Dass Männer sich beklagen, weil ihre Frauen weniger wollen – Sex nämlich –, ist so alt wie der männliche Wunsch nach einem Blowjob. Seit vielen Jahren schon basteln Pharmaunternehmen am idealen Pendant zu Viagra. Die Potenzpille für die Frau, der die sexuelle Lust aufgrund des stressigen Alltags, der Kindererziehung, etwaiger Partnerschaftsprobleme oder der Einnahme der Anti-Baby-Pille irgendwie abhanden gekommen ist. Wait …, what?

Über die Fürsorglichkeit eines Blowjobs

Die ersten Belege für Oralsex stammen aus der ägyptischen Mythologie. Osiris wurde von seinem Bruder Seth getötet und auf unschöne Weise in Stücke zerschnitten, welche nach Überlieferung überall auf der Welt verteilt wurden. Isis, die Witwe Osiris, war nun bemüht, alles wieder beieinander zu haben, um ihren Geliebten zum Leben erwecken zu können. Jedoch eines fand sie nicht, so beharrlich ihre Suche war: das beste Stück ihres Mannes. Die eifrige Gattin bastelte kurzerhand einen Penis aus Lehm. Selbstredend musste auch dieses Körperteil wiederbe-lebt werden. Nun ja, man kann sich denken, auf welche Art sie ihm Kraft und Energie schenkte …

Oh ja!, wird nun so mancher Mann ausrufen. So war das damals! Und heute? Heute ist #MeToo.

Gender-Wahn? Unbedingt!

Die MeToo-Debatte ist wichtig, damit auch DER Letzte versteht, worum es geht. Ein wirkliches Gleichgewicht herzustellen. Seit vielen, vielen Jahren schon sind Frauen darum bemüht: das Wahlrecht zu erstreiten, die Möglichkeit, sich scheiden zu lassen, die gleichen Jobs wie die Männer ausüben zu können, sexuell unabhängig zu sein usw. usw. Und eine bestimmte Art von Männern hat schon immer zuverlässig dagegen aufbegehrt.
Und bei jener Sorte Mann herrscht zur Zeit erst recht Aufruhr im Gemüt. Denn plötzlich werden Stimmen laut, die kundtun, dass Frauen durchaus viel Lust auf Sex haben, nur eben nicht mit ihnen …

Derselbe Sex – Zwei Maßstäbe

Schrift Sex Pink Spiegelung Regen

Im 21. Jh. sollte auch der Sex endlich einmal gegendert werden. © gaelx under cc

Dass die kulturelle Überformung in puncto Sex bei den Geschlechtern unterschiedlich zugeschlagen hat, zeigen schon die Begrifflichkeiten. Oder wie viele deftige Schimpfwörter für Männer, die promiskuitiv sind und die sich rein auf die Männer beziehen, kennen Sie? Während Schlampe, Flittchen, Bitch und Hure ganz eindeutig der zarten Weiblichkeit zuzuordnen sind, finden sich bei sexuell untreuen Männern sogar die weiblichen Bestandteile in den Schimpfwörtern. Das heißt, selbst bei einem herumHURENDEN Mann wird bereits im Wort die Frau beleidigt: bei HURENbock beispielsweise, wie soeben angedeutet. Lüstling, Wüstling, SCHÜRZENjäger, Don Juan, klingen ja schon beinahe niedlich.

Frauen und Sex: Ist SIE frigide?

Natürlich können hormonell beziehungsweise allgemein somatisch bedingte sexuelle Dysfunktionen (ggf. auch altersbedingt) bei Frauen, genauso wie bei Männern, existieren, die eine solche Potenzpille gegebenenfalls rechtfertigen könnten … Doch das dürfte bei der überwiegenden Mehrheit nicht der Fall sein.

In der US-amerikanischen NHSLS-Repräsentativstudie (s.o., Laumann et al. 1994) berichteten 33,4% der befragten Frauen über ein mangelndes Interesse an Sexualität und 21,2% gaben an, Sexualität nicht genießen zu können.

(Sexualmedizin Charité)

Worin genau liegt also die Ursache dieser Unlust? Und die genannten Häufigkeiten beziehen sich nur auf jene Frauen, die offen darüber sprechen. Glaubt man den Klagen der Männer (ihre Frauen hätten weniger Lust), die gesamtgesellschaftlich sogar bereits zu allgemein anerkannten Stereotypen geworden sind, existiert weibliche sexuelle Unlust weitaus häufiger, schon beinahe flächendeckend. Liegt es wirklich am Körper der Frau beziehungsweise an deren Psyche?

Hier sind sie, einige mehr oder weniger überraschende, erfreuliche, vielleicht auch für Manche beängstigende oder lebensverändernde Fakten über die weibliche Sexualität.

Sex: Yes, Baby! Aber bitte in versaut-schön.

Studien der kanadischen Psychologieprofessorin Meredith Chivers von der Queen’s University zeigen, dass Frauen genauso häufig und ausschweifend hinreichend versaut an Sex denken wie Männer. Für die Herren der Schöpfung, welche nun denken: Geil, meine Frau möchte mir einen stundenlangen ausgiebigen Blowjob mit Deepthroating verpassen – bitte hören Sie Ihrer Frau aufmerksam zu!

Lie to me.

