Es gibt immer mehr große, PS starke Autos, die verkauft werden. Wir sollten verstehen, warum das so ist. photoheuristic.info under cc

Dirks Geschichte gegen den Strich zu bürsten, hat nicht die Aufgabe uns zu frustrieren, sondern zu sensibilisieren, für Themen, die bereits unsere Gegenwart bestimmen und von denen man guten Gewissens annehmen darf, dass sie uns weitere Jahre begleiten werden.

Dirks Geschichte kann man bei StoryQuarks in voller Länge nachhören, ihm ist die „Folge 1 – Die grüne Null“ gewidmet. Man kann sie aber auch kurz erzählen. Dirk steht mitten im Leben, ist vom Erscheinungsbild her der ‚Typ Geschäftsmann‘, ein Vater von fünf Kindern, Hobbyjäger und ein berufsbedingter Vielfahrer, der im Jahr zwischen 50.000 und 70.000 Kilometer mit dem Wagen zurück legt, wie man es sich denkt, mit Autos der oberen Preis- und Verbrauchskategorie.

Ferner ist Dirk ein Lustesser, das heißt, er kauft und isst, worauf er gerade Hunger hat, Jahreszeit, Herkunft und Ökobilanz sind ihm dabei völlig egal. Nicht um zu provozieren, sondern einfach, weil es für ihn vollkommen normal ist. Irgendwo also, aus einer ökologischen Sicht, der Antichrist, aber auf der anderen Seite eben auch einer von uns, genau so zu leben ist heute eher gewöhnlich, als ungewöhnlich. Aber Dirks Geschichte bleibt dann nicht wie die von vielen anderen, denn Dirk ist kein stumpfer Ignorant, im Gegenteil. Wenn er als Jäger auf dem Hochsitz sitzt und über Stunden die unberührte Natur genießt, findet er in der Ruhe Zeit zum Nachdenken. Über die Natur, seine Kinder, die Zukunft.

Vom Saulus zum Paulus: Dirk meint es ernst

Viele kennen diese Momente, aber Dirk ist anders. Er fragt sich, ob sein Lebenswandel, dem was er liebt und was er genießt, eigentlich dient oder schadet. Man braucht nicht lange nachzudenken und Dirk brauchte es auch nicht, aber er entließ sich nicht mit der Selbstbeschwichtigung, dass die anderen doch auch … und es eben nicht anders geht, sondern beschreibt sich als „richtig oder gar nicht“-Typ und da die Erkenntnis da war, waren die Weichen damit bereits gestellt.

Dirks Konsequenz ist bewundernswert. Ihm war schnell klar, dass er, wenn er anders leben wollte, fachliche Hilfe brauchte und die holte er sich. Einer davon ist Matthias Finkbeiner von der Technischen Universität Berlin, Professor und Fachmann für Verfahren von Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Gefragt danach, was er über Dirk dachte, sagte Dr. Finkbeiner, dass er zunächst skeptisch war, denn Anfragen dieser Art bekäme er zwar viele, den meisten ginge es aber eher darum, ihr Gewissen zu beruhigen, sie wollten hören, dass ihr Verhalten doch eigentlich nicht so schlimm sei. Viele wollen sich allenfalls halbherzig ändern, wenn überhaupt.

Dirk ist anders. Matthias Finkbeiner fragte ihn, ob ihm wirklich klar sei worauf er sich da eingelassen habe, aber Dirk ist es klar, er hat ein Ziel: Er will mit einer ausgeglichenen Ökobilanz sterben. Dass das kein Spaziergang werden würde, war ihm klar, er war bereit. Das bedeutete für Dirk, dass er zunächst akribisch sämtliche seiner klimarelevanten Gewohnheiten protokollieren musste: Ernährung, Mobilität, Besitz, Verhalten, Konsum (Kleidung), Beruf, Hobbys und Haustier, Wohnen und Energie … alles. Er tat es.

