Bin ich vielleicht gar nicht so gut, wie andere sagen? Bin ich eine sogenannte Mogelpackung? Werden die anderen mich bald entlarven und aufdecken, dass ich im Prinzip gar nicht die Fähigkeiten besitze, die sie von mir angenommen haben? Das Impostor-Syndrom oder auch Hochstapler-Syndrom beschreibt die Angst aufzufliegen. Menschen, die fürchten, ihr angebliches Nichtkönnen würde bald entlarvt werden, glauben, zu wenig Ahnung von ihrem Job, ihrer Expertise etc. zu haben. Oftmals ist aber eher das Gegenteil der Fall.

Das Problem der Welt ist, dass intelligente Menschen voller Zweifel und Dumme voller Selbstvertrauen sind.

Charles Bukowski, Schriftsteller

Über die Angst aufzufliegen

Studien zeigen, dass zwei von fünf erfolgreichen Menschen annehmen, ihren Erfolg nicht verdient zu haben. Sie fürchten, bald aufzufliegen, enttarnt zu werden, dass man ihnen ihre Kompetenz-Maske herunterreißen könnte, indem man ihnen aufzeigt, dass sie im Grunde nichts wissen und alles nur Fake ist.

Hochstapler-Syndrom: Das Gefühl von Mittelmäßigkeit

Frauen auf Bank mit Handys Menschen im Hintergrund

Über die Angst aufzufliegen: Enttarnen mich andere als Hochstapler? © Derek Midgley under cc

Viele Hochbegabte leiden unter diesen Zweifeln, weil sie dank ihrer hohen Selbstreflexion und ihrer Demut, die sie sich im Laufe des Lebens gegenüber ihrem Wissen und Nichtwissen angeeignet haben, sich darüber im Klaren sind, dass man nie ausgelernt hat. Auch benötigen sie oftmals tatsächlich weniger Aufwand, um voranzukommen. Und dieser geringere Aufwand steht dann für sie nicht im Verhältnis zur Belohnung, die sie einfahren.

Unabhängig davon, wieviel Lob man im Leben erhält, die Selbstzweifel halten sich hartnäckig. Die unterschwellige Angst nagt an einem. Manche arbeiten umso härter und kommen fast an einen Burnout, um diesen Ängsten zu entgehen – was nicht gelingt. Andere versuchen, sich möglichst im Hintergrund zu halten, bescheiden zu sein, um nur nicht Gefahr zu laufen, aus Versehen aufzufliegen. Wieder andere bemühen sich, beständig auf ihre Umgebung einzugehen, ordnen sich unter und heben ihr Gegenüber auf einen Sockel.
Das sind viele Strategien, um mit den Ängsten des Hochstapler-Syndroms umzugehen. Doch sie alle haben eines gemein: Sie verhindern, dass sich der vermeintliche Hochstapler auf eines der wesentlichsten Dinge im Leben konzentriert – auf sein eigenes Wohlergehen.

Internale versus Externale Kontrollüberzeugung

Die Kontrollüberzeugung umfasst den Glauben eines Menschen, über sein Leben selbst bestimmen zu können. Bin ich selbst für mein eigenes Vorankommen oder Scheitern verantwortlich (Internale Kontrollüberzeugung) oder schreibe ich die Verantwortung für meine Lebensumstände dem Außen zu (Externale Kontrollüberzeugung)?

Bei Menschen mit Hochstapler-Syndrom ist es so, dass sie Erfolge external attribuieren. Sie schreiben diese Erfolge nicht ihrer Leistung zu, sondern dem Zufall, dem Glück oder dass das Gegenüber nicht bemerkt hat, dass man eigentlich kein Experte sondern Fake ist. Misserfolge schreiben „Hochstapler“ allerdings dem eigenen Selbst zu. Sie glauben, ihre Fähigkeiten, Leistungen hätten nicht gereicht und sehen sich in ihrer Hochstapelei bestätigt.

Soziale Vergleichsprozesse: ich und die anderen

Etagen Haus Himmel

Auf welcher Stufe ordnet man sich im sozialen Vergleich ein? © Mike Kniec under cc

Im Leben gibt es fortwährend soziale Vergleichsprozesse. Menschen vergleichen sich mit anderen und ordnen ihre Fähigkeiten, Eigenschaften etc. auf einem Level ein.
Vermeintliche Hochstapler haben den Dreh raus, sich mit den größten Erfolgen anderer zu vergleichen und werten sich selbst ab. Sie verinnerlichen nicht, dass auch Erfolgreiche vorher Misserfolge hatten und auch immer noch haben, ehe sie zu dem wurden, der sie heute sind. Die eigenen Misserfolge mit den Erfolgen anderer, schillernder Persönlichkeiten zu vergleichen, macht also wenig Sinn – und wenn dann nur analytisch, um für das eigene Vorankommen daraus zu lernen.

