Einzelne schwarze Schafe kann man immer ertragen, aber auch hier darf man nicht leichtfertig sein. © Tobias Begemann under cc

Nicht nur in diesen Krisentagen, sondern schon seit einigen Jahren wird uns bewusst, dass Informationen und der kundige Umgang mit ihnen, eine immer größere Rolle für unser Leben spielen und genau das ist es, was wir alle üben sollten.

Alle heißt dabei nicht, dass wir alle die gleiche Ausgangsbasis haben. Nein, bei weitem nicht und das anzusprechen fällt fast schon in die Tabu Kategorie. Die Menschen unterscheiden sich enorm, in der Fähigkeit zu denken, zu lesen, zu empfinden und bei so gut wie allem anderen auch. Den Mainstream, einen breiten Strom weitgehend gleich gerichteter Menschen, gibt es immer weniger.

Also geht es auch bei dem, was wir alle üben sollten, nicht um das Gleiche für alle. Nur dem Prinzip nach und das heißt, einen Schritt weiter zu kommen. Wir betrachten dabei aber nur den Bereich der Informationen und wie man mit ihnen umgeht. Darüber hinaus gibt es manuelle Geschicklichkeit, Mitgefühl, eine Beziehung zum eigenen Körper. Musik und Tanz, Gründlichkeit, Achtung und Sorgfalt oder Mathematik, als weitere Bereiche, in denen man stärker oder schwacher sein kann.

Jeder hat Lücken, aber das ist kein Grund für einen flächendeckenden Selbstoptimierungswahn, nun auch noch ausgedehnt auf 30 Bereiche, sondern im Grunde geht es um Bescheidenheit und die Erkenntnis, dass ich nicht alles schaffen kann, dies aber auch gar nicht muss. Es gibt ja noch andere Menschen, die in vielen Feldern sehr viel kompetenter sind, als man es selbst ist, aber wir neigen manchmal dazu, diese Bereiche zu entwerten,wenn wir sie nicht gut beherrschen.

Hier geht es aber um den Bereich Informationen und darum, was wir alle üben sollten, um sie besser verarbeiten zu können.

Schärfegrad 1 (mild): Lesen und Schreiben

Ich kann mich kurz fassen, denn alle, die das hier lesen, sind nicht betroffen. Es geht um die Fähigkeit Lesen und Schreiben zu lernen. Es gibt bei uns noch immer, 6,2 Millionen funktionale Analphabeten, das sind Menschen die zwar einzelne Sätze vorlesen können, aber den Sinn eines Abschnitts nicht verstehen. Die gute Nachricht ist, dass seit der letzten Erhebung in 2011, die Zahl von 7,5 Millionen gesunken ist. Mehr als die Hälfte haben Deutsch als Muttersprache.[1]

Es gibt gerade heute auch andere Wege der Informationsbeschaffung und es muss festgestellt werden, dass diese Menschen keinesfalls dumm sind. Dumm ist allerdings der Modetrend, der gerade unter Jungen stärker ausgeprägt ist, lesen als „voll schwul“ zu bezeichnen, dass sind gleich zwei unnötigen Diskreditierungen. Auch auf anderen Wegen kann man an Informationen kommen, lesen zu können bleibt aber dennoch ein Hauptweg für viele präzisere Informationen und nur selten steckt eine echte Störung hinter der Analphabetie.

Es würde sich als lohnen es nachzuholen und anderen dabei zu helfen. Lesen und Schreiben ist nicht nur etwas für Bildungsfetischisten, sondern ein Kulturgut und obendrein eine Lust, für manche eine Berufung. Kafka hat dem Schreiben nahezu alles untergeordnet, darin ist er wirklich ein Sonderfall, aber auch für andere ist das Schreiben Befreiung.

Schärfegrad 2 (pikant): Medienkompetenz

Wie gehe ich mit Meldungen um? Da gibt es dann diese Meldung, jenen Experten, irgendwas, was zig mal geteilt wurde und vieles, vom dem nur noch die Überschrift gelesen wird, weil man sich gar nicht informieren, sondern einfach bestätigt haben möchte, was man denkt. Darum ist es gut, einen Text, so banal es klingt, überhaupt erst mal zu lesen, im Zweifel gründlich. Wenn man ihn verstanden hat, werden sich bei eventuell stark abweichenden Meinungen, sehr einfachen oder steilen Thesen gewisse Zweifel ergeben.

Da hilft es zunächst einmal darauf zu schauen, ob und wie eine Behauptung belegt ist. Wo ist die Quelle zu irgendeiner These? Im Online-Zeitalter kopiert man den Namen, fügt ihn in eine Suchmaschine ein und wird oft sehr schnell fündig. Dort angekommen, kann man weiter suchen, etwa nach Studien. Wenn es heißt „Wie eine Studie aus Belgien zeigte, …“ so heißt das erst mal gar nichts. Ist diese Studie verlinkt? Wo? Was taugt sie? (Dazu mehr im nächsten Schärfegrad.)

Aber auch auf dieser Stufe kann man noch sehr viel tun und einüben: Ihnen kommt etwas seltsam vor? Schauen Sie einfach mal, ob eine Seite ein Impressum hat. Wenn nicht, oder wenn irgendwelche noch seltsameren Erklärungen dort zu finden sind, seien Sie extrem kritisch, da es sich in aller Regel um propagandistischen Schrott handelt. Ein einfacher Klick kann helfen, es gibt Ausnahmen, aber sie sind hoch selten.