Die Analyse seiner zurückliegenden Lebensweise ergibt, dass Dirk mächtig viele Tonnen CO2 direkt und indirekt verbraucht hat, aktuell 27 Tonnen im Jahr. Damit ist Dirk doppelt so schlecht unterwegs wie der durchschnittliche Nordrhein-Westfale und der verbraucht schon deutlich zu viel. Das saß, beflügelte seinen Ehrgeiz aber umso mehr. Dirk bekommt nach einiger Zeit eine auf sein Leben abgestimmte Liste ausgehändigt, mit 65 Punkten, die er auf dem Weg zur ausgeglichenen Ökobilanz einhalten muss.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass sich für Dirk sehr viel ändert. Von der Ernährung über die Mobilität bis zum Duschen. 45 Sekunden lang lässt Dirk das Wasser laufen, 15 Sekunden zum nass werden, dann Wasser aus und einseifen, danach 30 Sekunden zum gründlichen Abspülen. Mit kurzen Haaren geht das, sagt er. Unabhängig von der Wassertemperatur ist Dirk sicher kein Warmduscher. Allein der Kaffee ist seine Schwachstelle, den Konsum schränkt er ein, ganz verzichten möchte er nicht. Aber ansonsten ist Dirk ein Musterschüler, der tatsächlich 64 der 65 Punkte umsetzt.

Warum Dirks Geschichte uns Sorgen machen sollte

Macht sich der radikale Wandel in Zahlen und Daten bemerkbar? Durchaus und zwar drastisch. Nach der Umstellung seines Lebens hat Dirk die neuen Daten übergeben, diese werden durchgerechnet und man kann mit Fug und Recht sagen, dass Dirks Geschichte eine Erfolgsgeschichte ist, auch wenn den meisten schon beim Lesen der kurzen Erzählung klar wird, dass das nicht ihr Ansatz werden wird.

Die Mühe lohnte sich und Dirk gelang durch die Umstellung eine 75%ige Reduktion seiner Kohlendioxid-Bilanz. Von den 27 Tonnen pro Jahr, die ihn doppelt so schlecht wie den NRW Schnitt dastehen ließen, ist sein Verbrauch auf 6 – 8 Tonnen pro Jahr gesunken und das ist doppelt so gut, wie die Bilanz des Durchschnitts NRWlers.

Wo liegt der Haken? In den Mittellungen vom Bundesumweltamt, auf der Seite ihres CO2 Rechners findet man nämlich folgende Zeilen:

„Klimaschutz ist wichtig. Und das Ziel lässt sich für Deutschland sehr genau benennen: Von 11,6 Tonnen CO2e auf unter 1 Tonne CO2e pro Person und Jahr. Das ist die Position des Umweltbundesamtes im Einklang mit der internationalen Staatengemeinschaft. Hierzu müssen wir noch viel tun. Insbesondere brauchen wir wirksame staatliche Rahmenbedingungen.“[1]

Eine Tonne oder weniger Kohlendioxid-Ausstoß pro Jahr ist das Ziel und aus Dirk, dem Strolch von der letzten Bank, ist inzwischen ein Musterschüler geworden, der tut, was er kann, dabei sehr erfolgreich ist, aber damit noch immer 6 bis 8 mal über dem liegt, was unser Planet verkraften kann, wenn die Rechnungen stimmen.

Wir wissen, dass wir nicht alle Musterschüler sind. Kein Fliegen, keine Kreuzfahrten, lieber kein Auto, Smartphone besser nicht, kein Fleisch, kein Kaffee, kein Shopping nach immer neuen Klamotten, wenig streamen … an welcher Stelle sind Sie ausgestiegen? So ganz möchte man aber auch nicht sagen, dass einem das Thema völlig am Hintern vorbei geht, also geht man ein paar Kompromisse ein, weil man ahnt, oder zumindest befürchtet, dass das Thema mehr sein könnte, als ein reiner Hype: Man benutzt weniger Plastiktüten, verzichtet hier und da auf etwas Fleisch und die eine oder andere Autofahrt, kauft öfter bio und das muss dann auch reichen.