Gehörst du auch zu den Menschen, die ihr Essen fotografieren? Um anschließend die Fotos in sozialen Netzwerken zu teilen? Sozialmedial angebunden sind die meisten von uns. Über kurz oder lang bleibt das nicht aus, sobald man im Netz unterwegs ist. Sein Leben dort auszustellen, praktizieren ebenfalls viele. Auch ich. Man dokumentiert besondere Erlebnisse, Anekdoten, sein Äußeres, seine Kunst, seine Urlaubsorte, sein Essen … Diese Art der »Zurschaustellung« kann man verteufeln, belächeln, was auch immer. Oder man kann mit den Neuerungen, welche die soziale Welt 2.0 zu bieten hat, leben. Sie zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen machen, zum Beispiel. Tatsächlich haben einige Forscher sich zur Aufgabe gemacht, zu prüfen, welche Auswirkungen soziale Medien auf unser Leben haben könnten. Genauer gesagt, auf unser Essverhalten. Sie untersuchten, wie Instagram und Co. unser Essverhalten beeinflussen, vielleicht sogar beim Abnehmen helfen, könnten.

Spannend ist es allemal, was die anderen so machen.

Instagram & Co.: Wer und wieviele?

Lampions bunt vor Sommerhimmel

Beeren oder Ballons? Nicht jedes Bild auf Instagram beeinflusst uns auf gleiche Weise. Könnten einige gar beim Abnehmen helfen? (All changes made to the image settings are applied to the selected photo only.) © schmitt.stelle under cc

Nach eigenen Angaben konnte das soziale Netzwerk Instagram, bei welchem Fotos und Videos hochgeladen und mit anderen geteilt werden können, im Sommer 2018 eine Milliarde Nutzer weltweit vorweisen. Allein in Deutschland lag die Anzahl der Instagram-Nutzer bei fünfzehn Millionen (Stand: August 2017). Unternehmen und Personen öffentlichen Lebens gehören genauso dazu wie private Personen, kurzum du und ich.

Im Januar 2019 wurde Facebook als weltweit größtes soziales Netzwerk ausgewiesen, mit knapp 2.3 Milliarden monatlich aktiver Nutzer. Platz zwei belegte YouTube und auf der dritten Stufe des interaktiven Siegertreppchens findet sich WhatsApp. Glückwunsch, soweit.
Fotos beziehungsweise Videos hochladen und teilen kann man auf allen dieser Plattformen. Fotos in den Fokus rücken, geschieht vor allem auf Instagram, im Jahr 2018 auf Platz acht der weltweit beliebtesten sozialen Netzwerke.

Foodstagram: Warum bloß Essen?!

Das derzeit erfolgreichste Foto auf Instagram mit den meisten Likes ist – man höre und staune, meine Damen und Herren! – ein Ei. Natürlich steckt darin neben vieler Vitamine sowie Mineralstoffe (und ja, auch Cholesterin) jede Menge Symbolgehalt. Selbstverständlich ist dieses Ei Teil einer sozialmedialen Aktion. Und es passt zum Thema des Artikels. Im weitesten Sinne. Dieses Ei ist auch eine Dokumentation eines Lebensmittels, welches viele von uns mehrmals wöchentlich verspeisen. Jeder kennt es. Viele mögen es.

Aus ähnlichen Gründen sorgen Hashtags wie #foodporn, #nomnom oder #foodstagram für enorme Reichweite. Jeder muss essen. Wir alle lieben leckeres Essen. Evolutionsbiologisch springen bei uns die Synapsen an, sobald wir leckeres Essen sehen.
Werden wir demnach schneller dick, weil wir mehr essen, da wir mehr Bilder davon betrachten?

Konditioniert auf gutes Essen

Wer den pawlowschen Hund kennt, der weiß auch, was es mit der klassischen Konditionierung auf sich hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lernte ein Hund im Forschungskontext, dass er beim Läuten einer Glocke Futter bekam. Irgendwann genügte das bloße Läuten der Glocke – ohne die Gabe des Futters -, damit der Speichelfluss beim Hund einsetzte. Der Hund war klassisch konditioniert worden. Hatte er zuvor niemals eine Glocke in Zusammenhang mit Futter gebracht, war er nun auf diesen ursprünglich neutralen Reiz getriggert worden. Kurzum: Die Glocke erhielt eine positive Besetzung für ihn.