Viele Lobbyseiten sind allerdings auf hoch seriös getrimmt, daher ist der nächste Tipp, den oder die Herausgeber oder Verantwortlichen aus dem Impressum zu kopieren und in die Suchmaschine einzugeben, um sich einen Überblick über deren Werdegang und Hintergrund zu verschaffen, in aller Regel weiß man da bereits sehr viel mehr darüber, aus welcher Ecke der Wind weht.

Aber ist das nicht genau, was man ‚dem Mainstream‘ immer vorwirft, stets nur sich selbst zu kopieren, zu zitieren und alle anderen mundtot zu machen? Ja, es wird ihm vorgeworfen, aber erstens, ist dieser Mainstream in der Form überhaupt nicht (mehr) existent. Zweitens, treffen die Vorwürfe nur bedingt zu, da man ständig über das redet, über was angeblich niemand spricht, aber am wichtigsten und unterdrückt sein soll. Drittens, ist es wichtig, dass Sie auch mir nicht blind glauben, sondern lernen, sich selbst zu informieren und die Spreu vom Weizen zu trennen, das geht und ist heute nötiger denn je. Diesen Selbstanspruch sollte man sich aneignen.

Wir werden uns der Frage, ob nicht alles auch ganz anders sein könnte, weiter unten zuwenden. Bleiben Sie kritisch, denn diese alles infrage stellenden Zuspitzungen, sind in aller Regel nicht wahnsinnig gewitzt, sondern eher plump. Man muss aber verstehen, warum, einige schaffen das durchaus.

Schärfegrad 3a (scharf): Was kennzeichnet gute Studien?

Ein Kapitel für sich, eher eine Welt für sich. Daniel Kahneman hat ein super Buch dazu geschrieben. Wenn Sie bis zu der Stelle vorgedrungen sind, wo die Originalstudie hinter einer Aussage verlinkt ist, fängt der Spaß auf eine Art erst an. Denn nun gilt es zu prüfen, was die Studie wert ist. Das können Sie auch erkennen, wenn Sie das betreffende Fach nicht studiert haben, dafür gibt es ja Statistik und Informationen zum Studiendesign. Erste Regel: Kleine Studien sind fast immer nichts wert.

Der Grund ist, dass Statistik immer einen Ausschnitt aus einem Gesamtbild darstellt und je kleiner der Ausschnitt um so weniger erkennt man das ganze Bild – genau das soll Statistik aber leisten – und umso größer ist der Zufall. Technisch ist das die Regression zur Mitte, was einfach heißt, dass die nächste Studie dramatisch andere Werte produzieren kann und es daher ziemlich gleichgültig ist, wie eine Studie mit 36 Teilnehmern inhaltlich ausgefallen ist, sie ist einfach zu klein für irgendeine Aussage. Auch hier gibt es noch Kleingedrucktes, arbeiten Sie sich ein, jeder Schritt mehr lohnt sich.

Die Statistik und Methodik entwickelt sich ja selbst weiter, so dass es heute viele Metastudien gibt, in denen alle möglichen Studien, die es zu einem Thema gibt, noch mal neu zusammen gefasst und gesichtet werden. Unter anderem auch unter dem Aspekt der Studiengröße und des Designs, oder ob die Studie überhaupt misst, was sie zu messen vorgibt, die Ergebnisse in anderen Studien bestätigt werden konnten und so weiter. Das alles spielt eine Rolle und ist oft weniger beachtet, als man meinen sollte und es ist alles andere als leicht, eine gute Studien zu bauen.

Bei Studien und Metastudien ist nun andererseits zu beachten, dass diejenigen, die sie erstellen, wirklich so neutral, wie es geht vorgehen. Es gehört zwar zum guten Ton, etwaige Interessenkonflikte offen zu legen, aber da gibt es ja immer noch das breite Feld der ideologischen Voreingenommenheit, der Eitelkeiten, der kleinen Schummeleien und des massiven Betrugs, sei es aus wirtschaftlichen, politischen oder persönlichen Erwägungen.

Es wird gerne behauptet, das sei im Grunde alles bekannt und klar, gäbe es immer einzelne schwarze Schafe, aber die Herde sei eben blütenweiß, allenfalls gesprenkelt. Es gibt einen Unterschied zwischen einem von vorn herein und stets misstrauischen Bashing auf der einen Seite und einer fundierten Kritik auf der anderen, die dann auch die besten Methoden kritisch hinterfragt. Die Doppelblindstudien sind nicht in allen Fällen, in denen es um die Wirksamkeit medizinischer Verfahren geht, die Mittel der Wahl und auch am Peer Review gibt es mitunter fundierte Kritik.

Beginnen Sie damit, zu verstehen was Statistik, wenn sie idealerweise bestens gemacht ist, leisten kann und was sie nicht leisten kann. Dazu gehören die Zusammenhänge zwischen Kausalität und Korrelation, die zwar viele schon mal gehört haben, aber es ist wichtig, genauer zu verstehen, was es damit auf sich hat. Statistik ist ein Werkzeug, wie Zollstock oder Logik, mit deren Hilfe man bestimmten Datenkolonnen in Beziehung setzen kann. Von Zeit zu Zeit sieht man, dass sich bestimmte Daten verändern, wenn andere sich ebenfalls verändern. Diese Daten korrelieren. Ihre Veränderung scheint daher kein Zufall zu sein, so nimmt man an und um zu prüfen, ob das wirklich so ist, versucht man dies zu ergründen, indem man nämlich gesondert nachweist, dass zwischen zwei korrelierenden Werten tatsächlich eine ursächliche oder kausale Beziehung besteht, das heißt, sich der eine Wert ändert, weil sich der andere ändert. Korrelierende Werte können kausal verbunden sein, müssen es aber nicht.