Sex on Records Eltern Sohn

Offenbar ist immer noch Aufklärung vonnöten. © 1950sUnlimited under cc

Eine amerikanische Studie zur Häufigkeit von Masturbation und Pornokonsum zeigt, dass Geschlechter – sozial überformt – unterschiedlich mit ihrer Offenheit bezüglich Sexualität umgehen. Männer, unabhängig davon, ob ihnen Anonymität in der Umfrage zugesichert wird, ein Lügendetektortest in Aussicht gestellt wird oder nicht, antworten immer gleich offenherzig, was die Häufigkeit von Masturbation und Pornokonsum angeht. Bei den Frauen gibt es dagegen einen deutlichen Unterschied. Während Frauen in einer offenen Befragung wesentlich scheuer antworten, geben sie bei Zusicherung der Anonymität beziehungsweise der drohenden Aussicht auf einen Lügendetektortest ähnliche Häufigkeiten bezüglich Masturbation und Pornokonsum an wie die Männer.

Und jetzt? Rettet die Monogamie!

Nun sollen also jene Potenzpillen für die Frauen her, um ihnen vermeintlich wieder mehr Lust auf Sex in der Partnerschaft zu kreieren.

Männer-Frauen / Spermien-Eier / mehr-weniger Sex

Jahrhunderte lang wurden Frauen mit Durchhalteparolen bei der sprichwörtlichen EINEN Stange gehalten (Get it?), während man bei Männern hinsichtlich ihrer munteren Spermiensaat-Verteilung Nachsicht walten ließ. Schließlich war ihr promiskuitives Naturell mit Darwins Theorie der »Spermienproduktion zu geringeren biologischen Kosten« erklärbar.

Seine (Darwins) kurze Bemerkung dazu wurde von anderen zur Idee erweitert, dass sich Männer, weil sie Millionen von billigen Spermien produzieren, mit vielen Frauen paaren können, und zwar zu geringen biologischen Kosten. Umgekehrt produzieren Frauen relativ wenige, »teure«, nährstoffhaltige Eier; sie sollten folglich hochselektiv sein und sich nur mit dem besten Mann paaren. Der würde natürlich mehr als genug Sperma liefern, um alle Eier einer Frau zu befruchten.

(Zuleyma Tang-Martinez, Krautreporter)

Plötzlich sind Frauen auch promiskuitiv? Wer kommt da noch mit?!

Darwins Spermien-Theorie ist längst überholt, hält sich allerdings hartnäckig in den Köpfen der Menschen. Nun da mehr und mehr klar wird, dass auch Frauen eine vielseitige Sexualität haben wollen, soll eine Potenzpille her, damit die Lust in der EINEN Partnerschaft wieder steigt. (Ja, genau so werden solche Pillen beworben.) Doch der Bogen ist ja nun mal der – siehe Anfang –, dass Frauen durchaus viel Lust auf Sex haben, nur eben nicht mehr zwingend mit ihren Männern.

Sind wir also Kühe in einer Milchviehanlage, die wahlweise sexuell stimuliert (mit Potenzpille), befruchtet (durch Spermium) beziehungsweise unfruchtbar (durch die Anti-Baby-Pille) gemacht werden, damit es in der (ich sage jetzt nicht: patriarchalisch geprägten) Gesellschaft ohne Probleme weiterläuft?

Biochemische »Beschneidung« vs. »Kastration«?

Frau Gesicht Gehirn Maschine

Wollen Frauen wirklich weniger Sex? Weibliche Sexualität beginnt im Kopf. © Cristian Eslava under cc

Keine Frage. Die Anti-Baby-Pille gibt dem weiblichen Geschlecht mehr Freiheiten. Aber leider auch gesundheitliche Risiken (Studien zu Brustkrebs etc.). Fun Fact: Kondome schützen übrigens, auch vor ungewollten Schwangerschaften. Man(n) muss eben nur Hütchen tragen.

Einen zudem herben Beigeschmack bekommt die Potenzpille für die Frau, betrachtet man sich, wo sie in deren Körper ansetzen müsste. Viagra erhöht vornehmlich die männliche Schwellkörper-Durchblutung. Bei Frauen könnte eine stärkere Durchblutung der Geschlechtsorgane zwar gleichfalls hilfreich sein, allerdings scheint es hinsichtlich der Luststeigerung auf psychischer Ebene komplizierter zu sein. Denn bei Frauen beginnt ja nun mal die Sexualität im Kopf. Deshalb sollen/müssten die Wirkstoffe bei Frauen stärker auf Transmitter-Ebene im Gehirn ansetzen – Studien-Versuche dazu laufen schon länger …

Ein alternativer Vorschlag wäre der: Man könnte den Männern ja auch eine Pille verabreichen, welche ihre sexuelle Lust eindämmt. Dann nähern sich beide in der Partnerschaft bezüglich ihrer sexuellen (Un-)Lust (aufeinander) an, denn Männer können ja immer irgendwie … Finden Sie den Fehler im System.

Warum wollen so viele Frauen überhaupt weniger Sex mit ihren Partnern? Trifft das auf alle Partnerschaften zu? Warum (männliche) Feministen eventuell doch die besseren Liebhaber sein könnten. Im nachfolgenden Artikel gehen wir der Brisanz auf den Grund.