Ähnlich gestaltet es sich auch für uns mit den Fotos bei Instagram.

Essverhalten in der Jetztzeit

Obwohl wir unsere Handys geschweige denn die Bilder darin nicht essen können, verschafft uns allein der Anblick der Fotos vom guten Essen ein Bedürfnis, dieses verschlingen zu wollen. Man spricht hierbei von externalem Essverhalten. Hinzu kommt der angelernte Mechanismus, dass Essen uns oft als Trost oder Belohnung dient, das sogenannte emotionale Essverhalten. Je mehr Stress wir im Alltag haben, desto größer die Gefahr, beiden Formen des Essverhaltens zu erliegen.

Die steigenden Zahlen für Übergewicht und zivilisationsbedingte Erkrankungen sind derart besorgniserregend, dass sich die medizinischen, psychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschungen mit Nachdruck dieser Thematik annehmen.

Auf der anderen Seite stehen Wirtschaft und Werbeindustrie, welche um die urzeitlichen Regulationsvorgänge in unserem Körper wissen. Vor allem Fett- und Zuckerhaltige Nahrungsmittel sprechen unseren Organismus an, stehen sie doch für schnell verfügbare Energie und ausreichende Sättigung. Gegeizt wird folglich damit auf Werbeplakaten nicht.

Wie dick macht uns Foodstagram?

In einer Studie versetzten Blechert et al. (2014) die weiblichen Probanden in einen Stresszustand, indem sie diese an negative Ereignisse erinnerten. Zudem wurden ihnen Essensbilder gezeigt, bei denen die Probandinnen angeben sollten, wie stark ihr Wunsch nach den Nahrungsmitteln sei. Mittels Elektroenzephalogramm (EEG) konnte bei den Frauen das late positive potential nachgewiesen werden, ein positiver EEG-Ausschlag, der 300 bis 600 Millisekunden nach dem gezeigten Reiz, den Bildern, zu sehen ist und unter anderem als Anzeiger für Emotionsregulation im Gehirn dient. In Reaktion auf die Essensbilder war dieser Ausschlag wesentlich größer im Vergleich zu anderen Fotoinhalten. Salopp gesagt: Die Synapsen sprangen stärker an bei Bildern vom Essen. Besonders stark war besagter Effekt, in Zusammenhang mit der angelernten Verhaltensweise des »Frustessens« bei den Probandinnen zu sehen.

Allen, die sich nun verzweifelt den Fotos und der Werbung appetittechnisch willenlos ausgeliefert fühlen, sei gesagt: Es gibt Studien, die untermauern, dass wir durchaus unser Essverhalten selbst bestimmen können, indem wir bewusst gegenregulieren. Drehen wir also den Spieß einmal um: Wir kontrollieren unser Essen mittels Instagram & Co. Ha!

Kann Essensdokumentation beim Abnehmen helfen?

Tacitos mexikanisch

#foodporn #foodstagram #nomnom (All changes made to the image settings are applied to the selected photo only.) © Stephanie under cc

Alles eine Frage der Selbstaufmerksamkeit. In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Patel et al. (2019) zeigte sich, dass allein die Dokumentation unseres Essverhaltens uns beim Abnehmen helfen kann. Das Dokumentieren der Nahrungsaufnahme mittels einer App führte zu einer sichtbaren Gewichtsreduktion, verglichen mit Kontrollgruppen, die reine Informationen/Erinnerungen zum Abnehmen erhielten. Die Bewusstmachung der aufgenommenen Nahrungsmenge und -art dürfte demnach eine Rolle spielen.

Dahingehend könnten folglich auch Instagram und Co. beim Abnehmen helfen. Gesundes Essen zubereiten, schön anrichten, Dokumentation mittels Foto machen, hochladen und zubereitetes Gericht verputzen. Fertig ist der Salat. ;)