwirrung.
4. Zurechtweisungen und Unterstellungen
»Verdrehe bitte nicht alles.« Was man sagt, wird abgewiegelt und bewertet. Dabei geht es gar nicht um den inhaltlichen Stand der Diskussion, sondern vielmehr wird diese auf die Metaebene gehoben, ohne sie dort allerdings sachlich zu analysieren, wie es beispielsweise ein außenstehender Mediator oder Coach machen könnte. In Zusammenhang mit toxischem Streitverhalten dient diese Taktik eher dazu, sich dem eigentlichen Thema, das oft als unangenehm empfunden wird, nicht zuwenden zu müssen. Stattdessen wirst du in den Fokus des Konfliktes gerückt. Einem passiv-aggressiven Menschen geht es vor allem darum, Recht zu behalten.
5. Indirekt persönlich werden
Es folgen nicht nur unterschwellige Beleidigungen in einer verdeckt aggressiven Diskussion sondern auch ein indirektes Nicht-für-Vollnehmen des Gegenübers, indem man ihn verniedlicht. »Süße/Sarileini/Sarisüße, dass du das jetzt empfindest, ist völlig normal.« Denn eigentlich bleibt es wohl jedem selbst überlassen, was und warum er gerade so fühlt, wie er fühlt. Das, was der andere sagt, passt nicht zu dem, was er meint. Und das bemerken wir intuitiv. Gern wird auch beruhigend verwendet: »Alles gut«, so als wäre man ein scheues Pferd, welches eingefangen werden müsste.
6. Flucht aus der Diskussion
Einen passiv-aggressiven Menschen hält es nicht lange in einem Gespräch. Seine Strategie ist allgemein in sozialen Interaktionen, dir eher aus dem Weg zu gehen, dich aber unterschwellig spüren zu lassen, dass ihn etwas stört.
Suchst du dann das klärende Gespräch, erfolgt oft erst die Flucht in passiv-aggressive Verhaltensweisen, im Anschluss dann meist die tatsächliche Flucht, häufig begleitet von Sätzen wie: »Was immer du sagst.« Oder: »Ich denk drüber nach. Auf bald.«
Manchmal folgt dann tagelanges Schweigen, um den anderen zu bestrafen, der doch eigentlich bloß ein offenes Gespräch gewünscht hat. Silent Treatment, quasi Bestrafen durch Schweigen, gilt als besonders perfide Form des Gaslightings bzw. als narzisstische Manipulationstaktik.
Wie soll man auf passive Aggression reagieren?
Wie eingangs beschrieben, reagieren viele von uns zunächst in Anbetracht eines solchen abgeklärten Verhaltens mit Fassungslosigkeit. Es erschließt sich einem nicht, wie der andere es wagen kann, einen derart zu degradieren. Man fühlt sich provoziert und weiß das Gesagte zunächst nicht einzuordnen. Nicht selten reagiert man auf diesen mangelnden Respekt, der einem entgegengebracht wird und der permanente Angriffe beinhaltet, mit Defensive, aber auch mit Wut. Am Ende ist man verwirrt, fühlt sich schuldig, neurotisch, aggressiv – und ist im Grunde gar nicht weitergekommen.
Sei die Ruhe im passiv-aggressiven Sturm
Weiß man allerdings die Vorgehensweise des anderen einzuordnen, lässt sich vielleicht auch besser darauf reagieren. Nämlich, indem man ruhig bleibt, klare Fragen stellt und sich klare Antworten wünscht. Ansonsten sollte man versuchen, bei sich zu bleiben und nicht in Gegenanklagen zu verfallen. Auch Zuhören und verstehendes Nachfragen wären Varianten, um passiv-aggressives Verhalten aufzubrechen. Womöglich lässt sich so erfolgreicher zu einer Lösung kommen.