Den Fehler zelebrieren

Inzwischen gibt es einen Trend, mit den eigenen Misserfolgen offener umzugehen. Denn die meisten kennen den sozialen Leistungsdruck und leiden darunter.
So veröffentlichen manche Professoren, Manager etc. auch Misserfolge aus ihren Lebensläufen. Wo wurden sie zum Beispiel jobtechnisch abgelehnt? Welche schlechten Noten im Diplom hatten sie? Auch viele prominente Stars gehen offen mit ihren Schwächen um. Ein Trend zu mehr Menschlichkeit – zum Imperfekten – greift um sich. Fehler, Misserfolge, Rückschläge, Ablehnungen passieren – jedem!

Ich leide unter dem Impostor-Syndrom. Was kann ich tun?

Im Grunde müssen die automatisierten Gedanken der Selbstabwertung uminterpretiert werden. Nur durch diese Einsichten und Erkenntnisse kann die Angst aufzufliegen verschwinden.

Erkenntnis ist das Fundament

Als erster Schritt hilft schon die Erkenntnis, dass man unter dem Hochstapler-Syndrom leidet. Dieses Einsehen unterstützt einen dabei, die schadhaften Gedanken von dem eigenen Selbst abzukoppeln.
Und dann heißt es: einfach loslegen! Einfach machen! Es mutet Kamikaze-mäßig an, sich auf Stellen/Projekte etc. zu bewerben, für die man glaubt, nicht geeignet zu sein. Doch ein gut kalkuliertes Risiko kann einem ungeahnte Möglichkeiten offenbaren. Außerdem merkt man, dass Rückschläge gar nicht so schlimm sind. Sie sind zu verkraften und man selbst gewinnt an Routine, Erfahrung – und Resilienz!

Perfektionismus adé!

Ebenso wichtig ist es, zu begreifen, dass es kein perfektes Arbeitsergebnis gibt! Besser als Perfektion anzustreben, ist es, Effizienz anzustreben. Innerhalb eines realistischen Zeitrahmens ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das ist dein Ziel!

Wie kommt man voran trotz Hochstapler-Syndrom?

Beruflich und im Leben voran kommt man nur – nur! – über Erfolge und Misserfolge! Beide ergänzen sich. Die Weisheit, aus Fehlern lernt man, ist so althergebracht wie wahr.

Erfolgreiche Menschen ohne Impostor-Syndrom halten sich nicht unnötig mit Selbstzweifeln auf. Sie haben den Mut, ihre Fehler zu durchdenken, aus ihnen zu lernen, aufzustehen und weiter voranzugehen. Resilienz sorgt dafür, dass sie an sich glauben, ohne dabei überheblich zu sein. Ihr Erfolg fußt auch auf gemachten Fehlern, aber auch auf einen stabilen Selbstwert.

Fehler machen menschlich

Bleistift Make Mistakes

Mache Fehler! Trau dich! © rchris7702 under cc

Man muss nicht immer perfekt sein, immer abliefern. Warum veröffentlichen so viele Prominente medienwirksam ihre Schwächen? Ganz einfach: weil Schwächen ihnen den Druck nehmen, zum einen. Zum zweiten: weil Schwächen sympathisch machen.

Peinliche Vorfälle, Missgeschicke, sich Irrtümer einzugestehen, eine Demut gegenüber dem Wissen im Allgemeinen zu haben, „menschelt“ ungemein.

Spreche anderen nicht die Einschätzung ab

Jemand, der das Wohl seiner Firma im Blick hat, wird sicherlich kaum jemanden einstellen, der leistungstechnisch nicht auf die Stelle passt. Also vertraue den anderen und deren Einschätzung. Aber: Hinterfrage, wenn Menschen dich grundlos abwerten und dir sagen, wie schlecht du bist. Meistens ist solch eine Abwertung mit einer negativen Intention bei dem anderen verbunden.

Hab keine Angst vor konstruktiver Kritik

Stelle dich konstruktiver, fairer Kritik. Ja, sie tut weh. Und ja, sie bringt Ängste mit sich, nicht genügen zu können. Aber sie ist auch eine Chance für dich, um weiterzukommen. So wie die Professoren mit ihren veröffentlichten Misserfolgen in ihren Lebensläufen.

Positiv = Negativ = Selbstwert?

Verarbeite positive und negative Feedbacks gleichermaßen. Prüfe sie auf Wahrhaftigkeit und baue sie in dein Vorankommen ein. Lasse deinen Selbstwert bei dieser Gleichung außen vor!

Fake it till you make it!

Pass auf, wie du mit dir selbst sprichst. Deine innere Stimme wird zu deiner inneren Einstellung dir selbst gegenüber. Sei also freundlich mit dir. Interpretierst du bewusst deine Einstellungen und Gedanken kognitiv um, wird die Angst aufzufliegen zeitnah verschwinden beziehungsweise deutlich in den Hintergrund geraten.